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Umsteuern bei der Ernährung

Politik01.08.25

Pflanzliche Alternativen sollen Fleisch gleichgestellt werden, raten Experten der Regierung. Davon könnten Umwelt und Markt profitieren.

Pflanzliche Alternativen leisten einen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz. Die Regierung ist aufgefordert Innovationen zu fördern. (Foto: Landpixel)

Pflanzenbasierte, fermentierte und zellkultivierte Produkte gewinnen bereits an Bedeutung. Weil diese Produkte eine deutlich bessere Treibhausgasbilanz haben als tierische Produkte, empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE), das Marktsegment zu fördern.
 
Denn pflanzliche Alternativen wären eine Lösung für das Käseparadox, das auch am Bio-Markt stark zu beobachten ist: Der Fleischkonsum in Deutschland sinkt seit Jahren. Der Pro-Kopf-Verbrauch beträgt etwa 53 Kilogramm pro Jahr, das sind rund zehn Kilogramm weniger als in den 2010er Jahren. Gleichzeitig stieg der Verzehr von Käse. Folglich sinken die Treibhausgasemissionen der Ernährung kaum. Pflanzliche Alternativen bieten einen Ausweg aus diesem „Käseparadox“. So steht es im Gutachten zum Thema, das der WBAE im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums erarbeitet hat. Die Produktion von Fleischalternativen hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Dennoch ist die Menge mit 1,5 Kilo pro Kopf im Vergleich zu Fleisch gering, laut Statistischem Bundesamt.

Konkrete Strategie für den Alltag

Der WBAE schlägt eine flexible 3-R-Strategie vor, um tierische Produkte zu reduzieren:


•    Reduce: also kleinere Portionen tierischer Produkte
•    Remix: also Hybridprodukte, in denen der Milch- oder Fleischanteil mit einer pflanzlichen Alternative gestreckt wird 
•    Replace: innovative Alternativen zu beliebten Milch- oder Fleischprodukten

Diese Strategie bietet allen Ernährungsstilen alltagstaugliche Optionen. So können die Produkte einen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz leisten und die steigende Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln abfedern. 

Umbau der Tierhaltung 

„Wir erwarten keinen abrupten Strukturbruch, sondern einen schrittweisen Wandel", betont Prof. Dr. Hiltrud Nieberg, Thünen-Institut und stellvertretende Vorsitzende des Beirats, „Wichtig ist, dass wir diesen Wandel aktiv gestalten und Betriebe im Sinne des Tierwohls gezielt beim Umbau unterstützen.“ In tierstarken Regionen wären Umweltwirkungen deutlich spürbar. Der Beirat empfiehlt ausdrücklich Maßnahmen, um Grünlandflächen als biodiversitätsreiche Kulturlandschaften zu erhalten. Denn ein Rückgang grünlandbasierter Tierhaltung birgt die Gefahr, naturschutzrelevantes Dauergrünland zu verlieren.

Die Bioland-Regeln mit der flächengebundenen Tierhaltung, dem Kreislaufgedanken und dem Erhalt der biodiversitätsreichen Kulturlandschaft entsprechen bereits dem Ziel, Umwelt und Klima zu schonen. Eine flächengebundene Tierhaltung in der gesamten Landwirtschaft umzusetzen, würde die Tierzahl deutlich reduzieren und die Umwelt entlasten. 

Politikempfehlung: Förderung durch Gleichbehandlung

Der wissenschaftliche Beirat des BMLEH fordert faire Wettbewerbsbedingungen für Alternativprodukte. Dazu gehört insbesondere die Abschaffung der steuerlichen Benachteiligung, um die Wahlfreiheit der Verbraucher zu stärken: Pflanzliche Produkte unterliegen im Gegensatz zu tierischen Erzeugnissen dem vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Der Beirat verweist auf eine transparente Verbraucherinformation. Zumeist sind Alternativen gesünder und umweltfreundlicher, aber das gilt nicht für alle Produkte. Der Nutri-Score soll nach Ansicht des Expertengremiums weiterentwickelt und ein Klimalabel eingeführt werden. 

Der Deutsche Tierschutzbund schließt sich den Forderungen des Beirats an. Neben der steuerlichen Gleichstellung pflanzlicher Produkte spricht er sich auch dafür aus, Landwirt:innen zu unterstützen, die aus der Tierhaltung aussteigen wollen. Pflanzliche Alternativen seien gut für die Tiere, die menschliche Gesundheit und den Planeten. Wichtig sei, Fleisch nicht durch andere tierische Produkte wie Insektenprotein zu ersetzen. Auch hier litten Tiere und Studien stellten die behaupteten Vorteile von Insektenprotein infrage. „Es gibt kein Menschenrecht auf Fleisch, aber sehr wohl ein Recht auf Ernährung“, so Thomas Schröder, Präsident des Tierschutzverbands. 

Der WBAE empfiehlt zudem eine gezielte Förderung von Forschung und Entwicklung alternativer Proteine. Dazu zählen sie Zellkultivierung und Präzisionsfermentation sowie ein interdisziplinäres Forschungsfeld einzurichten. Auch die Gemeinschaftsverpflegung in Schulen, Kantinen und Pflegeeinrichtungen biete großes Potenzial für pflanzliche Alternativen. 
Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer begrüßt das Gutachten. Er lobt: „Wir wollen, vielseitiges und ausgewogenes Essen zu stärken, ohne den Konsumenten Vorgaben zu machen. Verbraucher sollen nach ihren Präferenzen entscheiden können und jeweils ein gutes Angebot vorfinden.“ Er verweist auf bestehende Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, etwa zur Förderung des heimischen Eiweißpflanzenanbaus und zur Unterstützung einer EU-Proteinstrategie.