Neu landwirtschaften: Agroforst

Agroforst ist ein landwirtschaftliches System, das Gehölze mit Gemüse, Wein, Tierhaltung oder Getreide kombiniert. Hier einige Beispiele aus Südtirol.

Im Mai hat sich das Projekt Mischkulturen in Südtirol dem Thema Agroforst gewidmet. Interessierte haben in zwei Tagen fünf Betriebe besichtigt, die ein solches System geplant oder etabliert haben. Begleitet wurden die Teilnehmer von Tobias Hoppe, dem Agroforstberater von Bioland. Er berät interessierte Betriebe in Deutschland bei der Planung und Umsetzung von Agroforstsystemen.

Ein Agroforstsystem bezeichnet die Kombination von mehrjährigen, verholzenden Strukturen mit landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Kulturen oder einer Tierhaltung auf ein- und derselben Fläche. Sowohl die Bäume als auch die Ackerkulturen werden angebaut, gepflegt und bewirtschaftet, um von beiden einen Nutzen erwirtschaften zu können. 
Das System Agroforst ist nicht neu, sondern hat eine lange Geschichte in der Landbewirtschaftung und ist überall auf der Welt verbreitet. Der Begriff taucht heute in Verbindung mit einer zukunftsfähigen Landwirtschaft immer häufiger auf, denn die durch dieses System geschaffenen mikroklimatischen Bedingungen sind in der Lage Temperaturextreme besser auszugleichen. Agroforstsysteme lassen sich modern und mit den heute üblichen Bewirtschaftungsmethoden umsetzen. Durch die Integration von Gehölzen in einem Weinberg oder einem Acker können angrenzende Kulturen vor Wind und Erosion geschützt oder vor Sonnenbrand und Hitze geschützt werden. Die größere Vielfalt auf der Fläche lockt Nützlinge an, wodurch die natürlich Schädlings- und Krankheitsregulation gestärkt werden kann. Die Flächenproduktivität kann sich steigern, wenn man Gehölze integriert, die eine Vermarktungsmöglichkeit bieten wie z.B. Frucht- und Mostbäume, Wertholz oder Nüsse. Ein Betrieb ist durch die Mehrfachnutzung breiter aufgestellt und Wetterextreme und Preisschwankungen können besser abgefedert werden. 
 

Mischkulturen am Larchhof in Terlan

Agroforstsysteme in kleinen Dimensionen kommen bereits seit langer Zeit auch in Südtirol vor. Ob Tierhaltung in einer Streuobstwiese oder Kartoffelanbau in einer Apfelanlage, die Formen von Agroforst können sehr vielfältig sein.
Am Larchhof in Terlan hat uns Franz Mair einen Einblick in seine Erfahrungen mit Mischkulturen, welche Apfelbäume mit Gemüse kombinieren gegeben. Sein Grundgedanke ist, die Fläche optimal auszunutzen, deshalb probiert er seit seiner Betriebübernahme vor fünf Jahren verschiedene Kombinationen aus. Er nutzt die Fahrgassen in Junganlagen für den Gemüse-Anbau. Als gut umsetzbar durchgesetzt hat sich auf seinem Betrieb der Anbau von Kartoffeln zwischen den Apfelreihen einer Junganlage. Im Vergleich zu anderen Kulturen wie beispielsweise Kohl, Honigmelone oder Artischocken ist bei den Kartoffeln die maschinelle Pflege vor allem aufgrund der geringeren Wuchshöhe zwischen den Apfelbäumen sehr gut möglich. Auch bei Salat und Zwiebeln bietet sich der Anbau zwischen den Reihen aufgrund der geringeren Wuchshöhe gut an. Im zweiten Standjahr der Apfelbäume eignet sich die Kombination mit dem Gemüse nicht mehr so gut, da die Beschattung schon stark zunimmt. „Bei der Auswahl der Gemüseart ist die Abstimmung des jeweiligen Reifezeitpunkts mit dem Reifezeitpunkt der Obstart entscheidend, damit die Lichtverhältnisse von beiden Kulturen optimal genützt werden können. Außerdem ist das Hochasten bei bestimmten Gehölzen neben dem regelmäßigen Baumschnitt hilfreich, um die Nachteile der Beschattung zu verringern“, ergänzt Tobias Hoppe. Franz hat bei der Kombination Apfel mit Kartoffel über die Jahre auch einen positiven Effekt des Systems an den Apfelbäumen feststellen können: Trotz derselben Düngestrategie wie in Anlagen ohne Kartoffel ist das Wachstum in Junganlagen mit Kartoffeln besser.

