Rat ignoriert zentrale Fragen bei Deregulierung der Gentechnik
Heute hat der AStV über den Vorschlag der polnischen Ratspräsidentschaft zur Reform des EU-Gentechnikrechts abgestimmt. Polen gelang es, die erwünschte Mehrheit zu erzielen. Bei der Abstimmung handelt es sich zwar noch nicht um die finale Ratsposition, sie gilt aber als zuverlässiger Gradmesser für das Abstimmungsverhalten der Agrarminister.
Dazu ein Kommentar von Carolin Pagel, Gentechnik-Expertin bei Bioland:
“Die heutige Abstimmung des AStV ist mehr als ernüchternd, denn der Vorschlag der polnischen Ratspräsidentschaft lässt essenzielle Fragen unbeantwortet. Diesen Entwurf jetzt im Eilverfahren noch während der Ratspräsidentschaft durchzudrücken wäre grob fahrlässig. Ohne Nachbesserungen wird die Deregulierung der neuen Gentechnik die europäische Landwirtschaft langfristig destabilisieren – zum Nachteil aller.
Daher appellieren wir an Rat und Parlament, den noch offenen Fragen nachzugehen. Wie erhalten wir das Züchterprivileg? Wie soll eine faire Koexistenz zwischen konventionellen, gentechnikfreien und Bio-Betrieben gewährleistet werden? Was passiert im Falle von möglichen Verunreinigungen und wer haftet dafür? Wie bleibt die Kennzeichnung für Verbraucher*innen und damit selbstbestimmte Ernährung sichergestellt?
Auch wenn die heutige Abstimmung ein Dämpfer war, werden wir uns auch weiterhin auf allen Ebenen für eine praktikable Lösung für alle Betroffenen einsetzen.”
Carolin Pagel zu den konkreten Forderungen von Bioland
“Bio- und gentechnikfrei wirtschaftende Betriebe dürfen nicht die Leidtragenden einer unklaren Regulierung werden. Eine umfassende Risikoprüfung ist unerlässlich, auch um sicherzustellen, dass keine unbeabsichtigte Kontamination stattfindet. Für den Fall der Fälle braucht es klare Regeln, dass nicht die Betroffenen, sondern die Inverkehrbringer gentechnisch veränderter Pflanzen für etwaige Verunreinigungen haften.
Ohne ausreichende Kennzeichnungspflicht stellt dieser Gesetzesvorschlag des EU-Rates auch Transparenz und Wahlfreiheit in Frage. Es braucht eine lückenlose Kennzeichnung – nicht nur auf Saatgutebene, sondern bis hin zum Endprodukt. Das entspräche den Erwartungen der Verbraucherinnen und sichert faire Marktbedingungen sowie Wettbewerbsfähigkeit.
Besonders besorgniserregend ist die ungelöste Patentfrage. Gentechnische Verfahren wie die Genschere dürfen nicht dazu genutzt werden, um sich Patente auf Pflanzen und Saatgut zu sichern und damit die Züchtung in die Hände weniger Konzerne zu legen. Mit dem vorliegenden Vorschlag wird das Züchterprivileg, also der freie Zugang zu genetischen Ressourcen für die Züchtung, weiter untergraben. Rechtliche Schlupflöcher ermöglichen es zudem, mit “Scheinerfindungen” das Patentverbot auf konventionell gezüchtete Pflanzen zu umgehen. Vorschläge, wie diese schwerwiegenden Lücken geschlossen werden können, liegen auf dem Tisch.
Neben der EU-Ebene ist auch Deutschland in der Verantwortung, zur Lösung all dieser Punkte beizutragen. Die nächste Bundesregierung muss sich dem Thema annehmen. Allen voran SPD und CSU müssen zu ihrem Wort stehen und sich in den Koalitionsverhandlungen klar dafür einsetzen, dass Antworten auf drängende Fragen wie Koexistenz, Kennzeichnung, Haftung und Patente rechtssicher im Gesetz verankert werden.”
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