Die Blüten auf dem Brot sorgen für Blumenzwiebeln in der Erde (Foto: Meike Fredrich)

Aus Augen- wird Insektenweide

Wie bunte Backwaren für mehr Artenvielfalt sorgen

07.09.2020

Über 40.000 mit Blüten geschmückte Backwaren machen die Auslagen vieler Bioland-Bäckereien bis Anfang Oktober noch ein bisschen bunter – zur Freude von Kundschaft und Insekten. Denn die Bioland-Kampagne Blütenglück bringt nicht nur mehr Vielfalt ins Brotregal, sondern auch auf Wiesen und Felder.

Von Meike Fredrich

Während auf einem Quadratmeter Feld im Bioland sich durchschnittlich 277 Blüten befinden, sind es auf einer gleichgroßen herbizid-behandelten Fläche nur maximal drei – ein anschauliches Zahlenbeispiel, das den Zusammenhang zwischen ökologischer Landwirtschaft und Naturschutz verdeutlicht. „Unsere deutschlandweite Bäckerkampagne Blütenglück macht genau diese direkte Verbindung für die Verbraucher sichtbar und bringt das Thema auf duftende sowie anmutende Weise in die Theke“, erklärt Bioland-Präsident Jan Plagge. „Nicht nur beim Anbau von Getreide – um in der Bäckerbranche zu bleiben – fordern wir mehr als den Verzicht auf Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel. Wir wollen generell aktiv etwas in Richtung Biodiversität tun. Daher haben wir als erster Verband konkrete Richtlinien dazu erarbeitet.“ Die Kampagne trägt also die innerverbandlichen Ziele zur Artenvielfalt nach außen.

Blütenglück = Insektenglück

Landschaft mit Blumenwiese und Feld
Blumen am Rand eines Feldes sind nicht nur eine Freude für's Auge, sondern auch für Insekten und andere Tiere (Foto: Sonja Herpich/Bioland)

 

Über 30 Bäckereien mit mehr als 500 Verkaufsstellen nehmen an der Aktion vom 7. September bis zum 3. Oktober teil. Im Vorfeld haben sie eine Blütenmischung aus Veilchen und Ringelblumen von Bioland erhalten, die sie auf unterschiedliche Weise in ihren Rezepturen verwenden. Insgesamt wurden 130 Kilogramm bestellt. Eine beachtliche Menge, wenn man bedenkt, dass pro Backware nur circa drei Gramm Blüten benötigt werden.

Genau zehn Kilogramm hat die Vollkornbäckerei Köhler aus Würzburg geordert. Inhaber Ernst Köhler erklärt seine Motivation zur Teilnahme: „Während der Corona-Zeit ist unsere Umwelt etwas zu kurz gekommen. Durch die Blütenglück-Kampagne können wir darauf aufmerksam machen, dass Bio-Produkte zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen. Zusätzlich möchte ich auch konventionelle Bäcker und Landwirte bestärken, auf bio umzustellen.“ Bereits seit über 30 Jahren ist der gelernte Sozialpädagoge seiner Firmenphilosophie treu geblieben und kauft seine Rohstoffe regional und in Bio-Qualität. Das gibt ihm auch eine gewisse Sicherheit. „Selbst in der Corona-Hochphase hatte ich keine Engpässe, weil ich nicht auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesen bin. Im März und April haben wir sogar mehr Getreide verarbeitet als sonst“, sagt Köhler.
 

 

Die Rohstoffe für sein Blütenglück-Brot entsprechen natürlich den Bioland-Richtlinien. Doch was haben die schönen Brote darüber hinaus mit der Artenvielfalt am Hut? Ziemlich viel, denn: 20 Cent von jeder verkauften Aktionsbackware werden an die Bioland Stiftung gespendet. Mit den Spenden finanziert diese frühblühende Öko-Blumenzwiebeln – und zwar Krokusse und Winterlinge. Im Oktober können die Bäckerinnen und Bäcker oder ihre Getreidelieferanten sie dann selbst pflanzen. Ernst Köhler plant eine Pflanzaktion direkt im Park vor einer seiner Filiale. Gemeinsam mit den anderen Teilnehmenden entstehen so bundesweit mehrjährige Blühstreifen, die schon im Frühjahr 2021 als Nahrungsquelle für Insekten dienen, wenn die restlichen Pflanzen noch im Winterschlaf sind.

