Regenerative und Aufbauende Landwirtschaft werden verschieden interpretiert. (Foto: Luis Franke)

Vorsicht Greenwashing

Der Begriff "Regenerative Landwirtschaft" verschwimmt zunehmend beim Ringen um die Vormachtstellung im Agribusiness

"Bio schadet dem Klima und fördert den Landverbrauch.“ So betitelte am 6. Mai 2022 die Neue Zürcher Zeitung ein Interview mit Erik Fyrwald, dem CEO des Agrochemie-Konzerns Syngenta. Im Interview wird der Biolandbau massiv angegriffen bis zur Behauptung, „dass Menschen in Afrika hungern, weil wir hier immer mehr Bio-Produkte essen.“ Das Gegenmodell zum Ökolandbau ist für den Syngenta-Chef die Regenerative Landwirtschaft inklusive Pestizideinsatz und genmanipulierten Pflanzen. Auch der global agierende Konzern Nestlé legt einen Fokus auf Regenerative Landwirtschaft und versucht, mit der „Generation Regeneration“ sein Image aufzupolieren.

Genauer Blick tut Not
Während Agrar- und Ernährungskonzerne das Thema fürs Greenwashing nutzen, wirbt auch der Naturschutzbund (NABU) mit einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) für Regenerative Landwirtschaft und verspricht neben einer resilienteren Lebensmittelproduktion positive Auswirkungen auf Biodiversität, Boden und Klima und für die Agrarbetriebe Gewinne durch Bodengesundheit.

Das klingt vielversprechend, doch stellt sich die Frage: Was ist Regenerative Landwirtschaft genau? Wissenschaftliche Studien und Publikationen gibt es nur wenige. Eine einheitliche und klare Definition von Regenerativer Landwirtschaft gibt es nicht. Die NABU-Studie beschreibt es als adaptiven Ansatz, der sich auf die Gesundheit von Böden und Pflanzen konzentriert. Drei Kernprinzipien werden benannt: Erstens keine Bodenbearbeitung, einschließlich Direktsaat. Zweitens dauerhafte Bodenbedeckung durch Pflanzen oder Pflanzenrückstände. Drittens die Förderung der biologischen Diversität einschließlich einer erweiterten Fruchtfolge.

Ursprung Ökolandbau
Im Zentrum der Bemühungen steht ein gesundes Bodenleben. Hier zeigt sich die Schnittmenge mit der ökologischen Landwirtschaft. Der Begriff „Regenerative Landwirtschaft“ wurde in den 1980er Jahren von dem Bio-Pionier Robert Rodale geprägt: Die Bodengesundheit sei von größter Bedeutung, da „die Welt nicht ernährt werden kann, wenn der Boden nicht ernährt wird“. In den Anfängen wurde das Konzept daher hauptsächlich mit dem ökologischen Landbau in Verbindung gebracht.

In den vergangenen Jahrzehnten sind regenerative Bewegungen vorwiegend außerhalb Europas entstanden. Vor allem in Ländern, in denen der zertifizierte ökologische Landbau weniger verbreitet ist als in Europa, konnte der Ansatz Wurzeln schlagen. Auch in den USA ist das Konzept beliebt. In jüngster Zeit nehmen die Initiativen, die sich dem regenerativen Landbau anschließen, auch in Europa zu. Auf Rodale beziehen sich inzwischen nur mehr wenige internationale Befürworter.

Ifoam bezieht Position
Diese Entwicklung veranlasste den Dachverband der europäischen Bio-Bewegung kürzlich dazu, ein Positionspapier zu schreiben. Ifoam Organics Europe begrüßt einige regenerative Praktiken, die in der konventionellen Landwirtschaft eingeführt werden. Allerdings untergrabe der inflationäre Gebrauch des Begriffs die eigentlichen Ziele und Potenziale der regenerativen Landwirtschaft. „Da es keine einheitliche wissenschaftliche oder gesetzliche Definition gibt, wurde der Begriff in den letzten Jahren zunehmend missbräuchlich verwendet.“

Jeder Betrieb, jedes Produkt oder jedes Unternehmen kann schließlich behaupten, „regenerativ“ zu sein. Vermeintliche Schritte zur Nachhaltigkeit fallen somit leicht, viel Veränderung gibt es aber damit nicht. Problematisch ist allen voran die Verwendung chemisch-synthetischer Pestizide mit den bekannten Nachteilen für die Umwelt. Die Agrar- und Lebensmittelindustrie wittert ein neues Geschäftsfeld.

Die Ifoam sieht darin eine Verbrauchertäuschung und eine Irreführung der Politik. Das Greenwashing lenke Investitionen in die falsche Richtung. Vor allem würden die Bemühungen derjenigen untergraben, die regeneratives Wirtschaften ernst meinen. Letztlich werde die notwendige Transformation des Agrar- und Ernährungssystem behindert statt gefördert.

Weitere Nachrichten zu: