Hohe Aberkennungsraten bei Vermehrungsvorhaben
Wahrscheinlich wird das Pflanzgut wieder knapp. Das bedeutet: rechtzeitig Gedanken zur Sortenplanung und Pflanzgutbezug machen. Nachbau kann, wenn professionell umgesetzt, besonders in dem diesjährigen Umfeld sinnvoll sein.

Wir erwarten Knappheit bei bei Kartoffelpflanzgut. (Niklas Wawrzyniak)
Berichte von verschiedenen Seiten sowie eigene Beobachtungen hiesiger Vermehrungsvorhaben lassen derzeit den Schluss zu, dass wir wieder ungeahnt hohe Aberkennungsraten in der Vermehrung verzeichnen können. Das betrifft auch Sorten, die wir bisher nicht als ausdrücklich virusanfällig angesehen haben. Grund ist häufig ein starker Befall mit Blattrollvirus.
Auf der anderen Seite stehen glücklicherweise gute bis sehr gute Erträge. Dies gilt auch für die Vermehrungsbestände, sodass zumindest durch größere, anerkannte Partien die Knappheit etwas kompensiert werden kann.
Um Pflanzgut zu beziehen und bei Nicht-Verfügbarkeit Alternativen abwägen zu können, solltet Ihr Euch unbedingt frühzeitig kümmern. Dies gilt insbesondere bei Sorten, die Ihr in den vergangenen Jahren immer wieder nur mit Schwierigkeiten beziehen konntet und/oder die als virusanfällig bekannt. Gleiches gilt, wenn die Anzahl an Vermehrungen bekanntermaßen gering ist. Achtung: Außerdem wird womöglich der Einsatz konventionellen Pflanzguts weiter eingeschränkt (mehr dazu siehe den folgenden Beitrag des Rundschreibens).
Nicht wenige Partien können womöglich nicht vollständig über den ursprünglich anvisierten Weg vermarktet werden. Doch ehe eine Eurer Partien keine Verwertung findet, denkt auch über bisher nicht vorgesehene Möglichkeiten zum Nachbau nach. So könnte eine möglicherweise auf der anderen Seite bestehende Pflanzgutknappheit ausgeglichen werden.
Das soll ausdrücklich nicht bedeuten, dass hier alles landen kann, was keinen anderen Weg findet. Guter Nachbau setzt hohe Qualitätsstandards voraus! Ja, man kann im Frühjahr kosten sparen und Knappheit oder Unsicherheit (bei einzelnen Sorten) aus dem Weg gehen. Doch beachte, dass auch alle üblichen Produktionskosten gestiegen sind. Alle Kulturmaßnahmen, eigene Arbeit bzw. die Eurer Mitarbeitenden, aber auch Betriebsmittel, werden besser von einem vitalen, homogenen Bestand getragen. Schlechter Nachbau steht im Zweifel lückig, ungleichmäßig, viruskrank und ist schlichtweg nicht in der Lage ebenso gute Qualitäten und Bruttoerträge zu erzielen. Man hätte also nur kurzfristig Geld gespart. Gutes Pflanzgut ist die wichtigste Basis für ein zufriedenstellendes Ergebnis bei der Ernte. Schlechtes Pflanzgut lässt sich auch durch ein Mehr an Düngung oder den Einsatz anderer Produkte nicht ausgleichen. Daher bei der Beurteilung von Nachbaukandidaten ehrlich zu sich selbst und den Partien sein. Gerne stehe ich auch zur Diskussion oder Bonitur zweifelhafter Fälle zur Verfügung.
Wichtig ist, dass sich die Partie auch bis zur Bestellung halten lässt. Wir erwarten ein höheres physiologisches Alter der Kartoffeln und eine entsprechend weniger stark ausgeprägte Keimruhe. Das zeigt sich bereits in einigen Sorten, v.a. in frühen und sehr frühen Reifegruppen. Sorten, die erfahrungsgemäß sehr schnell keimen (wie z.B. Princess), lassen sich ohne Kühllager nicht bis zur Bestellung lagern. Bestenfalls sind außerdem Partien zu wählen, die von zuverlässig beregneten und eher kühleren Standorten stammen.
Der Besatz mit Dauersklerotien des Rhizoctonia solani befallenen Knollen sollte unter 20 % liegen. Deutlich sichtbare Virus- oder Zwiewuchsprobleme oder anderweitige Beeinträchtigungen (Schwarzbeinigkeit, Fremdsorten etc.) im Bestand schließen einen Nachbau in der Regel aus. Gleiches gilt für den glücklicherweise (noch) seltenen Befall mit Stolbur phytoplasma und/oder Candidatus arsenophonus phytopatogenicus.
Sind alle Voraussetzungen erfüllt, so empfiehlt sich außerdem eine Untersuchung auf Virosen (v.a. bei anfälligen Sorten). Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen bietet entsprechende Dienstleistungen an. Beachtet, dass nicht bei allen Sorten problemlose Sichtprüfungen möglich sind; hier müssen ggf. ELISA-Tests erfolgen (s. Liste). Da auch die Anzucht von Pflanzen aus Augenstecklingen eine gewisse Zeit beansprucht, sollte man hier spätestens jetzt tätig werden. Nur so lässt sich bei einem zu hohen Befund adäquate Alternativen planen und beschaffen. Im Falle einer bestehenden QS-Zertifizierung an die 40/60-Regel denken.