Für die Bewahrung der Schöpfung
Anlässlich des Schöpfungstages, des 10-jährigen Jubiläums der päpstlichen Schrift "Laudato si’" und der Veröffentlichung des Umweltberichts der Europäischen Umweltagentur hat sich Bioland Bayern mit einem offenen Brief an die Kirchen gewandt.

Vor zehn Jahren hat Papst Franziskus mit seiner Enzyklika Laudato si’ einen historischen Weckruf ausgesprochen – einen Aufruf zur ökologischen Umkehr, zur Verantwortung gegenüber der Schöpfung und zu einem neuen Denken, das das Leben in seiner Ganzheit achtet. Nie zuvor hat ein Kirchenoberhaupt die ökologischen und sozialen Krisen unserer Zeit so eindringlich miteinander verknüpft. Zehn Jahre später ist klar: Dieser Ruf war berechtigt – und dringlicher denn je.
Die aktuelle Veröffentlichung des Umweltberichts der Europäischen Umweltagentur zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, dass wir diesen Weckruf noch immer nicht ausreichend gehört haben. Achtzig Prozent der geschützten Lebensräume in Europa sind in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand, zwei Drittel unserer Böden gelten als geschädigt, und mehr als sechzig Prozent der Gewässer sind ökologisch beeinträchtigt. Europa erwärmt sich schneller als jeder andere Kontinent, mit gravierenden Folgen für unsere Ernährungssicherheit, die Wasserverfügbarkeit, die öffentliche Gesundheit und die Stabilität unserer Ökosysteme.
Angesichts dieser Realität ist Laudato si’ aktueller denn je. Sie mahnt uns, Verantwortung zu übernehmen – für unsere Erde, für unsere Mitmenschen und für kommende Generationen.
Die Kirchen haben in diesem Zusammenhang eine enorme Hebelwirkung: Sie sind mit ihren Gemeinden, ihren Bildungseinrichtungen und ihren Liegenschaften tief in der Gesellschaft verwurzelt. Durch ihr Handeln können sie Maßstäbe setzen – ganz praktisch, vor Ort, in der Art und Weise, wie sie mit Land, Lebensmitteln und Ressourcen umgehen. Die Bewahrung der Schöpfung darf kein abstraktes Ziel bleiben, sondern muss sich in den konkreten Entscheidungen und Strukturen kirchlichen Handelns widerspiegeln.
Ein besonders wirkungsvoller Hebel liegt dabei in der kirchlichen Landverpachtung. Die Kirchen gehören zu den größten Verpächtern landwirtschaftlicher Flächen in Deutschland. Wie dieses Land genutzt wird, hat unmittelbare Auswirkungen auf Böden, Gewässer, Artenvielfalt und Klima.
Wenn kirchliche Grundstücke im Sinne des Gemeinwohls und der Nachhaltigkeit bewirtschaftet werden, kann Kirche zeigen, was gelebter Schöpfungsglaube bedeutet. Eine ökologische Bewirtschaftung kirchlicher Pachtflächen fördert nicht nur die biologische Vielfalt und schützt Boden und Wasser, sondern trägt auch zu einem gerechten, zukunftsfähigen Wirtschaften bei.
Wir regen daher an, dass bei der Vergabe kirchlicher Flächen ökologische und sozialverträgliche Kriterien eine zentrale Rolle spielen und nicht allein der Pachtpreis entscheidet. Kirchliches Land sollte nach transparenten Richtlinien vergeben werden, die eine nachhaltige, humuserhaltende bzw. -mehrende, ökologische und ressourcenschonende Bewirtschaftung fördern. So können Kirchengemeinden bewusst Betriebe unterstützen, die im Einklang mit der Schöpfung wirtschaften – und so selbst zu glaubwürdigen Zeugen einer ökologischen Umkehr werden.
Ein zweiter, ebenso bedeutender Ansatzpunkt ist die Außer-Haus-Verpflegung in kirchlichen Einrichtungen. Täglich werden in kirchlichen Kindergärten, Schulen, Pflegeheimen, Bildungshäusern und Tagungsstätten unzählige Mahlzeiten zubereitet und verzehrt. Wenn in ihren Küchen und Kantinen vermehrt auf biologisch erzeugte und regional produzierte Lebensmittel gesetzt wird, stärkt dies nicht nur Gesundheit und Umwelt, sondern auch regionale Erzeugerinnen und Erzeuger, die oft unter wirtschaftlichem Druck stehen. Eine solche Umstellung erfordert neue Rahmenbedingungen. Es braucht ausreichend finanzielle Mittel und personelle Kapazitäten für die Organisation einer bio-regionalen Beschaffung. Diese Investitionen zahlen sich aus.
Viele kirchliche Einrichtungen sind hier bereits mutige Schritte gegangen. Ihnen gilt unser Dank und unsere Anerkennung. Doch der Weg hin zu einer konsequent nachhaltigen Praxis muss weiter beschritten werden. Die Kirche kann und sollte dabei Vorbild sein, Inspiration für andere gesellschaftliche Akteure und Impulsgeberin für ein neues Bewusstsein im Umgang mit der Erde.
Wenn die Kirche mutig vorangeht, kann sie Hoffnung stiften und die Zukunft gestalten – für unsere Kinder und Kindeskinder, für die Gemeinschaft der Menschen und für den Schutz unserer Lebensgrundlagen.
„Die Umwelt ist ein kollektives Gut, das allen gehört und für alle bestimmt ist.“ (Laudato si’, Nr. 95)
In diesem Sinn bitten wir die Kirchen, das Jubiläum von Laudato si’ nicht nur als Anlass zum Rückblick zu verstehen, sondern als Aufbruch in eine neue Phase der Tatkraft.
Thomas Lang Josef Schmidt
Landesvorsitzender Vorstand
Bioland e.V., Bayern Bioland e.V.