 

Jan Plagge (rechts) übergibt die ersten Blumenzwiebeln stellvertretend an Bäcker Ernst Köhler (Foto: Meike Fredrich)

 

 

Krokusse und Winterlinge werden im Frühjahr aus den Zwiebeln entstehen (Foto: Meike Fredrich)

 

 

Bei der Auftaktveranstaltung in Würzburg wurde mit Abstand um die Wette gelächelt (Foto: Meike Fredrich)

 

Mit vielen Tests zum perfekten Brot

Mehr als 40.000 unterschiedliche Backwaren werden im Rahmen der Kampagne entstehen. Wie die Bäckerinnen und Bäcker die Blüten verwenden, können sich selbst überlegen. Es bleibt ihnen überlassen, ob sie bestehende Rezepte abändern, Ideen von Bioland übernehmen oder so wie Bäcker Köhler neue erfinden. Eigens für den Aktionszeitraum hat er ein Dinkelbrot aus Ruch- und Vollkornmehl entwickelt und erklärt auch gern warum: „Im Gegensatz zu einem Vollkornbrot ist das was für alle Geschmäcker und Generationen, auch für Kinder. Schließlich sollen möglichst viele Leute für das Thema Artenvielfalt sensibilisiert werden.“

Zusätzlich zur Blütenmischung von Bioland hat er Schnittlauch, Brennnessel und Löwenzahn aus dem unterfränkischen Kräuterdorf Schwebheim verwendet. Andere Bäckereien waren auch kreativ und sorgen teilweise sogar für süßen Genuss: Von Hefezopf und Kuchen bis hin zu Weißbrot und Quiche werden viele Vorlieben abgedeckt. „Ich finde es gut, dass jeder Bäcker seine eigenen Rezepte wählen kann – auch wenn ich ehrlicherweise schon ein bisschen testen musste, wie ich die Blüten am besten integriere“, erzählt Köhler. Damit sie nicht anbrennen, hat er sie letztendlich mit Hilfe von Dextrin aus biologisch angebauter Maisstärke auf das fertig gebackene Brot aufgebracht. Der Mehraufwand für sein Personal werde durch die Optik entschädigt.

 

 

Neben Broten werden in ganz Deutschland auch Hefezöpfe, Quiche und süße Teilchen mit Blüten angeboten (Foto: Meike Fredrich)

 

 

Mit selbst gemachten Aufstrichen wird das Brot nicht nur zum optischen, sondern auch zum geschmacklichen Highlight (Foto: Meike Fredrich)

 

 

Zugreifen bitte: Das lässt sich niemand zwei Mal sagen. Mmmmh, lecker (Foto: Meike Fredrich)

 

 

Über die Blüten hinaus hat Ernst Köhler sein Rezept noch mit Kräutern verfeinert (Foto: Meike Fredrich)

 

Wir wollen Mut machen!

Jan Plagge ist beim Auftakttermin in Würzburg sichtlich begeistert von dem besonderen Dinkelbrot: „Es schmeckt wirklich gut, der Teig ist luftig und die Kruste knusprig. Ich freue mich sehr, dass wir mit den Bäckereien starke Partner als direkte Bindeglieder zwischen den Kunden und Bio-Landwirten haben", sagt er. „Unsere Aufgabe ist es, Mut zu machen und das Verhalten zu ändern – und zwar sowohl beim Einkauf als auch beim Anbau und der Verarbeitung. Ich hoffe, dass die Blütenglück-Kampagne in alle Richtungen eine hohe Strahlkraft hat." So wird dann aus Blütenglück vielleicht ein generelles Bioglück.

Weitere Informationen zur Kampagne Blütenglück und alle teilnehmenden Bäckereien finden Sie hier.

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