
Ein Hof für 180 Hobby-Bauern
Was auf dem Bio-Hof von Markus Schmutz passiert, entscheiden über 100 Leute mit. Über die Entscheidung Brokkoli oder Blumenkohl wird abgestimmt. Das ist zwar aufwändig, dafür ist der Bauer nicht länger von Marktpreisen abhängig. Von Magdalena Fröhlich
Gerhard Albrecht ist eines von rund 138 Mitgliedern der Solidarischen Landwirtschaft Rhein-Neckar. Solidarische Landwirtschaft, kurz "Solawi", das bedeutet dem Bauer in die Buchführung, in den Stall und auf den Acker zu schauen. Markus Schmutz, der Bauer, stellt zusammen mit einigen aus der Gemeinschaft den Haushaltsplan auf. Wenn er eine neue Maschine braucht, dann muss die Planung angepasst werden. Sollte also einmal etwas unerwartet kaputtgehen, dann liegt der Mitgliedspreis im nächsten Jahr etwas höher - auch das heißt Solidarität. Bisher zahlen 138 Leute je 100 Euro im Monat. Den Rest des Einkommens muss Markus Schmutz über bisherige Vermarktungwege sicherstellen wie den Hofladen und den Verkauf der Milch an eine Molkerei. 180 Mitglieder wären nötig, damit die Erträge komplett an die Gemeinschaft gingen.
Stadt trifft Land
Nur ein paar Schritte weiter zeigt Ursula Leuthe gerade das Ergebnis ihrer Feldarbeit: frische Unkräuter. Ihre Art des Jätens sieht so aus: "Gleich auf dem Feld aufessen", sagt sie und lacht. "Den Rest nehme ich mit nach Hause." Dort macht sie aus ihren Hof-Mitbringseln Smoothies oder andere Gerichte. Heute hat sie einen Getreidesnack mitgebracht: Dinkel mit Brennnesseln und Girsch im Glas. "Lecker!" Michael Steinfatt ist begeistert. Um die beiden herum stehen stapelweise Kisten mit bunten Zetteln daran: Altstadt, Weststadt, Rohrbach stehen beispielsweise darauf, die Namen der Depots, wo sich die Mitglieder ihre Ration abholen können. "Damit Gerhard weiß, was er wo hin liefern muss", erklärt Michael Steinfatt, oder einfach nur "Michael", man duzt sich.
Die Mitglieder hatten sich gleich daran gemacht und überprüft, was man zur Käseherstellung braucht und wie viel das kostet. Selbst Finanzierungspläne seien schon diskutiert worden. "Hier werden die Investitionskosten auch für die Abwasserreinigung und der Arbeitsaufwand für die Käseherstellung massiv unterschätzt ", meint dagegen Schmutz und ergänzt: "Die Abwässer kann ich wegen zu vieler Nährstoffe nicht einfach in die Güllegrube leiten. So etwas weiß man in der Stadt nicht. Andererseits - woher sollen es die Leute auch wissen? Es ist ja gut, wenn man sich damit beschäftigt."
Künnenmann fasziniert vor allem das gegenseitige Vertrauen. Statt in einem schriftlichen Vertrag ist alles per Handschlag geregelt, lediglich eine Selbstverpflichtung wird unterschrieben. Dabei hat jeder, egal, ob Mitglied oder Bauer, das Recht, wieder auszusteigen. "Wenn jemand nicht bezahlt, brauchen wir keinen Anwalt - es würde einfach auffallen, wenn sich jemand nur bedient. Sollte es doch so weit kommen, dann bekommt er auch keine Lebensmittel mehr aus den Depots", so Künnenmann.
Aus Kuhstall wird Packstation
Er hat sich trotzdem darauf eingelassen - trotz mehr Arbeit und trotz neuer Geräte, die er erst einmal für seinen neuen Gemüseacker anschaffen musste. Einen Kredit musste er dafür nicht aufnehmen, neue Investitionen trägt die Gemeinschaft zusammen, als Mitgliedsbeitrag und zum Teil auch als zinslose Darlehen. Der Hof investierte in neue Maschinen und ein Kühlhaus, wo die Mairübchen, Kartoffel, Schalotten, Salat, Blumenkohl und all das andere Gemüse gelagert werden. Der alte Kuhstall wurde entkernt und in eine Packstation umgewandelt.
Solidarische Landwirtschaft
Das Konzept entstand in den sechziger Jahren in den USA als Antwort auf die Industrialisierung der Landwirtschaft und dem Wunsch nach pestizidfreien, gesunden Lebensmittel. Das heißt jedoch nicht immer, dass der Hof auch bio-zertifiziert ist.
In den USA gibt es rund 13.000 Höfe, die nach diesem Konzept der "Community supported agriculture (CSA)" wirtschaften.
Auch in Japan werden rund ein Viertel aller Haushalte von "Teikei", der japanischen Bezeichnung für solidarische Landwirtschaft versorgt. "Teikei" bedeutet im Deutschen so viel wie "Essen mit dem Gesicht des Bauern darauf".
In Deutschland gibt es rund 100 Höfe. Zum Teil sind diese noch in der Gründungsphase.
Das Prinzip ist meist das gleiche: Statt im Supermarkt beziehen die Kunden ihre Lebensmittel direkt vom Bauern. Egal wie die Ernte ausfällt, zahlen sie regelmäßig einen festen Betrag an den Hof. So trägt der Bauer nicht das gesamte Risiko für Ernteausfälle und Marktpreis-Schwankungen. Die Verbraucher bekommen im Gegenzug einen Einblick in den Hof und wissen, wie ihre Lebensmittel angebaut werden.
Auf bioland.de:
Interview über Bürgeraktiengesellschaft: "Wir investieren in die Region"
Food-Coop: Der Anti-Supermarkt
Im Netz:
Solidarische Landwirtschaft Rhein-Neckar: www.solawi-rhein-neckar.org
Umfangreiches Infoportal zur Solidarischen Landwirtschaft: www.makecsa.org
Netzwerk Solidarische Landwirtschaft: Infos für Bauern, Verbraucher und viele Adressen: www.solidarische-landwirtschaft.org
Film über Garten-Kooperative in Freiburg: "Die Strategie der krummen Gurken": www.gartencoop.org
Infos zu Teikei in Japan (auf englisch) www.joaa.net/english/index-eng.htm