Mit mehr Photovoltaik kann die Landwirtschaft wesentlich zur Stromversorgung beitragen, Biogasanlagen sollen vorrangig die Emissionen aus Wirtschaftsdüngern nutzbar machen, so die Vision der Agrarwissenschaft. (Foto: Landpixel)

Genug Fläche für Nahrung, Energie und Rohstoffe

Tagung der deutschen Agrarforscher zeigt umfassendes Potenzial der deutschen Landwirtschaft für Klimaschutz und Versorgungssicherheit

Die Forschung hat genug Wissen gesammelt, um den Schutz von Klima und Biodiversität unter einen Hut zu bringen und die Nahrungsmittelerzeugung zu gewährleisten. Es fehlt die politische Umsetzung.

Denn ein Kulturwandel bei Landwirtschaft und Verbrauchern und Verbraucherinnen ist notwendig, um die Klimaziele Deutschlands und der EU zu erreichen: Klimaneutralität bis 2045, ohne Treibhausgasemissionen in andere Regionen der Erde zu verlagern. Das wurde im Rahmen der Strategietagung der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) zur „Landnutzung im Wandel“ Anfang November deutlich. Wichtige Baustellen in der Landwirtschaft zur Minderung von Treibhausgasen sind die Verbesserung der Energie- und N-Effizienz, der Moorschutz mit der Wiedervernässung von Moorgebieten, die Reduktion der Tierhaltung sowie die Vergärung von Wirtschaftsdüngern zu Biogas.


Weniger tierische Lebensmittel
Die multifunktionale Landwirtschaft, die integriert auch Energie erzeugt, ist zwingend erforderlich, um das ambitionierte Klimaziel zu erreichen, zu dem sich auch Deutschland verpflichtet hat. Dafür muss die Funktion der Landwirtschaft als Senke für Kohlenstoff ausgebaut werden. Will man vermeiden, dass sich die Treibhausgas-Bildung in andere Länder verlagert, muss mit der Transformation der Landwirtschaft ein Wandel der Ernährungsgewohnheiten einhergehen. Die deutsche Landwirtschaft muss sich mehr auf das Erzeugen pflanzlicher Lebensmittel konzentrieren. Produkte daraus müssen verstärkt verzehrt werden. Es ist notwendig, Produktion und Konsum tierischer Lebensmittel zu verringern – ein Kulturwandel für Landwirte und Verbraucher.

Die Wissenschaftler zeigten mit ihren Vorträgen, dass gelingen kann, was sich zunächst unmöglich anhört: lokal angepasste, resiliente und kooperative Systeme zu entwickeln, die gleichzeitig emissionsarm und C-optimiert sind, und zugleich die Biodiversität zu fördern und regenerative Energie zu erzeugen. Die Fläche in Deutschland reicht aus, um sowohl Nahrungsmittel als auch Energie zu erzeugen sowie industrielle Grundstoffe, ohne auf fossile Energie zurückzugreifen. Energie liefern Freiflächen- und Agri-Photovoltaik, Biogas- und Windenergieanlagen. Die Ziele sind erreichbar und lassen sich mit einer Verbesserung der Biodiversität verbinden. Auch der Wald, Agroforstsysteme und Landschaftselemente spielen hier eine wichtige Rolle.  

Ökolandbau bietet viele Lösungen
Im Ökolandbau ist die resiliente Nutzung lokaler Ressourcen systemimmanent und die Vielfalt Programm. Prof. Dr. Friedhelm Taube, Universität Kiel, belegte die Vermeidung von Umweltkosten durch eine Kleegras- und grünlandbasierte Milchwirtschaft. Gleichzeitig bemängelte er jedoch die Ertragsschwächen und Ineffizienzen vor allem im Ackerbau. Einzelbetrieblich gelte es, die Möglichkeiten weiter auszuschöpfen. Ertragssicherheit sei durch besseren Ackerbau möglich. Taube spornte dazu an, die Tierhaltung zu verbessern sowie die Erzeugung regenerativer Energie mit Photovoltaik, Wind und Biogas. Zudem müssten Biolandwirte und Biolandwirtinnen alle Möglichkeiten zur integrierten Biodiversitätsförderung nutzen, indem sie Hecken und Agroforst anlegen und Freiflächen-PV installieren.

Wissen ist vorhanden, Defizit in der Umsetzung
Die Tagung machte deutlich, dass enorme Potenziale für eine klimaneutrale Wirtschaft vorhanden sind. Das Wissen ist vorhanden und die Fläche reicht sogar im dicht besiedelten Deutschland aus. Was fehlt, ist die Umsetzung. Neben unklaren und bremsenden Genehmigungsverfahren, beispielsweise für den Bau von regenerativen Energieerzeugungsanlagen, bedarf es dringender Reformen bei der GAP: Ökosystemleistungen müssen effizient honoriert werden. Die Politik ist gefragt, schnell zu handeln und konsistente, ökonomische Anreizen zu setzen. Nur dann besteht ein sinnvoller am Gemeinwohl orientierter Handlungsrahmen für die Landnutzer. Dann werde das Beharrungsvermögen etablierter Geschäftsmodelle fallen.
Drei Komponenten beschrieb Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, Präsident des Thünen Institutes, als notwendig, damit der komplexe Wandel gelingt:

  • die Abbildung der „ökologischen Wahrheit“ in den Produktpreisen beispielsweise mit einer gemeinwohlorientierten GAP-Reform und einer Korrektur des Mehrwertsteuer-Systems
  • eine von allen beteiligten Ministerien getragene Roadmap für die Energiewende mit der Land- und Forstwirtschaft
  • ein synergistischer und partizipativer Ansatz vor Ort, um alle Akteure mitzunehmen.

Netzwerk der deutschen Agrarforschung

Die Deutsche Agrarforschungsallianz (DAFA) ist eine Gemeinschaftsunternehmung der deutschen Agrarforschung. Sie will die Leistungsfähigkeit, Transparenz und internationale Sichtbarkeit der deutschen Agrarforschung verbessern. Mitglieder sind Universitäten, Hochschulen, außeruniversitären Forschungsinstitute sowie die Ressortforschung des Bundes und der Länder. Die DAFA organisiert regelmäßig Strategietagungen zu landwirtschaftlich und gesellschaftlich relevanten Themen.
 

 

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