Spezielle Mähtechnik ist für die Erntearbeiten auf Moorflächen notwendig, Landtechniker arbeiten an der Entwicklung. (Foto: LfL)

Wirtschaften auf nassen Mooren

Forscher:innen entwickeln Perspektiven für eine zukunftsfähige und klimaschonende Nutzung vernässter Flächen.

Den Klimaschutz betrachtet die Bundesregierung jetzt als zentrale Aufgabe. Die bisherige landwirtschaftliche Bewirtschaftung von Moorflächen stellt Bundesumweltministerin Steffi Lemke darum infrage. Mit der Wiedervernässung ließen sich schnell enorme CO2-Einsparungen erreichen, um internationale Klimaschutzverträge zu erfüllen.

Den Landwirt:innen auf Moorstandorten will die Ministerin eine Perspektive geben. Darum sind vier Forschungsprojekte in Moorregionen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Bayern angestoßen worden. Damit repräsentieren die Vorhaben die wichtigen großen Moorregionen in Deutschland und berücksichtigen die Besonderheiten der jeweiligen Moortypen und Regionen. In den nächsten zehn Jahren erhalten die Projekte insgesamt 48 Mio. Euro.

KlimaFarm in Schleswig-Holstein
Eine ökonomisch und ökologisch tragfähige Bewirtschaftung der Flächen soll auf wiedervernässten Flächen gelingen. Dafür entsteht im Projekt KlimaFarm in Erfde, im moorigen Herzen Schleswig-Hosteins, ein Modellbetrieb für die Nassgrünlandbewirtschaftung. Auf trockengelegten, landwirtschaftlich genutzten Moorflächen wird der natürliche Wasserstand wiederhergestellt, darauf artenreiches Grünland etabliert.
Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) werden die Treibhausgasemissionen und die Biodiversität bei unterschiedlichen Wasserständen untersuchen. Durch die enge wissenschaftliche Begleitung der Wiedervernässung und Nassbewirtschaftung der Flächen auf der KlimaFarm entsteht eine breite Datengrundlage zur Treibhausgas-Emission aus Moorböden, die für die Klimaschutzziele moorreicher Länder weltweit relevant sind. Aus den Daten soll mit Hilfe künstlicher Intelligenz die Vorhersage zukünftiger Treibhausgaseinsparungen auf Moorflächen möglich werden. Landwirtschaftlicher Projektpartner ist die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein.

BluMo in Brandenburg
Das Leibniz-Insitut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam-Bornim arbeitet im Projekt „Brandenburgs Luchgebiete klimaschonend bewahren - Initiierung einer moorerhaltenden Stauhaltung und Bewirtschaftung (BluMo)“. Ziel sind Lösungen für regionale Wertschöpfungsketten für die Paludikulturen. Auf 750 ha Demonstrationsflächen werden Pflanzenbestände errichtet, die bislang keine wirtschaftliche Rolle spielen, wie Seggen, Schilf und Rohrkolben. Die stoffliche Nutzung der Fasern für Papierprodukte oder Torfersatzstoffe stehen im Vordergrund.
„Unser Ziel ist es, Verfahren zur Herstellung von Fasern aus Paludikultur-Biomasse für Torfersatz, Einstreupellets oder Plattenwerkstoffe zu entwickeln. Dabei setzen wir unter anderem auf unsere umfangreichen Erfahrungen bei der Verarbeitung verschiedener Pflanzenfasern wie Hanf oder Nessel“, erklärt ATB-Forscher Dr. Ralf Pecenka. „Wir haben bereits vielversprechende Versuchsergebnisse mit Produktmustern aus Paludikultur-Biomasse erzielt - und wir haben Ideen, wie regionale Wertschöpfungsketten z. B. im Bereich von Fasern für Papierprodukte oder Dämmstoffe künftig aussehen könnten.“
Das ATB wird seine Erfahrung im Bereich der Technik- und Verfahrensentwicklung einbringen und etablierte Verfahren anpassen. Auch haben die Forscher vor, neue Lösungen zu entwickeln für die besonderen rohstoffspezifischen Anforderungen von Paludikultur-Pflanzen.

Paludi-Vorhaben in Mecklenburg-Vorpommern
Die Forschungsfläche im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte umfasst rund 275 ha und ist Bestandteil des Durchströmungsmoores des Großen Landgrabentals. Die Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH und die Universität Greifswald erproben in dem Verbundvorhaben die nasse Bewirtschaftung von der Einrichtung der Flächen über die Ernte bis zur innovativen Verwertung der Biomasse, etwa als Bau- und Dämmstoff oder Verpackungsmaterial. Die wissenschaftliche Begleitung des Vorhabens soll dazu beitragen, bisher offene Fragen des Pflanzenbaus, des Flächenmanagements sowie der Verwertung zu beantworten.

MoLaKlim in Bayern
Das Projekt „MoorLandwirtschaft für Klimaschutz Allgäu“ wird vom Landkreis Ostallgäu koordiniert. Herausforderung ist in Bayern die große Zahl der Ansprechpartner. Die potenziellen Gebiete im Landkreis Ostallgäu umfassen rund 2.500 ha Moor- und Anmoorböden die von rund 1.600 Eigentümern bewirtschaftet werden. Erste Betriebe haben sich schon bereit erklärt, auf ihren Flächen Versuche durchzuführen. Die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) begleitet die Betriebe intensiv. Die LfL erfasst und bewertet die arbeitswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen und sozioökonomischen Konsequenzen für die einzelnen Landwirte. Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) ist zur Messung der Treibhausgase und Bianzierung im Projekt dabei.

Projektträgerin ist die Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH.

 

Moorbauern brauchen Alternativen

Mehr als 90 Prozent der Moorböden in Deutschland und Schleswig-Holstein wurden in den vergangenen Jahrhunderten entwässert, um sie vor allem landwirtschaftlich zu nutzen. Doch die Landwirtschaft auf trockengelegten Moorböden trägt erheblich zum Klimawandel bei und steht heute vor großen Herausforderungen.

Entwässerte Moore geben laufend klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre ab, allein in Deutschland über 53 Millionen Tonnen jedes Jahr. Das sind sieben Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Erhöht man den Wasserstand wieder, wird ein Großteil dieser Emissionen gestoppt, nach einiger Zeit können vernässte und renaturierte Moore sogar wieder aktiv CO2 aus der Atmosphäre speichern.

Auf den bis dahin landwirtschaftlich genutzten Flächen werden andere Pflanzenarten wie Schilf, Seggen, Rohrglanzgras oder Gehölze wie die Schwarzerle dominieren. Für eine Umstellung auf eine moorschonende und moorerhaltende Bewirtschaftung durch Paludikultur, also eine landwirtschaftliche Produktion durch Anbau von Kulturen auf wiedervernässten organischen Böden, sind praktikable und rentable Beispiele rar.
Bereits im Herbst 2021 war das Greifswald Moor Centrum mit einem Paludi-Tiny House auf Tour, in dem Kulturen von nassen Mooren, wie Schilf und Rohrkolben, verarbeitet waren.  
 

 

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