„Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ noch schwächer als erwartet
Am Mittwoch hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sein „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ den Verbänden vorgestellt. Im Vergleich zum schon schwachen Entwurf aus dem März gibt es weitere Abschwächungen.

In Deutschland werden zu viele Pestizide ausgebracht. Das ist auch auf politischer Ebene bekannt – und trotzdem sinken die Absatzzahlen für chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel seit Jahrzehnten nicht. Daran wird auch das neue „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ des Bundesagrarministeriums nichts ändern. Der Name des Programms verkommt zur Farce.
„Der im März dieses Jahres vorgelegte Entwurf zum Zukunftsprogramm Pflanzenschutz war bereits enttäuschend – die überarbeitete und jetzt vorgestellte Fassung frustriert nun aber gänzlich“, kommentiert Gerald Wehde, Geschäftsbereichsleiter Agrarpolitik beim Bioland e.V.
Statt im Sinne der Umwelt und Menschen nachzuschärfen, wurden weitere Abschwächungen am Papier vorgenommen: Im Entwurf wurden immerhin noch Überlegungen angestellt, wie sich externe Kosten internalisieren ließen, etwa über eine Pestizid-Abgabe oder andere Steuerungselemente wie Lizenz-Systeme. Von Überlegungen dieser Art fehlt im nun final vorgestellten Programm jede Spur.
„Auch wenn sich immerhin das Pestizid-Reduktionsziel von 50 Prozent bis 2030 aus der Farm-to-Fork-Strategie der EU wiederfindet: Es fehlen wirksame Maßnahmen mit verbindlichen Umsetzungsschritten und Zeitplänen. Zudem ist ein Programm ohne Finanzmittel nicht glaubwürdig. Eine klare Priorisierung der Maßnahmen für diese Legislatur fehlt ebenso. Mit unkonkreten Absichtserklärungen wird eine Reduzierung des Pestizideinsatzes nicht gelingen“, warnt Wehde.
Dabei besteht auch EU-rechtlich großer Handlungsdruck: Deutschland ignoriert seit 13 Jahren EU-Recht, da es die Vorgaben der EU-Pestizid-Rahmenrichtlinie 2009/128/EG „Sustainable Use Directive“ (SUD) zum Integrierten Pflanzenschutz bisher nicht verbindlich umgesetzt hat. Auch die veralteten Regelungen zur „guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz“ entsprechen nicht den Anforderungen der SUD.
„Statt weiterer unverbindlicher Papiere braucht es zum Schutz unserer Lebensgrundlagen einen wirksamen Maßnahmenkatalog zur Pestizid-Reduktion. Zentrales Lenkungsinstrument muss die Einführung einer Pestizidabgabe sein“, fordert Wehde. Dadurch könnte der Einsatz von Pestiziden in Deutschland halbiert werden, das zeigt eine Studie des Helmholtz‐Zentrum für Umweltforschung im Auftrag eines breiten Bündnisses. Angesichts knapper Kassen könnten so zusätzlich ohne bürokratischen Aufwand Gelder zur Unterstützung einer pestizidfreien Produktion generieren werden, so Wehde. „Die Wirkung eines solchen Instruments ist durch Studien und Erfahrungen in anderen Ländern erfolgreich belegt.“
Hintergrund: „Pestizid-Reduktionsprogramm” begrifflich abgeschwächt
Im November 2022 wurde vom BMEL ein „Pestizid-Reduktionsprogramm” angekündigt. Mit großer Verzögerung wurde Mitte März 2024 eine „Diskussionsgrundlage für die Erarbeitung eines Zukunftsprogramms Pflanzenschutz“ seitens des BMEL vorgelegt. Damit wurde das Papier bereits begrifflich abgeschwächt. Nach dem Beteiligungsprozesse stellte das BMEL am 4.9.2024 das „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ den Verbänden vor.
Seit Jahrzehnten ist in Deutschland kein Rückgang des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pestiziden in Deutschland zu verzeichnen. Der 2013 von der Bundesregierung verabschiedete „Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP) ist hinsichtlich der Reduktion des Einsatzes von Pestiziden wirkungslos. Das belegen auch die Daten zum Inlandsabsatz.
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