Der Braunfäule in diesem Sommer konnten die Tomatensorten aus ökologischer Züchtung, wie die Sorte Sunviva, trotzen. (Foto: Ökologisches Freiland-Tomatenprojekt)

Robuste Tomaten aus Öko-Züchtung

Sorten aus partizipativer Züchtung kamen besser durch den feuchten Sommer 2021

Besonders resistent gegen die Kraut- und Braunfäule (Phytophthora infestans) sind neu gezüchtete Tomatensorten aus dem Ökologischen Freiland-Tomatenprojekt an der Universität Kassel. Das konnte Dr. Bernd Horneburg in diesem Sommer beobachten. Er leitet das partizipative ökologische Züchtungsprojekt. Darin züchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Profi-Gärtnerinnen und Hobbygärtner und andere Beteiligte neue Sorten, ohne von sogenannten intellektuellen Eigentumsrechten finanziell zu profitieren. Neun neue Sorten hat das Projekt seit dem bundesweiten Start 2003 hervorgebracht. Als besonders resistent gegen die Phythophthora erwiesen sich die Sorten Primabella, Resibella, Rondobella, Vivagrande und im Hausgarten Sunviva.

Andere Sorten litten stark
Der zurückliegende feuchte Sommer war die Nagelprobe „Die vorangegangenen Jahre 2018 bis 2020 waren in fast allen Gegenden Deutschlands günstig für den Tomatenanbau im Freiland: Es war trocken und heiß und Phytophtora spielte kaum eine Rolle“, erinnert Horneburg. Das war in diesem Jahr anders: In vielen Gärten waren Sorten mit geringer oder mittlerer Resistenz so stark geschädigt, dass der Ertrag gering blieb. „Auch der kommerzielle Anbau in Folientunneln und unbeheizten Gewächshäusern wurde teilweise stark geschädigt, weil die Tomatenpflanzen bei niedrigen Temperaturen und hoher Luftfeuchte lange feucht blieben und befallen wurden“, weiß Horneburg, „Sorten, die im Freiland Tomatenprojekt gezüchtet wurden, konnten die Saison hingegen verlängern und den Ertrag stark erhöhen.“

Partizipativer Ansatz sorgt für viele gute Eigenschaften
Der Agrarwissenschaftler führt dies auf den breiten Zuchtansatz zurück, der sich auf die Vielfalt der Tomate stützt: „Durch die partizipative Züchtung an verschiedensten Orten ist es möglich, Sorten zu entwickeln, die mit stark wechselnden klimatischen Bedingungen umgehen können.“ Jährliche Treffen, sogenannte Tomatentage, sicherten zudem den Austausch zwischen den Beteiligten; der jüngste fand im September bei Göttingen statt. Beim Tomatentag werden Beobachtungen und Daten aus Exaktversuchen ausgetauscht, um für sehr unterschiedliche Boden- und Klimabedingungen die besten Sorten zu züchten. Anleitungen und wissenschaftliche Ergebnisse stehen öffentlich über die Projekthomepage zur Verfügung. Der Geschmack wird durch Verkostungen in jedem Schritt der Züchtung berücksichtigt.

Das große Netzwerk der partizipativen Züchtung hilft dabei, meint Horneburg: „Eine Stärke des Projekts ist die „Sensorfunktion“ des Netzwerks: Verlieren Sorten an einem Ort die Resistenz, wird direkt in der Fülle der Zuchtlinien nach einer neuen Lösung gesucht.“ Er gründete das Tomaten-Projekt 2003, brachte es 2020 mit an die Uni Kassel. In manchen Jahren gibt es mehr als 30 Standorte deutschlandweit.Das Projekt dient nicht nur der Züchtung von Resistenzen, lobt der Wissenschaftler sein Projekt: „Die Qualität von selbstgezogenen Tomaten ist unschlagbar und sie tragen zu einer lebendigen Sortenvielfalt bei.“


Gegengewicht gegen Patente
Das Ökologische Freiland-Tomatenprojekt will großen Saatgut-Konzernen etwas entgegensetzen. Auch für Eigenschaften von Tomaten werden oft Patente beantragt. Zeigt eine neue Sorte entsprechende Merkmale, werden Lizenzgebühren fällig oder die Nutzung ganz untersagt – ein Hemmnis für die Entwicklung verbesserter Sorten, findet der Agrarwissenschaftler. Die Patente für Tomaten liegen dabei bei einigen wenigen Unternehmen. Im Freiland-Tomatenprojekt hingegen bestimmen Züchterinnen und Züchter, Anbau, Handel, Beratung und Konsumentinnen und Konsumenten gemeinsam die Ziele und selektieren die besten Zuchtlinien, beschreibt Horneburg: „Wir tauschen Wissen, Pflanzen und Samen aus, um gemeinsam nach neuen, vielversprechenden Sorten zu suchen.“ Die Sorten Sunviva und Vivagrande sind sogar durch die Open-Source Saatgut Lizenz als Gemeingut geschützt.
 

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