"Ein Beispiel für gelungenen Bürokratieabbau"
Das GAP-Vereinfachungspaket erkennt die Leistungen des Ökolandbaus an – eine Win-Win-Situation für Umwelt und Betriebe. Ein Kommentar.

GAP-Vereinfachungen helfen Bio-Betrieben, deren bürokratischen Aufwand zu reduzieren. (Foto: Sonja Herpich)
Kommentar: Carolin Pagel, Bioland
„Bürokratieabbau“ ist zum Kampfbegriff mutiert. Derzeit bilden sich Fronten, die dem Ziel als Solches nicht weiterhelfen. Offensichtlich ist: Der Begriff wird teils instrumentalisiert, um den Abbau von Umwelt- oder Sozialstandards zu legitimieren. Stets im Blick behalten muss man, welche Interessen hinter einer Forderung stehen. Zugleich ist es dringend notwendig, die zunehmenden Belastungen der landwirtschaftlichen Betriebe ernstzunehmen und Komplexität spürbar zu reduzieren.
Paradebeispiel für eine nur mehr schwer zu durchschauende Regulierung ist die aktuelle Agrarförderpolitik (GAP). Die 2023 eingeführte sogenannte Grüne Architektur aus Konditionalität, Öko-Regelungen in der Ersten Säule und Agrar-Umwelt-Klima-Maßnahmen (AUKM) in der Zweiten Säule ist äußerst komplex und bringt nicht nur Praktiker und Praktikerinnen zur Verzweiflung. Dazu kommt: Auch weiterhin wird die GAP europäische Umweltziele verfehlen.
Green by design
Ein positives Beispiel dafür, wie Bürokratieabbau gezielt gelingen kann, liefert das Konzept „Green by design“. Das hat auch EU-Agrarkommissar Christophe Hansen erkannt. Nicht nur in seinem Vorschlag zur nächsten GAP-Reform ab 2028 findet sich das Ziel der Vereinfachung wieder (siehe bioland-Fachmagazin 8/2025 ab Seite 6). Im Mai dieses Jahres hat die EU-Kommission darüber hinaus ein Vereinfachungspaket für die aktuell laufende Förderperiode vorgeschlagen. Darin ist auch die Idee enthalten, gesamtumgestellte Bio-Betriebe bei den GLÖZ-Standards, also den Anforderungen für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen, wieder weitgehend automatisch anzuerkennen. Bei GLÖZ 7, dem Fruchtwechsel, ist das bereits der Fall.
Skeptiker befürchten nun, dass dieser Schritt negative Konsequenzen mit sich zieht, allen voran im Bereich des Grünlandschutzes. Diese Sorge ist nachvollziehbar. Sie lässt sich aber nüchtern zerstreuen. Wichtig ist, sich den Kontext vor Augen zu führen.
1. Nachhaltiges Wirtschaften muss einfacher werden
Ziel des EU-Vorschlags ist im Kern, Bauern und Bäuerinnen ein besonders nachhaltiges Wirtschaften leichter zu machen. Das gelingt mit Biolandbau – ein Weg, der nicht der Einzige ist, aber der auf dem derzeit höchsten gesetzlich festgelegten Standard basiert. Die EU-Kommission begründet den Vorschlag damit, dass sich die Ziele der Konditionalität und der EU-Ökoverordnung weitgehend decken. Zum Beispiel sehen beide Rahmenwerke vor, boden- und wasserschonend zu wirtschaften und Grünland zu erhalten. Die Vorgaben für den Ökolandbau sind aber in ihrer Gesamtheit wesentlich strenger. Als EU-weit geregeltes Produktionsmodell wird jeder teilnehmende Betrieb jährlich kontrolliert. Die Umweltleistungen des Ökolandbaus für Biodiversität, Boden- und Wasserschutz sind wissenschaftlich anerkannt.
2. Gesamtbetriebsumstellung als Voraussetzung
Die Regelung soll europaweit ausdrücklich nur denen zugutekommen, die als gesamter Betrieb bio-zertifiziert sind. Damit honoriert die EU nicht nur die systemischen Umweltleistungen, die Landwirte und Landwirtinnen mit ökologischer Landwirtschaft gesamtbetrieblich und mehrjährig erbringen, sondern bietet auch einen Schutz. Denn „einfach so“ lässt sich kein Betrieb im Ganzen umstellen. Beispielsweise darf während des zweijährigen Umstellungszeitraums die produzierte Ware noch nicht als Bio-Ware vermarktet werden – während dieser Zeit müssen Betriebe aber schon nach den Vorgaben der EU-Ökoverordnung wirtschaften.
