Weidende Jersey-Kühe auf dem Lindhof: Für Energie- und proteinreiches Futter sorgen die Ansaatmischungen mit Gräsern, Kleearten und Kräutern und die sehr hohe Beweidungsintensität (8-10 Umtriebe pro Jahr). (Foto: Dr. Ralf Loges, Uni Kiel)

Weidemilch ist gut fürs Klima

Forscher der Universität Kiel plädieren für ein integriertes Marktfrucht-Futterbau-System

Der ökologisch bewirtschaftete Lindhof, das Versuchsgut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), erzeugt seine Milch besonders umwelt- und klimafreundlich. Ein wichtiger Grund dafür ist auch, dass der Ackerbaubetrieb des Lindhofs den Stickstoff effizient verwertet. Das haben jetzt Untersuchungen der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät gezeigt. Die Forschenden haben vier Betriebe im östlichen Hügelland von Schleswig-Holstein über zwei Jahre hinweg intensiv wissenschaftlich begleitet.
Im Rahmen des EU-Projektes „Ressourceneffizienz und Managementoptimierungen in der Milchproduktion“ wurden vier unterschiedliche und zugleich charakteristische Betriebe verglichen:

  • (A) Ein intensiv wirtschaftender Stallhaltungsbetrieb, der sich landesweit durch eine sehr hohe Herdenleistung von ca. 11.000 Liter Milch je Kuh und Jahr und gute Tiergesundheit auszeichnet;
  • (B) ein Betrieb, der die derzeitig durchschnittlichen Produktionsleistungen in Schleswig-Holstein abbildet (ca. 9.000 Liter Milch pro Kuh/Jahr);
  • (C) ein Grünland-Weidebetrieb mit minimalem Mineraldünger- und Konzentratfutterzukauf, einer hohen Milchleistung aus Weidefutter, aber aufgrund des marginalen Konzentratfuttereinsatzes niedrigen Einzeltierleistungen von rund 6.000 Liter Milch pro Kuh/Jahr (‚Modell Irland‘); 
  • (D) ein Weidebetrieb (Lindhof), wie C ohne Mineraldüngereinsatz, aber mit moderatem Konzentratfuttereinsatz (800 Kilogramm/Kuh/Jahr), einer an Weide angepassten Tierrasse (Jersey) und die Weideflächen integriert in einen Ackerbau-Marktfruchtbetrieb: angesäte artenreiche Klee-Kräuter-Gras-Mischungen werden für zwei Jahre beweidet und in eine Marktfrucht-Fruchtfolge (dominiert von Getreidearten) integriert. So entsteht nebenbei eine deutlich erhöhte Kulturartendiversität in der Agrarlandschaft. Die Milchleistung liegt bei rund 6.900 Liter Milch pro Kuh/Jahr. „Solche Gemischtbetriebe zeichnen sich dadurch aus, dass die Tierhaltung für Futterbau und der Marktfruchtbau identische Flächeneinheiten bewirtschaften. So werden Stickstoffflüsse effizienter genutzt und zugleich wirtschaftliche Risiken für den landwirtschaftlichen Betrieb durch die größere Produktpalette reduziert“, erklärt Taube.


Öko-Gemischtbetrieb schont Ressourcen
Der Betrieb D, der Lindhof, zeigte trotz seiner vergleichsweise niedrigen Milchleistungen je Hektar Betriebsfutterfläche (ca. 11 Tonnen Milch/Hektar) die niedrigsten negativen Umweltwirkungen je Flächeneinheit (50 Kilogramm Stickstoff/Hektar) und je Produkteinheit (5 Gramm Stickstoff und 0,6 Kilogramm CO2/kg Milch).
Der Weidebetrieb C erzeugte nur 7.400 Tonnen Milch/Hektar und schnitt hinsichtlich der Treibhausgasemissionen je Liter Milch (6 Gramm Stickstoff und 0,9 Kilogramm CO2/kg Milch) am zweitbesten ab. Dabei verursachte er aber fast doppelt so viel Stickstoffüberschüsse auf der Fläche (94 Kilogramm N/Hektar) wie Betrieb D.
Die höchsten spezifischen Stickstoff-Emissionen (13 Gramm Stickstoff/Kilogramm Milch) und Treibhausgasemissionen je Liter Milch (1,2 Kilogramm CO2) wurden im Betrieb B berechnet. „Für die Leistungen des Durchschnittsbetriebes in Schleswig-Holstein zeigt sich eine vergleichsweise niedrige Effizienz“, stellte Taube fest.
Betrieb A kann mit der höchsten Produktivität bei mehr als 16 Tonnen Milch je Hektar Betriebsfutterfläche pro Jahr punkten. Hinsichtlich der negativen Umweltwirkungen wurden hier allerdings auch die höchsten Stickstoffüberschüsse (bis zu 230 Kilogramm Stickstoff/Hektar) festgestellt. Die Emissionen je Kilogramm Milch lagen leicht unter Betrieb B bei 12 Gramm Stickstoff und 1,1 Kilogramm CO2.

