Vier Tonnen Bioland-Honig waren Sondermüll, weil er mit Glyphosat verunreinigt war. Bioland-Imker Sebastian Seusing musste den Honig entsorgen. (Foto: Imago)

Klage gegen Glyphosat geplant

Zum Schutz von Bienen und Natur will die Aurelia-Stiftung gegen die EU klagen, weil sie die Zulassung ohne Prüfung verlängert hat.

Die EU-Kommission hat die Zulassung für das Totalherbizid Glyphosat Mitte Dezember zunächst für ein Jahr verlängert. Eigentlich steht eine Verlängerung der Zulassung um zehn Jahre auf dem Plan. Dafür ist eine positive Bewertung der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa notwendig. Diese liegt aber noch nicht vor, die Efsa hatte sich mehr Zeit erbeten. Darum will die Aurelia-Stiftung beim Europäischen Gericht eine Überprüfung der Verlängerung beantragen.

Bevor die EU-Kommission Glyphosat für ein weiteres Jahr zugelassen hat, war keine qualifizierte Mehrheit gegen die Zulassung im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) und im entsprechenden Berufungsausschuss zustande gekommen. Deutschland hatte sich zum Bedauern von ökologisch wirtschaftenden Landwirt:innen, Naturschutzverbänden und Imker:innen bei beiden Abstimmungen enthalten, berichtet die Aurelia-Stiftung.

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung ist allerdings vereinbart, Glyphosat ab Anfang 2024 komplett zu verbieten. Dies hat Bundesagrarminister Cem Özdemir in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung bereits festgelegt. Doch es bleibt ein großes Fragezeichen, ob es Anfang 2024 wirklich zum Verbot kommt. Denn Spritzmittel dürfen ein Jahr länger zugelassen werden als der entsprechende Wirkstoff. Solche glyphosathaltigen Mittel könnten demnach noch bis 15. Dezember 2024 in Deutschland eingesetzt werden.

Verlängerung ist systematisches Problem
Dutzende andere Zulassungen von Pestizid-Wirkstoffen werden in der EU immer wieder verlängert, obwohl die erforderliche aktuelle Sicherheitsprüfung noch nicht abgeschlossen wurde. „Wir klagen für die konsequente Einhaltung des in der Europäischen Pestizidverordnung verankerten Vorsorgeprinzips“, sagt Thomas Radetzki, Vorsitzender der Aurelia Stiftung. Für diese juristische Auseinandersetzung sammelt die Stiftung Spenden.

Auch Dr. Achim Willand von der Kanzlei [GGSC], der die Aurelia Stiftung juristisch vertritt, sieht in den schon nahezu routinemäßigen Verlängerungen von Zulassungen ein systematisches Problem. Den Herstellern werde nach Ablauf von geltenden Fristen immer wieder die Möglichkeit eingeräumt, Daten nachzureichen.

„Wir meinen, dass den Herstellern von glyphosathaltigen Mitteln keineswegs mehr Rechte zustehen als der Natur und den Verbraucher:innen in der EU. Das Vorsorgeprinzip, das uns und unsere Ökosysteme schützt, darf nicht durch die Hintertür ausgehebelt werden“, fordert Thomas Radetzki. Für ihn steht fest: „Glyphosat hat in unseren Lebensmitteln nichts zu suchen, schon gar nicht im Honig, wo der Stoff auch die Bienen schädigen kann.“ Schauen Sie sich das Video-Fachgespräch zwischen Thomas Radetzki und den Anwälten Dr. Achim Willand und Dr. Georg Buchholz zum Thema an.

Bioland-Imker Seusing hatte vier Tonnen Honig als Sondermüll entsorgen müssen, der mit Glyphosat verunreinigt war. Die Aurelia-Stiftung hatte ihn bei seiner Schadenersatzklage unterstützt.

Anwalt Willand rechnet nicht damit, dass das Genehmigungsverfahren für Glyphosat auf EU-Ebene bis Ende 2023 abgeschlossen sein wird. Zwar habe die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa angekündigt, die fachliche Bewertung nun bis Juli 2023 abzuschließen. Sie muss bis dahin zusätzliche von den Herstellern angeforderte Daten sowie ein Dossier mit rund 3.000 Seiten auswerten, auch mit Kommentaren und Beiträgen, die im Rahmen einer öffentlichen Konsultation bei der Efsa eingegangen sind.

Die Bewertung der Efsa soll die Basis für eine längerfristige Entscheidung über den Einsatz von Glyphosat bilden, die von der EU-Kommission und den EU-Mitgliedstaaten zu treffen ist. Da diese Entscheidungen auf EU-Ebene erfahrungsgemäß wieder länger dauern, wird es nach Einschätzung von Willand nicht bei der jetzigen Verlängerung bis Ende 2023 bleiben. Am Ende des Verfahrens können die Mitgliedstaaten die Glyphosatzulassung mit qualifizierter Mehrheit für weitere zehn Jahre erneuern. Deshalb ist es Radetzki jetzt so wichtig, Druck auf die EU-Kommission zu machen.

Zudem: Das deutsche komplette Anwendungsverbot wird sich nach Ansicht des Rechtsanwalts Willand juristisch kaum halten lassen. Der in Deutschland geplante Komplettausstieg aus dem Wirkstoff sollte deshalb neu geregelt werden – und zwar mit einer Begründung, die sich maßgeblich auf die Umweltauswirkungen des Einsatzes von Glyphosat stützt.

Kampf gegen Neonicotinoide als Vorbild
Das wegweisende Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, 6. Mai 2021) zu den Anwendungsverboten für Neonicotinoide basierte auf dem Grundsatz, dass nur nach dem aktuellen Wissensstand nachweislich unschädliche Pestizidprodukte die Genehmigung zur Anwendung behalten können. Die Aurelia Stiftung hatte verschiedene Imkerverbände als Bündnispartner gewonnen, die als Prozessbeteiligte einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg des sieben Jahre dauernden Rechtsstreites beigetragen hatten. In wissenschaftlich begründeten Verdachtsfällen hat also der Umweltschutz Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.

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