3. Anreize statt Auflagen
Die GLÖZ-Standards, als Teil der GAP- Konditionalität, bieten als Fördervoraussetzung eine Art Mindestschutz. Dieser ist in einem nicht nachhaltigen Agrarsystem notwendig. Damit stellen die GLÖZ-Standards aber auch eine Legitimierung für die pauschalen Flächenprämien dar. Bio- und Umweltverbände fordern, die Agrarförderung nur noch für konkrete Umweltleistungen zu zahlen, im Sinne von „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“. Das ist das langfristige Ziel, welches wir nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Wenn dieses Prinzip zur Gänze umgesetzt ist, sind Grundanforderungen wie die heutige Konditionalität nicht mehr notwendig. Auf dem Weg dahin braucht es Zwischenschritte.
4. Konditionalität als Notbremse
Die Konditionalität wurde geschaffen, um Schadensbegrenzung innerhalb eines Agrarmodells mit hohem und umweltschädlichem Intensitätsniveau zu betreiben. Dabei sollte sie in ihrer Wirkung nicht überbewertet werden. Untersuchungen des Umweltbundesamtes und des Thünen-Instituts haben gezeigt, dass das Vorgängermodell der Konditionalität, das sogenannte „Greening“, nur geringe positive Effekte auf die Umwelt hatte. Beispielsweise konnte die Vielfalt der Ackerkulturen auf lokaler und regionaler Ebene nicht gesteigert werden. Zudem stieg der Bodenabtrag um rund 5 Prozent, da Ackerkulturen mit höherem Erosionsrisiko vermehrt auf bereits erosionsgefährdeten Flächen angebaut wurden. Auch der Humusaufbau war nur geringfügig positiv und das Umweltrisiko durch Pflanzenschutzmittel sank nur leicht.
5. Erhalt von Dauergrünland als EU-Vorgabe
In einem Punkt war das damalige Greening aber erfolgreich: Den Verlust des Grünlands konnte das Instrument weitestgehend stoppen. Und das, obwohl der ökologische Landbau seinerzeit als „green by definition“ anerkannt war. Zentral dabei ist die Verankerung des Dauergrünlandschutzes über eine EU-weite Vorgabe: Die Dauergrünlandfläche darf zum Referenzjahr 2018 nur um einen bestimmten Prozentsatz abnehmen. Das dieser Wert von 5 auf 10 Prozent angehoben werden soll, geht in die falsche Richtung. Immerhin: die Mitgliedstaaten waren und sind verpflichtet, die Entwicklung des Dauergrünlands zu dokumentieren und zu schützen.
6. Entflechtung von Fach- und Förderrecht
Bei dem vorliegenden Vorschlag handelt es sich in erster Linie um eine Fördervereinfachung. Als Fördervoraussetzung gilt die Konditionalität ohnehin nur für Betriebe, die Agrargelder beantragen. Über die GAP hinaus ist der Erhalt von Dauergrünland auch in Natura-2000-Gebieten festgeschrieben, einem europaweiten Netzwerk von Schutzgebieten. Eine Studie des Umweltbundesamts (UBA) vom November 2024 kommt zu dem Schluss, dass die ordnungsrechtlichen Vorschriften zum Erhalt von Dauergrünland auf Bundesebene zwar nicht in Gänze mit dem Schutzniveau der Bestimmungen betreffend GLÖZ 1 mithalten können, aber auch zugleich nicht stark dahinter zurückfallen.
Wichtiger sind die Regelungen in den Bundesländern: Unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg übertreffen Vorschriften zum Schutz von Dauergrünland das Schutzniveau der GLÖZ-1-Bestimmungen zum Teil. In Summe könne das Ordnungsrecht noch immer Dauergrünland solide schützen, so die UBA-Studie. Voraussetzung dafür sei aber ein konsequenter Vollzug des bestehenden Ordnungsrechts. Zudem braucht es Regelungen, die im Fall eines Umgehungstatbestands greifen, wie es sie in anderen Ländern bereits gibt. Erste Signale aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMLEH) lassen darauf hoffen, dass der Schutz des Dauergrünlands weiterhin sehr ernst genommen wird. Einer hausinternen Folgenabschätzung des BMLEH nach lägen die Effekte durch die vorgeschlagenen Änderungen im GAP-Vereinfachungspaket auf das Dauergrünland bei null Prozent.
Bürokratieabbau erfordert Paradigmenwechsel
Bei aller berechtigten Sorge um den Zustand und den Erhalt des Dauergrünlands sollten wir nicht aus dem Blick verlieren, welche zusätzlichen positiven Effekte der „Green by design“-Ansatz auslösen kann. Denn er vereinbart und stärkt Umweltziele, Bürokratieabbau und den Ökolandbau in Europa. Darüber hinaus öffnet er die Tür für einen noch wichtigeren Effekt: mehr Vertrauen und Akzeptanz für den Ökolandbau und die Öko-Verordnung seitens der bäuerlichen Praxis.
Notwendig ist ein langfristiger Paradigmenwechsel auf allen Ebenen. Reflexhafte Reaktionen in die eine oder andere Richtung helfen dem Ziel der Vereinfachung nicht weiter. Entscheidend ist, dass Bürokratie gezielt abgebaut und mit der Honorierung von Umweltleistungen verknüpft wird.
Zur Bioland-Position zum Vereinfachungspaket