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Streit um Ernteguterklärung

Politik23.06.25

Anwalt stellt Vorgehen klar. Bio-Branche sucht Lösungen zur Finanzierung der ökologischen Züchtung.

Züchtung muss finanziert werden, aber das Vorgehen der STV zur Ernteguterklärung stößt auf Ablehnung. (Foto: Sonja Herpich)

Landwirte, die Saatgut aus ihrer eigenen Ernte nachbauen, müssen Gebühren an die jeweiligen Züchter der geschützten Sorte zahlen. Der Bund Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) erlangt diese Nachbaugebühren über die Saatgut Treuhandverwaltungs GmbH (STV). Im Jahr 2023 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Verfahren der STV über „illegales“ Erntegut gegen das Landhandelsunternehmen Agrarvis entschieden: Erfasser von Erntegut müssen sich bei ihren Anlieferern vergewissern, dass sie das Sortenschutzrecht einhalten. Darunter fällt beispielsweise die ordnungsgemäße Entrichtung von Nachbaugebühren. Wird wiederholt illegales Erntegut vertrieben, droht dem Landhandel eine empfindliche Geldstrafe (Ordnungsgeld).

Im konkreten Fall hatte der Landhandel überhaupt keine Erkundigung über die Herkunft des Ernteguts angestellt. Welche Bemühungen im Einzelfall für den Landhandel erforderlich gewesen wären, um sich vor Ansprüchen zu schützen, hat der BGH aber nicht beantwortet. Seitdem streiten sich Züchter, Handel und Verbände um die Frage, wie weit Erkundigungs- und Prüfpflichten des Landhandels tatsächlich gehen.

Inzwischen räumt die STV ein, dass die sogenannte Erntegutbescheinigung nur eine mögliche Variante für den Agrarhandel ist, um die Einhaltung von Sortenschutz sicherzustellen. Alternativ könne der Handel auch eigene Systeme etablieren, um Erntegut zu prüfen. Die Mehrheit der Züchter, vertreten durch den Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP), erklärten in diesem Zuge, dass eine einfache Selbsterklärung des Landwirts aber nicht ausreiche.

IG Nachbau-Anwalt Jens Beisman stellte im Rahmen einer Online-Veranstaltung von Bioland Ende Mai klar, dass Landwirte und Landwirtinnen nicht verpflichtet sind, am STV-System teilzunehmen. Das Vorgehen der STV sei kartellrechtlich bedenklich und darauf ausgelegt, so viele Daten wie möglich zu sammeln. Kritisch seien außerdem vorformulierte Erklärungen, die Vertragsstrafen androhen, welche weder angemessen noch akzeptierbar sind. Auch der Deutsche Bauernverband übt Kritik am Vorgehen der STV und wirft ihr vor, den Agrarhandel und damit Landwirte mit überzogenen und übergriffigen Abmahnungen unter Druck zu setzen.  

Die IG Nachbau hat daher eine eigene Ernteguterklärung entwickelt, die auf Nachfrage allen interessierten Landwirten zur Verfügung steht. Diese decke rechtssicher alle Herkunftsoptionen des Vermehrungsmaterials ab – inklusive freier Sorten, Sorten von STV-unabhängigen Züchtern, Populationssorten, erklärte Beismann bei der Bioland-Veranstaltung. Sollten Händler auf die STV-Ernteguterklärung bestehen, sollten Landwirtinnen und Landwirte einen Wechsel des Händlers erwägen. Dies erhöhe den Druck auf die abnehmende Seite, auch STV-unabhängige Ernteguterklärungen zu akzeptieren.

Die Bio-Branche sucht Lösungen auf Augenhöhe, um die Züchtung zu finanzieren. Die ökologische Pflanzenzüchtung ist unabhängig von der STV über die BioSaat GmbH organisiert. Die bislang auf Freiwilligkeit basierende Finanzierung bleibe jedoch eine Herausforderung, wie Herbert Völkle von der BioSaat GmbH im Rahmen der Veranstaltung darstellte. Zur Finanzierung der Öko-Züchtung wurden zwei optionale Systeme entwickelt:

  • Landwirtinnen und Landwirte können den Nachbau entweder wie gehabt jährlich melden und einen Betrag spenden.

  • Zusätzlich gibt es ein neues Partnerschaftsmodell: Der Beitrag bemisst sich an der Gesamtgröße eines Betriebes und umfasst 5 Euro pro Hektar Ackerfläche.

  • Die Zukunftspartnerschaft fördert unabhängige und zukunftsorientiere Öko-Züchtung und die Entwicklung neuer Sorten.  


Weitere Infos:
www.zukunft.biosaat.eu 
www.ig-nachbau.de