Habichte, die in der Nähe von menschlichen Siedlungen leben, sterben oft an Vergiftungen. Häufig sind Mittel zur Mäuse- und Rattenbekämpfung die Ursache. (Foto: Oliver Krone/Leibniz-IZW)

Greifvögel verenden häufig an Gift

Gifte, die Mäuse und Ratten töten sollen, vergiften viele Habichte, Rotmilane und Seeadler. Die Chemikalien reichern sich im Körper der Vögel an.

Mehr als die Hälfte von tot aufgefundenen Raubvögeln, die Wissenschaftler untersucht haben, hatten zu viele Mäuse und Ratten gefressen, die an Giftködern verendet waren. Das zeigen Untersuchungen von Rotmilanen, Habichten, Sperbern, Seeadlern und Fischadlern, die zwischen 1996 und 2018 tot aufgefunden wurden. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), des Umweltbundesamtes (UBA) und des Julius-Kühn-Instituts (JKI) haben die Tiere untersucht. Vor allem in den Lebern der Tiere fanden sie häufig Blutgerinnungshemmer, die in Rodentiziden verwendet werden.

„Die Ergebnisse dieser Analysen zeigen deutlich, dass insbesondere Rodentizide und vorsätzliche Vergiftungen eine Bedrohung für Greifvögel darstellen“, schlussfolgern die Autoren und Autorinnen der Studie. Dies gelte sowohl für Aasfresser als auch für Greifvögel, die in städtischen Lebensräumen oder in deren Nähe leben.  

Auch Medikamente und Pestizide gefunden
Neben Rodentiziden wiesen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auch Arzneistoffe wie Ibuprofen (14,3 %) oder Fluorchinolon-Antibiotika (2,3 %) in tot aufgefundenen Vögeln nach. Unter den Pflanzenschutzmitteln wiesen sie in zwei Rotmilanen das bis 2019 zugelassene Insektizid Dimethoat und dessen Metabolit Omethoat nach, in zwei weiteren Rotmilanen das bis 2021 zugelassene Neonicotinoid Thiacloprid. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gehen davon aus, dass die Gehalte an Dimethoat auf vorsätzliche Vergiftungen zurückzuführen sind. Die Thiacloprid-Rückstände deuten aufgrund der kurzen Halbwertszeiten in Vogelorganen auf eine Exposition kurz vor dem Tod hin.

„Wir fanden Rodentizid-Rückstände im Lebergewebe von mehr als 80 Prozent der untersuchten Habichte und Rotmilane“, sagt Alexander Badry vom Leibniz-IZW. Insgesamt überschritten 18 Prozent der Habichte und 14 Prozent der Rotmilane den Schwellenwert von 200 ng/g Körpergewicht für akute Vergiftungen. Das trage vermutlich zur sinkenden Überlebensraten von Rotmilanen in Deutschland bei. „Bei Seeadlern fanden wir in fast 40 Prozent unserer Proben Rodentizide in niedrigeren Konzentrationen, während die Akkumulation bei Sperbern und Fischadlern gering oder gleich null war.“ In etwa 30 Prozent der Vögel weist die Studie mehr als eines der insgesamt 6 nachgewiesenen Rodentizide nach.

Es habe sich gezeigt, dass jene Arten, für die Aas regelmäßiger Bestandteil ihres Nahrungsspektrums ist, ein hohes Risiko haben, Nagetiergifte aufzunehmen, sagte Dr. Oliver Krone, Greifvogelspezialist am Leibniz-IZW. Der Einsatz dieser Rodentizide ist nicht auf die landwirtschaftliche Anwendung in Ställen oder zur Feldmausbekämpfung beschränkt, betonen die Autoren und Autorinnen der Studie. Denn sowohl auf forstwirtschaftlichen Nutzflächen als auch in Städten und Kanalisationen werden häufig Rodentizide zur Bekämpfung von Nagetieren eingesetzt. Die Analysen zeigten, dass je näher der Fundort eines toten Vogels bei menschlichen Strukturen wie Industrieanlagen oder Siedlungen war, desto wahrscheinlicher war der Vogel Rodentiziden ausgesetzt.

Beunruhigt sind die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, weil sie bei Seeadlern Rodentizide finden konnten, obwohl diese Greifvögel eher entfernt von menschlichen Siedlungen leben. Weitere Untersuchungen zu den Quellen und Verteilungsmechanismen dieser Substanzen in der Umwelt seien erforderlich, weil die Nagetiere, auf die Rodentizide zielen, eigentlich nicht zum klassischen Nahrungsspektrum des Seeadlers gehören.

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