Ein Leben über den Nutzen hinaus

Das dritte der sieben Bioland-Prinzipien nimmt die artgerechte Tierhaltung in den Fokus.

Seit 50 Jahren gibt es den Bioland-Verband nun und schon immer war eine hohe Lebensqualität von Tieren ein besonders wichtiger Aspekt in der Arbeit der Bioland-Landwirtinnen und -Landwirte. Das schlägt sich auch nieder im dritten Bioland-Prinzip „Tiere artgerecht halten“, das unter anderem besagt, dass Tiere nicht auf ihren Nutzen als Nahrungsmittel-Lieferanten reduziert werden dürfen. Bioland-Tiere haben daher mehr Zeit, sich zu entwickeln, bekommen höherwertiges Futter ohne Gentechnik und haben mehr Platz im Stall und auf der Weide.

Zum Bioland-Ökolandbau gehören Tiere dazu – sie liefern organischen Dünger für die Felder, grasen auf dem Weideland und sind ein wichtiger Bestandteil der Kreislaufwirtschaft. Bioland-Bäuerinnen und –Bauern wissen, wie wichtig die Tiere für den organisch-biologischen Landbau sind und legen daher besonders viel Wert auf artgerechte Haltung.

Viel Platz und Ruhe fürs Vieh

Wie Reimund Schneider, Viehwirt aus Atzelgift in Rheinland-Pfalz. Quer über Westerwälder Wiesen führt der Landwirt seine Tiere von Weide zu Weide. Er züchtet Limousin-Rinder, eine Rasse, die sich besonders gut zur Fleischproduktion eignet. In den meisten Fällen werden Mastbullen nach der Geburt von ihrer Mutter getrennt und verbringen anschließend ihr 24 Monate langes Leben im engen Stall, damit sie sich nicht das mühsam mit Kraftfutter angefressene Fett auf der Weide wieder ablaufen. Bei Bauer Reimund Schneider ist das anders: Seine Mutterkühe bringen Kälber zur Welt, die neun Monate bei ihnen bleiben dürfen. Erst dann wird nach Geschlechtern getrennt, um Auseinandersetzungen zu vermeiden – die weiblichen Rinder, die Färsen, kommen gemeinsam auf eine Weide, die jungen Bullen auf eine andere.

Erst in den letzten zwei bis drei Monaten vor der Schlachtung bezieht die Bullenherde einen großen Außenstall. 30 Bullen teilen sich 450 Quadratmeter – fünfmal so viel Platz wie üblich. „Bei uns haben alle Tiere viel Platz, können sich gut aus dem Weg gehen und sich bewegen. Das bringt eine unwahrscheinliche Ruhe rein“, so Schneider. Nach 24 Monaten, in denen die Tiere den Hof seit ihrer Geburt nie verlassen haben, bringt Bauer Schneider sie zum Bioschlachter, 40 Kilometer entfernt. Kein langer Transportweg bedeutet kein unnötiger Stress für die Tiere. So wirtschaftet Schneider in einem eng geschlossenen System mit Weidehaltung, das zwar teuer ist, aber an dem für ihn kein Weg vorbeiführt: „Man kann das hier nicht machen, wenn man viel Geld verdienen will. Die Tiere haben nur das eine Leben, und das sollte so angenehm wie möglich sein.“

Himmel oder Stroh: Wahlfreiheit für Schweine

Das gilt auch für die Schweine von Raimund Bäumer aus dem nordrhein-westfälischen Tecklenburg. Bis zur Schlachtung leben sie in Gruppen zu 25 Tieren in modernen Außenställen, wo sie das gesamte Jahr über Zugang zum Auslauf und damit zu frischer Luft unter freiem Himmel haben. Zum Abferkeln oder Schlafen können sie sich jederzeit in ihre Strohkiste im hinteren Stallbereich zurückziehen – das Stroh dort wird zweimal pro Woche frisch eingestreut.