Zugekauftes Kraftfutter schlecht für die Bilanz
Als die Wissenschaftler:innen auch die Flächen der zugekauften Konzentratfuttermengen von knapp 3 Tonnen je Kuh und Jahr in Betrieb A in die Bilanz mit einbezogen, veränderte sich das Bild der Flächennutzungseffizienz: Das Low-Input-System D erreicht dann die gleiche Flächennutzungseffizienz wie der hoch intensive Betrieb A. Der globale Flächenbedarf je Liter Milch ist nahezu identisch. Betrieb A braucht 1,2 m² je Liter Milch; Betrieb D: 1,3 m². Betrieb D erzeugt das Futter (Eiweiß und Energie) weitgehend auf eigenen (Weide-) Flächen. „Diese Art der kombinierten on-farm-off-farm-Analyse ist notwendig, um die scheinbare Überlegenheit intensiver Konzentratfutter-basierter Systeme in der Flächennutzungseffizienz im Gesamtsystems zu erfassen und so den anteiligen Flächenverbrauch für Konzentratfutterimporte in den Betrieb als Getreide, Raps oder Soja mit einzubeziehen“, erklärt Taube.

Klimabeitrag der Landwirtschaft gefordert
Damit Deutschland bis 2045 klimaneutral ist, muss die Landwirtschaft einen maßgeblichen Beitrag leisten. Darum erforschen Agrarwissenschaftler der CAU, welche Systeme der Milcherzeugung besonders klimafreundlich sind. Prof. Friedhelm Taube kennt die Forderungen an die Tierhaltung, zum Klimaschutz beizutragen. „Um die Wertschöpfung aus der Milcherzeugung für die Landwirtschaft im Norden Deutschlands zu sichern, kann eine moderate Reduktion der Tierbestände nicht per se abgelehnt werden“, sagt er.

Die Landwirtschaft trägt in Schleswig-Holstein mit etwa 20 Prozent erheblich zu den THG-Emissionen bei, wobei der intensiven Nutzung der Moore zur Milcherzeugung eine Schlüsselrolle zukommt. Taube rechnet damit, dass die Milcherzeugung auf Moorstandorten unter erheblichen Druck geraten wird, wie es vor wenigen Wochen in einer Studie der Stiftung Klimaneutralität dokumentiert worden ist. Doch nicht nur in den entwässerten Mooren sehen die Experten Handlungsbedarf, sondern auch in den Regionen der hoch spezialisierten Milcherzeugung auf den sandigen Böden der Geest. Denn dort tragen Stickstoffüberschüsse deutlich zu der Belastung von Gewässern und Luft bei.

CO2-Preis könnte Öko-Effizienz belohnen
Öko-effizient produzierte Milch im Sinne geringer Nährstoffüberschüsse und geringer THG-Emissionen könnte künftig bedeutender und sogar lohnend werden, wie Taube erläutert: „Unterstellen wir einen durchschnittlichen Betrieb mit einer Milchlieferung von 800.000 Liter/Jahr, so würde die Differenz der spezifischen Treibhausgasemissionen je Liter Milch zwischen den Betriebstypen A und D-Lindhof bei einem erwarteten CO2-Preis von 60 Euro/Tonne im Jahr 2030 dem Betrieb D Gutschriften von über 25.000 Euro pro Jahr im Sinne einer CO2-Emissionsvermeidung einbringen.“ Hinzu komme das kostengünstige Futter, das aufgrund von Zuchtfortschritten in der Gräser- und Kleezüchtung wesentlich kostengünstiger je Futtereinheit erzeugt werden kann und der Klimawandel die zur Verfügung stehenden Weidetage im Herbst und Frühjahr weiter ausdehnen wird. So sei das System schon heute sehr konkurrenzfähig. Aufgrund der Koppeleffekte für die Luft- und Wasserreinhaltung, die Biodiversität und die Tiergesundheit erscheint ihm eine Förderung dieser Ansätze im Sinne des Klima- und Ressourcenschutzes geboten.

Mit dem integrierten Ansatz im Gemischtbetrieb werde sich auch die Tierhaltung wieder stärker auf die Fläche verteilen und regionale Stickstoffüberschüsse werden sich reduzieren, erwarten die Wissenschaftler genau wie es Klimawissenschaftler fordern. Dies bedeute nicht, dass jeder Betrieb wieder Ackerbau und Viehzucht betreiben muss, sagte Dr. Thorsten Reinsch, der Projektleiter der Untersuchung. „Wo immer möglich sollte die Chance der Kooperation von spezialisierten Milchviehbetrieben mit spezialisierten Marktfruchtbetrieben genutzt werden, indem sie gemeinsam ihre Flächen mit weiten Fruchtfolgen nutzen und so mit Hilfe des Kleegrases auch den Dünger- und Pflanzenschutzaufwand im Ackerbau erheblich reduzieren können.“
 

Weitere Nachrichten zu: