Neue Vorgaben für Weidegang von Bio-Wiederkäuern

15.01.2025

 

Von Hannes Michael

Zum 01.01.2025 sind angepasste Vorgaben zum Weidegang von Rindern, Schafen und Ziegen, in Form eines sogenannten „Weidepapiers“ in Kraft getreten. Sie konkretisieren die Anforderungen für den Weidegang sowohl für Betriebe, die ausschließlich die EU-Öko-Verordnung erfüllen, als auch für Verbandsbetriebe. Diese Konkretisierung ist eine Reaktion darauf, dass v.a. in Süddeutschland Weidegang kein verpflichtender Bestandteil der Haltung von Bio-Rindern war. Dort wurde teilweise eine Laufstallhaltung nur mit Laufhof akzeptiert. Ähnlich war aber auch in NRW die Haltung von Jungvieh in Laufställen mit Laufhöfen und ohne Weidegang geduldet. Dieser Interpretation der EU-Öko-Verordnung hat die EU-Kommission widersprochen und als Reaktion darauf wurde durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Bundesländer die Regeln für den Weidegang in Form des Weidepapiers klargestellt. Die Umsetzung der angepassten Vorgaben beginnt sofort. In vielen Details sind noch Fragen offen, die im weiteren Verlauf gemeinsam mit Kontrollstellen und Ministerium geklärt werden müssen.

Die grundsätzlichen Änderungen zum bisherigen Umgang mit der Weide werden im Folgenden dargestellt:

  1. Eine Haltung von Kühen, Trockenstehern oder Jungvieh in Ställen mit ganzjährig zugänglichem Laufhof ohne Weidegang ist nicht mehr möglich. Das Weidepapier sieht vor, dass bei Laufställen mit Laufhof die Tiergruppe in der Vegetationspreriode mindestens täglichen Zugang zu einer Bewegungsweide haben muss, die unter normalen Witterungsbedingungen über die gesamte Weideperiode beweidbar ist. Diese Weide kann in Einzelfällen auch von zwei verschiedenen Tiergruppen im Wechsel beweidet werden.
  2. Für Laufställe ohne Laufhof gilt, dass die Tiere während der Weideperiode mindestens halbtäglichen Zugang zu Weideland haben müssen, welches auch der Fütterung dient (soweit es jahreszeitliche Bedingungen, Bodenzustand und Erhalt der Grasnarbe erlauben).
  3. Ausgenommen von der Weideverpflichtung sind einzig Kälber während der Tränkephase + weitere 4 Wochen zur Übergangsfütterung, sowie männliche Rinder über 12 Monaten. Letztere müssen dann aber ganzjährig permanenten Zugang zu einem Laufhof haben, wenn keine Weide gewährt wird.
  4. Laufhöfe im Sinn des Weidepapiers müssen den Größenanforderungen der EU-Öko-Verordnung genügen und dürfen zu maximal 50 Prozent überdacht sein.

Die bisherigen Ausnahmen vom Weidegang (Behandlung durch Tierarzt, trächtige Tiere rund um den Geburtstermin, Besamung, Witterungsbedingungen, andere veterinärmedizinische Gründe) bleiben erhalten (Pflicht zur Dokumentation).

Für die rinderhaltenden Betriebe in NRW ergeben sich daraus in den meisten Fällen folgende Konsequenzen:

  • Milchkühe können voraussichtlich weiterhin ohne Laufhöfe gehalten werden, wenn die Tiere wie bisher mindestens zwischen den Melkzeiten auf die Weide gehen oder permanent freien Zugang zur Weide haben. Dabei sollte auch die Möglichkeit zur Futteraufnahme auf der Weide bestehen.
  • Kälber können nach der Tränkephase noch 4 Wochen im Stall gehalten werden. Danach müssen sie in der Vegetationsperiode auf die Weide –  praktisch also ab dem Ende des 4. Lebensmonats (Kälber : 90 Tage Mindesttränkedauer + 28 Tage Übergangsfütterung = 118 Tage, Lämmer/Kitze 45 Tage + 28 Tage = 73 Tage). Die Tränkedauer kann aber entsprechend den Erfordernissen auf dem Betrieb verlängert werden. Damit ist zumindest auf den meisten Milchviehbetrieben keine Haltung von Kälbern ab ca. 5 Monaten ohne Weide mehr möglich.

Für die meisten Milchviehbetriebe in NRW wird letztgenannter Punkt die meisten Schwierigkeiten bedeuten. So es die betrieblichen Gegebenheiten erlauben, kann z.B. eine Grünfläche, die an die Jungviehställe angrenzt, zum Weidegang genutzt werden. Hierfür gibt es keine weiteren Vorgaben, außer, dass diese bei normalen Witterungsbedingungen im Regelfall für die gesamte Weideperiode zur Verfügung stehen muss. Da das Weidepapier für die Jungviehweide keine weiteren Vorgaben macht, können voraussichtlich alle denkbaren betrieblichen Möglichkeiten genutzt werden, einschließlich einem Wechsel von zwei Tiergruppen auf einer Weidefläche über den Tag. Nur muss die Grasnarbe dabei intakt bleiben. Andernfalls wird es notwendig sein einen Witterungsschutz und eine Möglichkeit zur Zufütterung auf einer hofnahen Weidefläche einzurichten, da sonst, v.a. in den Mittelgebirgslagen, eine tiergerechte Entwicklung der Kälber nicht gewährleistet werden kann.

Für alle Betriebe, welche noch nicht für alle genannten Tiergruppen Weide anbieten können, gilt: Es ist ein Weidekonzept zu erstellen (Formfreiheit), in dem plausibel dargestellt wird, welche Tiergruppen (Anzahl) bereits vollumfänglich weiden (d.h. die ganze Weidesaison, mit unbeschränktem Weidezugang, bei Kühen mind. Halbtagsweide), welche Tiergruppen noch nicht ausreichend weiden und wie man diesen Tieren spätestens ab 2026 Weidezugang verschaffen will.

Weiterhin sind Aufzeichnungen über den Weidegang aller Tiergruppen zu führen (Formfreiheit). Dies gilt nicht, wenn alle Tiere in der Vegetationszeit uneingeschränkten Weidegang genießen, wie das z.B. in der Mutterkuhhaltung der Fall ist.

Da man das neue Weidepapier nicht als Änderung der EU-Öko-Verordnung, sondern als korrekte Umsetzung einer bestehenden Verordnung interpretiert, müssen die Regeln aus dem neuen Weidepapier ab sofort eingehalten werden. Sind kurzfristige Anpassungen nicht möglich, muss durch ein Weidekonzept, wie oben erläutert, plausibel darlegt werden, wie der Weidegang für alle relevanten Tiergruppen spätestens ab 2026 erreicht wird.

Uns ist klar, dass die Vorgaben die Milchviehhaltung in NRW zusätzlich zu den bereits bestehenden Schwierigkeiten vor neue Herausforderungen stellt. Von Seiten der Bioland-Beratung wollen wir daher so gut es geht unterstützen, gute Lösungen für den Weidegang zu finden und falls notwendig ein plausibles Weidekonzept zu erstellen. Bitte kontaktiert dazu euren Berater.