Auf dem Speiseplan stehen neben eiweißstarkem Getreide und Molke auch Ackerbohnen und Erbsen oder Altbrot vom befreundeten Bio-Bäcker. „Das Schwein ist ein guter Resteverwerter. Der Speiseplan ist bunt“, erzählt Bäumer. „Bei uns hat auch jedes Schwein einen eigenen Fressplatz, so können alle gemeinsam fressen ohne Streit und Gedränge.“ Der Landwirt erfreut sich an der Ausgelassenheit seiner Schweine und sieht auch große Vorteile dieser Haltungsart für seine eigenen Arbeitsbedingungen: „Bio macht auch für uns mehr Spaß. Das ist ein ganz anderes Arbeiten. Wir sind immer an der frischen Luft statt im stickigen Stall, in dem es heiß ist und nach Ammoniak riecht.“

Aufzucht von Bruderhähnen und Tierwohl für Bienen

Zum Ei gehören immer zwei Tiere. Das weiß auch Hühnerhalter Johannes Erkens vom Kudammhof im niedersächsischen Adelheidsdorf. Deshalb werden auf seinem Hof bereits seit 2012 die Bruderhähne mit aufgezogen. Dabei setzt der Hühnerhalter auf eine Rasse, die sich gut zur Eierproduktion eignet, aber auch Fleisch ansetzt. „Eier sind unser Hauptprodukt. Da können wir keine Abstriche machen. Dafür sind dann eben die Bruderhähne etwas magerer als bei typischen Fleischrassen“, erklärt er. Diese Haltung ist nicht billig, Bauer Erkens musste den Eierpreis erhöhen, um die Bruderhahnhaltung mitzufinanzieren. Doch die Verbraucher*innen scheinen das gerne in Kauf zu nehmen. „Wir haben nicht eine einzige Beschwerde bekommen“, berichtet er.

Nicht nur bei Wirbeltieren achten Bioland-Erzeugerinnen und -Erzeuger auf einen möglichst hohen Tierwohlstandard: Kürzlich hat der Verband einen Imker-Leitfaden eingeführt, der auch den Bienen eine möglichst hohe Lebensqualität garantiert. Wie bei den anderen Tierwohlkontrollen auch, überprüfen die von Bioland zugelassenen Öko-Kontrollstellen die Einhaltung der neuen Vorgaben. „Mit den Kontrollpunkten haben wir jetzt erstmals einen klaren und kontrollierbaren Handlungsrahmen geschaffen. Besonders wichtig war uns dabei, den Imkern Freiheit zum Erreichen der Ziele zu geben, indem man nicht das Wie, sondern das gewünschte Ergebnis definiert und kontrolliert“, erklärt Albrecht Pausch, Imker und als Sprecher des Bundesfachausschusses Imkerei bei Bioland mit verantwortlich bei der Entwicklung des Leitfadens.


Die sieben Bioland-Prinzipien

Bioland will die Menschheit langfristig ernähren – und dabei die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten. Auf den sieben Bioland-Prinzipien basieren die Richtlinien für Anbau, Tierhaltung und Verarbeitung, nach denen alle Mitglieder und Partner arbeiten.

  1. Bioland-Prinzip: Im Kreislauf wirtschaften
  2. Bioland-Prinzip: Bodenfruchtbarkeit fördern
  3. Bioland-Prinzip: Tiere artgerecht halten
  4. Bioland-Prinzip: Wertvolle Lebensmittel erzeugen
  5. Bioland-Prinzip: Biologische Vielfalt fördern
  6. Bioland-Prinzip: Natürliche Lebensgrundlagen bewahren
  7. Bioland-Prinzip: Menschen eine lebenswerte Zukunft sichern

In einer Serie von Pressemitteilungen im Jubiläumsjahr stellt Bioland monatlich von Mai bis November anhand von vielen Beispielen aus der Praxis seine sieben Prinzipien vor.
 



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