Zwei Jahre lang haben die Forscher:innen die Pestizidbelastung an mehr als 100 Messstellen untersucht. (Foto: André Künzelmann/UFZ)

Zu viele Pestizide in Gewässern

An mehr als 100 Messstellen haben Wissenschaftler zwei Jahre lang Kleingewässer in Agrarlandschaften untersucht. Ihre Ergebnisse sind alarmierend.

Um empfindliche Lebewesen in Gewässern zu schützen, sind die Grenzwerte für die Pestizidbelastung zu hoch angesetzt. Zudem werden diese Grenzwerte in mehr als 80 Prozent der Fälle überschritten. So die Ergebnisse aus einem budnesweiten Monitoringprogramm unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). „Für empfindliche Insektenarten ist die Pestizidkonzentration in den kleinen Tieflandgewässern der wesentliche Faktor, der ihr Überleben bestimmt. Andere Umweltprobleme wie Gewässerausbau, Sauerstoffmangel oder zu hoher Nährstoffgehalt spielen dagegen eine geringere Rolle“, sagt Prof. Matthias Liess, Ökotoxikologe am UFZ und Koordinator des Projekts Kleingewässermonitoring.

Grenzwerte oft überschritten
Die Forscher stellten erhebliche Überschreitungen des RAK-Werts fest – das ist die im behördlichen Zulassungsverfahren eines Pflanzenschutzmittels festgelegte Konzentration eines Wirkstoffs, die im Gewässer nicht überschritten werden darf, um negative Auswirkungen auf Gewässerorganismen zu verhindern. Diese RAK-Werte wurden in 81 Prozent der Gewässer überschritten. In 18 Prozent der Bäche wurden sogar für mehr als zehn Pestizide derartige Überschreitungen nachgewiesen. Zum Beispiel überschritt Thiacloprid, ein Insektizid aus der Klasse der Neonicotinoide, den RAK-Wert in drei Gewässern um mehr als das 100fache. Andere Insektizide wie Clothianidin, Methiocarb und Fipronil, aber auch Herbizide wie Terbuthylazin, Nicosulfuron und Lenacil toppten den RAK-Wert um den Faktor 10 bis 100 in 27 Gewässern.

Schädlichkeit systematisch unterschätzt
Die Forscher:innen konnten nachweisen, dass Pestizide auf Lebensgemeinschaften im Wasser bereits in viel niedrigeren Konzentrationen wirken als bisher in der Pestizid-Zulassung angenommen. In der derzeitigen Zulassungspraxis von Pflanzenschutzmitteln wird die hohe Empfindlichkeit der Arten im Ökosystem unterschätzt. Denn bislang wird das ökologische Risiko von Pestiziden im Freiland auf Basis von Laborstudien, künstlichen Ökosystemen und Simulationsmodellen vorhergesagt. Die Ergebnisse aus dem Labor spiegeln aber laut Matthias Liess nicht die Realität wider: „Im Ökosystem wirken neben Pestiziden noch zahlreiche weitere Stressoren auf die Organismen, sodass diese auf Pestizide deutlich empfindlicher reagieren. Natürliche Stressoren wie der Räuberdruck oder die Konkurrenz der Arten werden im Zulassungsverfahren nicht ausreichend berücksichtigt. Diese offensichtlichen Probleme fallen aber nicht auf, da sowohl die Menge des Pestizideintrags als auch ihre Wirkung weder in Deutschland noch in anderen Staaten in der Umwelt validiert werden“, sagt er.

Die vom Umweltbundesamt (UBA) beauftragte Pilotstudie „Kleingewässermonitoring“ (KgM) wurde federführend vom UFZ-Department System-Ökotoxikologie durchgeführt und vom UFZ und dem UBA finanziert. Beteiligt haben sich daran elf UFZ-Departments, die Universität Koblenz-Landau, die Universität Duisburg-Essen, die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel das UBA sowie die 12 Umweltbehörden der beteiligten Bundesländer.

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