Hackschnitzel am Bachguterhof in Dorf Tirol 

Franz Laimer hat verschiedene Agroforstsysteme bereits vor 20 Jahren auf dem Bachguterhof umgesetzt. Die primäre Intention Gehölze mit einjährigen Kulturen zu kombinieren war anfangs die Steigerung des ökologischen Nutzens auf seinem Betrieb. Franz wollte seine Flächen für Bienen und andere Insekten attraktiver gestalten. Mehrnutzungshecken hat er außerdem als Schutzbarrieren in Randbereichen gegen Abdrift, Wind- und Sichtschutz gepflanzt. Zu Beginn war die Ernte von zusätzlichen Früchten somit nicht vorrangig. Heute schätzt er die Möglichkeit der Holznutzung aus der Hecke für die Herstellung eines eigenen Hackschnitzel-Komposts für den Einsatz auf den Gemüsebeeten als sehr wertvoll ein. „Die Hackschnitzelnutzung ist ein toller Nebeneffekt von der Pflanzung höher wachsenden Bäumen in Hecken oder Kurzumtriebsplantagen. Pappel oder Kastanie kann beispielsweise für Vögel und andere Tiere sehr wertvoll sein und als sogenannter hydraulischer Lift Wasser und Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten erschließen“, ergänzt Tobias.
Als Abgrenzung zwischen den Gemüsebeeten stehen bei Franz auch Baumreihen mit Apfel, Birne, Kiwi oder Indianerbanane. Bei Birne und Apfel wählt er robuste Sorten aus. Es sind somit wenige Pflanzenschutz-Behandlungen nötig. Den Aufbau einer Selbstregulation durch die Vielfalt hat Franz über die Jahre in seinen Anlagen beobachten können. „Ein Vogelexperte, der schon einige Mal bei mir zu Besuch war, bestätigt mir immer wieder, dass auf meinem Betrieb sehr viel los ist in der Tierwelt“, sagt Franz.
 

Obstgehölze, Dinkel und Roggen, Gemüse und Beeren in Naturns

Dominik Greiss hat in Naturns auf einer Fläche des Waldcampings sein gut ausgeklügeltes Agroforstsystem umgesetzt. Als Obstgehölze hat er verschiedene Obstarten alter Sorten gepflanzt. Für die zukünftig sehr ausladenden Kronen der Hochstammbäume hat er Reihenabstände von über 20 m einberechnet. In der Reihe kombiniert er mittelstarke Unterlagen mit Sämlingen. In etwa 20 Jahren wird die Anlage in Vollertrag sein. Neben dem Erhalt der alten Obstsorten dient Vielfalt in der Sortenwahl bei Dominik auch der Risikostreuung im Pflanzenschutz, weil einige Sorten für bestimmte Schädlinge und Krankheiten weniger anfällig sind. Durch die weiten Pflanzbstände können auch Pilzkrankheiten besser vermieden werden. Dazwischen baut er neben Winterdinkel und Winterroggen auch Gemüse und Beeren an. Die Beregnung hat er an das System angepasst. Die Sektorensteuerung nutzt er zur gezielten Wurzelerziehung der Obstbäume. Neben der Konkurrenz um Licht stellt nämlich auch das Teilen von Nährstoffen und Wasser der kombinierten Kulturen in einem Agroforstsystem oft eine Herausforderung dar. „Die Marille ist eine trockenresistente Obstart. Sie wurde traditionell in Kombination mit Roggen im Raum Vinschgau angebaut. Es gab keinen Baumstreifen, das Getreide wurde bis dicht an den Stamm gesät. Der Roggen wurde vor der Abreife der Marille abgeerntet. Somit wurde die Konkurrenz um Wasser vermieden, da die Getreideernte vor der Zeit mit dem größten Wasserbedarf der Marille stattfand. Eine solche Doppelnutzung kam in Südtirol auch unter Weinpergln vor. Hier wurde vielerorts Getreide oder Gemüse unter den Pergln angebaut“ erzählt Dominik. Er weiß auch den Wert seiner Anlage für die Gestaltung eines attraktiveren Landschaftsbildes zu schätzen und freut sich darüber, wenn wieder einmal Passanten vor dem Grundstück stehenbleiben und den Anblick seines geschaffenen Agroforstsystems genießen.

Text: Maria Pichler, Beratung Gemüsebau bei Bioland Südtirol


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