
Die pestizidfreie Zone
Die Südtiroler Gemeinde Mals traut sich was: Seit April dürfen dort keine Pestizide mehr verwendet werden. Weder auf dem Feld noch auf dem Balkon. Das passt nicht jedem. Von Magdalena Fröhlich"Nein, ein Verbot kannst du nicht machen. Damit kommen wir vor Gericht nicht durch." Das hat Bürgermeister Ulrich Veith immer wieder gehört. Von Anwälten, Bauern und seinen Mitstreitern. Also musste etwas anderes her: eine Durchführungsverordnung. Das ist de facto ein Verbot, auch wenn es nicht so heißt. Im April hat der Malser Gemeinderat beschlossen: Niemand darf auf dem Gebiet der kleinen Südtiroler Gemeinde chemisch-synthetische Pestizide anwenden. Das gilt für erwerbsmäßige Obstbauplantagen genauso wie für private Vorgärten. Nur steht im Beschluss eben nicht drin "Pestizide verboten", sondern allerlei andere Regeln, um die Gemeinde trotzdem pestizidfrei zu machen.
Eine Parzelle ist also oft noch nicht einmal einen ganzen Hektar groß, will man dann noch den Abstand einhalten, kann man die Pestizidspritze gar nicht erst ausfahren. "Das gilt dann natürlich auch für Privatleute - da ist der Nachbar ja auch gleich nebendran", erklärt Veith.
Aber einfach von heute auf morgen alles ganz anders zu machen, kann man das den Landwirten vorschreiben? "Für Landwirte, die momentan noch spritzen, gibt es eine Übergangsfrist von zwei Jahren", erklärt der Bürgermeister. "Wer aber eine Neuanlage plant, darf gar nicht erst zur Chemiekeule greifen."
Der Wind verteilt das Gift
Was auch noch im Beschluss der 5000-Einwohner-Gemeinde steht: Bio soll mehr gefördert werden. Alle fünf Malser Kindergärten bekommen zwar schon seit über einem Jahr nur Bio-Essen, das soll jetzt aber auch für die Schulkinder gelten. Den Mehrpreis übernimmt die Gemeinde. "Da muss man eben priorisieren und schauen, welche Projekte einem wichtiger sind", sagt der Bürgermeister, wenn man ihn fragt, wie man das aus dem Gemeindesäckel denn stemmen soll.
Das hat fatale Folgen: Biolandwirtschaft ist praktisch nicht möglich, weil es immer Pestizidverwehungen gibt. Selbst wenn die Gifte "nur" auf einer Wiese landen, hat ein Bio-Milchbauer ein Problem - er kann seinen Tieren ja kein Gras füttern, das pestizidbelastet ist. Bio-Acker- und Obstbauer sind davon genauso betroffen: Die Spritzmittel machen nicht an der Grundstücksgrenze Halt. Im Vinschgau ist das besonders schlimm. Hier weht ein ständiger Wind, der sogar die Bäume schief wachsen lässt.
"Von der Pestizidabdrift ist nicht nur die Landwirtschaft betroffen, sondern alle Bürger", erklärt Veith. "Für den Tourismus ist es nicht gerade förderlich, wenn zwischen den Apfelbäumen kaum noch Blumen wachsen. Und die Pestizide belasten die Gesundheit aller Malser Bürger."
Nach der Volksabstimmung vor zwei Jahren bekamen Veith und seine Mitstreiter immer wieder persönliche Beleidigungen zu hören. Er überschreite seine Kompetenzen, hieß es. In Südtirol ist es aber so, dass eine Gemeinde auch für den gesundheitlichen Schutz der Bürger zuständig ist. Eine Pestizidwolke über dem Pausenhof könne man deshalb nicht dulden - und müsse daher etwas unternehmen, begründet das der Bürgermeister.
Aber ob Veith nicht Angst habe, dass Unsummen an Schadenersatzleistungen auf die Gemeinde zukämen, sollte doch eine Klage Bestand haben? "Erstens glaube ich nicht, dass das kommt. Und zweitens muss man eben auch mal etwas riskieren, wenn man etwas voranbringen will."
Auf bioland.de:
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