Wem nützt die Neue Gentechnik?
Gentechnik – ob alte oder neue – nützt keinem, wenn die Grundvoraussetzungen für eine gute Landwirtschaft nicht gegeben sind: Bodenfruchtbarkeit, genügend Wasser und Nährstoffe für ein gesundes Wachstum, und damit die Erzeugung von gesunden Nahrungsmitteln. Eine isolierte Nutzung von neuen Gentechniken ist kein Heilmittel für die zahlreichen Probleme um Biodiversität, Artenvielfalt und globale Ernährung.
Auf diesen Konsens konnte man sich am Ende der Podiumsdiskussion zur „Neuen Gentechnik“ am Stanglerhof in Völs einigen. Die fundierte und gut geführte Debatte durch Hanno Mayr und Anja Matscher beleuchtete eine breite Vielfalt an Argumenten die es zu diesem komplexen Thema gibt: Vergleiche und Erfahrungen mit der „alten“ klassischen Gentechnik, welche Rolle spielen Züchtung bzw. Genschere in der Weiterentwicklung der Landwirtschaft, Risikobewertung und Regulierung, Aufweichung der Transparenz für die VerbraucherInnen, Einfluss der Agrarkonzerne durch Sicherung der Patente, der Gesetzesrahmen in der EU. Eine Einführung zur derzeitigen Situation und den Unterschieden alte versus neue Gentechnik gab Thomas Letschka vom Versuchzentrum Laimburg. Wichtigster Unterschied: Mit der klassischen Gentechnik war es möglich, die Artgrenze zu überschreiten z.B. Fischgene in eine Tomate einzubringen, mit der Crispr/Cas-Schere wird punktgenau eine Mutation herbeigeführt, in der Regel ohne neue Gene auf Dauer in das Erbgut einzuführen.
Alles was theoretisch in der Natur passieren kann, wird behandelt wie die Natur selbst.
Mit Hannes Schuler, Professor an der Fakultät für Agrar-, Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften der Uni Bozen und EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann saßen zwei Befürworter der neuen Gentechnik Crispr/Cas am Podium: „Alles was theoretisch in der Natur passieren kann, wird behandelt wie die Natur selbst“, fasst Herbert Dorfmann die Einordnung der neuen Technologie und damit den Entwurf der EU kurz, der Grundlage für eine neue gesetzliche Regelung der Gentechnik sein soll. Es gebe keinen Unterschied zwischen Pflanzen, die mit der Crispr/Cas Genschere behandelt werden und solchen durch spontane Mutation oder Züchtung entstandenen. Aus diesem Grund brauche es auch keine Regulierung, das heißt, die mittels neuer Gentechnik entstandenen Pflanzen und Produkte (Kategorie 2) entsprechen jenen aus der herkömmlichen Züchtung (Kategorie 1).
Gegen eine solche Deregulierung wandte sich Bioland Präsident Jan Plagge: Ihm gehe es nicht um Verbote, sondern eine verbraucher- und landwirtefreundiche gesetzliche Einordnung, welche die Kennzeichnung und damit den Unterschied zwischen spontanen Züchtungen und genmanipulierten Pflanzen einhalte, so wie bei der klassischen Gentechnik. „Einen derart heiklen Bereich völlig freizugeben, ist der falsche Ansatz,“ so Plagge. „Schädlings- oder Klimaresistenzen in kürzester Zeit mit der Genschere in Pflanzen einzubringen, ist eine Wette auf die Zukunft, die Abwägung und Risikoprüfung darf nicht ausbleiben und wir dürfen uns nicht von industrienaher Wissenschaft treiben lassen.“
Wir brauchen eine systemische Lösung in der Landwirtschaft und nicht einzelne neue Sorten.
Gute Antworten auf systemische Probleme wie den Klimawandel könnten nicht durch Gentechnologie alleine gegeben werden, so Eva Gelinsky, Koordinatorin der Interessensgemeinschaft gentechnikfreie Saatgutarbeit. „Eine Resistenz oder eine Pflanze als Lösung greift hier nicht, wenn es um die Volatilität der Verhältnisse geht, also um den Klimawandel, neue Schädlinge und neue Krankheiten. Was können einzelne neue Sorten hierzu wirklich bewirken?“ Der Biolandbau gehe systemisch an diese Probleme heran, und stelle die richtigen Fragen: Wieviel Niederschlag können unsere Böden auffangen, wie bringe ich mehr Vielfalt in den Betrieb, um zu überleben wenn eine Kultur ausfällt, was lasse ich zwischen Reb- und Obstzeilen wachsen?
Ein weiterer wichtiger Punkt war jener Passus des EU-Entwurfs, der den Biolandbau und damit Bioprodukte von der Gentechnik-Regelung ausnimmt, für Bio gelte weiterhin gentechnikfreies Wirtschaften. „Wie aber können wir BiolandwirtInnen und damit auch die KonsumentInnen sicher sein, dass Bioprodukte entlang der Wertschöpfungskette frei von Kontaminationen durch Gen-Produkte bzw. Herstellungsmethoden bleiben?“ Hier müsse auf jeden Fall das Verursacherprinzip greifen, aus diesem Grund brauche es die Kennzeichnung und Regulierung, so Jan Plagge.
Im Anschluss an die Diskussion gab es noch zahlreiche Fragen von einem sehr interessierten Publikum am Stanglerhof. Das Thema ist für KonsumentInnen wie für LandwirtInnen von großer Bedeutung, die Debatte geht weiter.
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