Pflanzen können miteinander kommunizieren, zum Beispiel um sich vor Fressfeinden zu warnen (Fotos: Sonja Herpich/Bioland)

Getuschel im Garten

Wenn Pflanzen miteinander sprechen

08.05.2018

Pflanzen können viel mehr als lange angenommen. Zum Beispiel lebhaft kommunizieren. Immer mehr Studien offenbaren, dass sie alles andere als stumme Automaten sind. Manch ein Forscher hält sie sogar für schlauer als Tiere.

Von Julia Schreiner

Wer mit seinen Rosen redet oder sein Basilikum streichelt, gilt schnell als kauzig. Das liegt an dem Bild, das wir gemeinhin von Pflanzen haben: Sie wachsen dumpf vor sich hin, betreiben Fotosynthese, blühen ab und an, liefern Früchte, aber sonst ist nicht allzu viel mit ihnen los.
Pflanzen werden gnadenlos unterschätzt. Denn von ihrem lebhaften Austausch mit Artgenossen und der Umwelt kriegen wir in der Regel wenig mit. Gut, dass sie mit Blütenduft Bestäuber anlocken, ist bekannt. Doch die Kommunikation geht sehr viel weiter.

Damit beschäftigen sich Wissenschaftler bereits seit mehr als 20 Jahren. Ohne dass die Öffentlichkeit viel davon mitbekommen hat. Wer das klassische Pflanzen-Bild in Frage stellte, wurde belächelt oder gar angefeindet. Vieles ist immer noch umstritten. "Unsere Forschung provozierte und tut es immer noch", sagt Biologe Dieter Volkmann, emeritierter Professor an der Uni Bonn.

Pflanzen rufen nach Hilfe

Tomatenpflanzen können ihre Feinde so manipulieren, dass die sich gegenseitig auffressen

 

Und: Pflanzen warnen einander auch vor Gefahren. "Erste Hinweise auf die Existenz einer Kommunikation zwischen attackierten und unbefallenen Pflanzen wurden schon vor circa 20 Jahren gefunden", schreiben Molekularökologen der Max-Planck-Gesellschaft. Ein frühzeitiges Warnsystem erscheint sinnvoll. Denn anders als Tiere und Menschen können Pflanzen ja nicht einfach weglaufen, wenn es brenzlig wird. Was sie dafür können, wenn ihnen genug Zeit bleibt: Giftstoffe produzieren, die die Schädlinge ausschalten. Oder eben Freunde aus dem Tierreich herbeirufen.

Die luftige Kommunikation ist das Eine. Viel Austausch findet aber auch unter der Erde statt. Es ist inzwischen belegt, dass es im Boden eine Art world wide web aus Pilzen und Pflanzenwurzeln gibt. Über dieses Netzwerk tauschen Pflanzen nicht nur Nährstoffe aus, sondern auch Informationen. Vielleicht kann man sich das wie ein Grundrauschen vorstellen, aus dem jede Pflanze die für sie wichtigen Meldungen herausfiltert. Dass das Wasser knapp wird zum Beispiel. Das Ganze ist wohl eher ein wachsames Lauschen als zielgerichtete Ansprache, meint Dan Cossins in einem Artikel, der in "The Scientist Magazine" erschienen ist.

 

Der Vorteil der unterirdischen Kommunikation: die größere Reichweite. Über das Geflecht im Boden können sich auch Pflanzen erreichen, die 20 Meter voneinander entfernt stehen. Duftbotschaften haben sich auf diese Distanz meistens längst verflüchtigt.

Tiere lassen sich manipulieren

Vor einigen Jahren ist ein Team um die Wissenschaftlerin Monica Gagliano noch auf einen weiteren Kommunikationskanal gestoßen: Offenbar tauschen sich Pflanzen auch über Knackgeräusche in den Wurzeln aus. Und zwar in einer ganz bestimmten Frequenz - 220 Hertz. Zufällige Geräusche, die beim Wachstum entstehen? Danach sieht es nicht aus. Die Forscher stellten fest, dass junge Getreidepflanzen im Labor auf 220 Hertz ganz auffällig reagieren: Sie wachsen auf die Geräuschquelle hin. Warum sie das machen, weiß man nicht.

Am meisten hat den Pflanzenneurobiologen Baluska eine jüngste Entdeckung beeindruckt: Wie clever sich Tomatenpflanzen gegen die Attacken von Weidenmottenraupen zu wehren wissen. Sie stoßen chemische Signale aus, die die Raupen in Kannibalen verwandeln. Es gebe noch viele solcher Beispiele, wie Pflanzen Tiere manipulieren, so Baluska. "Das legt nahe, dass Pflanzen sogar schlauer sein könnten als Tiere."

 

Die Kommunikation zwischen den Pflanzen läuft nicht nur über die Luft, sondern auch im Verborgenen unter der Erde - etwa bei Getreidepflanzen

 

Gut zu wissen, aber was bringen uns solche Erkenntnisse für den Alltag? "Unsere Landwirtschaft verlässt sich gegenwärtig auf fünf bis sechs Kulturpflanzen, die die ganze Welt ernähren", sagt Baluska. Es gibt Beispiele, die zeigen, dass Pflanzen toxisch werden können, wenn sie in Gefahr sind. Wann das passieren kann, wisse man aber nicht. "Um so eine Gefahr gering zu halten, müssen wir Pflanzen in ihrer ganzen Komplexität verstehen." Wie Pflanzen die Welt wahrnehmen, wie sie sich verhalten und wie sie "denken".

Dabei kann man vor allem von fitten Wildpflanzen viel lernen. Hochgezüchteter Mais oder Weizen hat offenbar nicht mehr viel zu sagen. Auf vielen Äckern scheint kulturelle Sprachlosigkeit zu herrschen. Fressfeinde haben da leichtes Spiel.

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