Ein Bio-Kalb, das an einer Kuh heranwächst, trinkt bis zu 1.500 Liter Bio-Milch. Mit einem eigenen Siegel können Verbraucher künftig erkennen, wenn Bio-Landwirte den Kälbern diese Milch gönnen. (Foto: Schweisfurth-Stiftung)

Einzelhändler schaffen Markt für Bio-Kälber

Eine engagierte Gruppe Bio-Milchviehhalter hat klare Standards für die kuhgebundene Kälberaufzucht definiert. Eine Zertifizierung wird vorbereitet.

Die Edeka Südwest übernimmt Verantwortung für Bio-Kälber, die in Bio-Milchviehställen geboren werden: wenn sie ökologisch aufgewachsen sind, vermarktet der Einzelhändler das Bio-Kalbfleisch. Damit will die Geschäftsführung des Handelsunternehmens die Themen Tierschutz, Nachhaltigkeit und Saisonalität auch beim Produkt Bio-Kalbfleisch zusammenbringen. Das berichtete Katharina Gänger, Tierschutzbeauftragte bei Edeka-Südwest, anlässlich der Biofach.

Gemeinsam mit den 40 Bio-Heumilchlieferanten der Demeter Milchbauern Süd habe die Edeka Südwest die Vermarktung von Bio-Kalbfleisch begonnen. Mittlerweile zeige sich, dass gut geschultes Personal Bio-Kalbfleisch in der Frischetheke gut verkaufen könne. Weitere Lieferanten sind eingebunden.

Vielen Naturkostläden fehlt die Fleischtheke
Sascha Damaschun vom Bio-Großhändler Bodan bestätigte, dass aufgeklärte Verbraucher auch für komplexe Zusammenhänge zu gewinnen seien. Die Themen Saatgut und Bruderhahn machten Mut, auch Fleisch als Koppelprodukt der Milcherzeugung zu thematisieren. Bislang gehen schätzungsweise bis zu 80 Prozent der Bio-Kälber in die konventionelle Mast. Im Naturkostfachhandel sei die Hürde allerdings oft groß, Bio-Kalbfleisch zu verkaufen, weil Fleisch im Sortiment der Läden eine untergeordnete Rolle spielt. Darum hat Bodan die Bio-Kalbfleischvermarktung mit Wurstprodukten begonnen, die ohne Frischetheke funktionieren.

Bio-Milchviehhalter ergriffen die Initiative
Dass Bio-Kälber häufig in die konventionelle Vermarktung gehen, empfinden viele Bio-Milchviehhalter als unbefriedigend. Aber sie können die Aufzucht der Kälber nicht aus dem Erlös für das Fleisch finanzieren, berichtete Rolf Holzapfel geschäftsführender Vorstand der Demeter Milchbauern Süd. Darum hat Holzapfel gemeinsam mit Kollegen die Initiative ergriffen: Die Kälber müssen als Koppelprodukt der Milcherzeugung betrachtet werden – auch beim Handel und beim Konsumenten. Das Engagement der Vermarkter Bodan und Edeka Südwest sei vorbildlich.

Die Märkte für Bio-Milch und Bio-Fleisch wachsen nicht gleichmäßig, rechnete Saro Ratter von der Münchner Schweisfurth-Stiftung vor. Im Jahr 2018 wuchs die abgesetzte Menge Bio-Milch um 19 Prozent, die verkaufte Menge Bio-Rindfleisch nur um 7,2 Prozent. Als Bio-Rindfleisch werden zudem auch Tiere aus der Mutterkuhhaltung verkauft, erinnerte Ratter. Grundsätzlich sei es wichtig, dass Konsumentinnen und Konsumenten weniger Fleisch verzehren, merkte Ratter an. Aber der Bio-Rindfleischverzehr müsse zum Bio-Milchverbrauch passen, wenn alle Bio-Tiere auch als Bio-Fleisch vermarktet werden sollen.

Milch und Fleisch zusammen denken
Der Projektmanager Tierwohl Ratter will die zumeist getrennten Produktionsbereiche Milch und Rindfleisch perspektivisch wieder zusammenführen. Dafür hat er Bio-Milcherzeuger, die ihre Kälber bereits selbst an der Mutter oder einer Amme aufziehen, unterstützt. Sie haben Tierschutzkriterien jetzt festgeschrieben für die kuhgebundene Kälberaufzucht. Beteiligt in dem Prozess waren auch Vertreterinnen und Vertreter aus Forschung und Tierschutz.  

Diese Kriterien schaffen Orientierung und Klarheit sowohl für Betriebe als auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Eine Interessengemeinschaft, die derzeit in der Gründungsphase steckt, wird die Zertifizierung von Betrieben anhand der Kriterien organisieren. Dann können sowohl Milch als auch Fleisch das entsprechende Siegel tragen.

Kriterien schaffen Transparenz
Die Kriterien sehen beispielsweise vor, dass Kälber mindestens 90 Tage von den eigenen Müttern oder Ammenkühen gesäugt werden müssen. Kuh und Kalb müssen täglich genug Zeit miteinander verbringen. Zudem gibt es Regeln zum schonenden Absetzen. Während der gesamten Säugezeit müssen die Kälber ökologisch aufgezogen werden. Dies gilt auch für die männlichen Kälber und die nicht zur Remontierung benötigten weiblichen. Die kuhgebundene Kälberaufzucht kann auf dem eigenen Betrieb oder auf Partnerbetrieben erfolgen, die auf ökologische Rindermast spezialisiert sind. Höchstens 15 Prozent der Kälber dürfen an andere ausgewählte Aufzuchtbetriebe abgegeben werden.
An der Ausarbeitung der Kriterien waren auch Fachleute der drei Verbände Bioland, Demeter und Naturland beteiligt. Ziel der Initiatoren ist es, dass die Verbände die Kriterien zur kuhgebundenen Kälberaufzucht möglichst als Zusatzstandard für interessierte Betriebe in ihre bereits bestehenden Richtlinien aufnehmen.

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