Im Fell der Rinder spiegelt sich, wie es ihnen geht. Die Forscherin des FBN Dummerstorf nimmt eine Haarprobe. (Foto: Winfried Otten)

Dem Stress im Stall auf der Spur

Nicht immer ist leicht zu erkennen, welche Veränderungen im Stall wirkliche Verbesserungen sind. Hormone machen Stress messbar.

Bessere Haltungsbedingungen in Ställen sind gesellschaftliches Ziel. Um zu beurteilen, wie es den Tieren wirklich geht, können Forscher das Stresslevel anhand von Stresshormonen messen. Auf eine Blutentnahme kann man dafür vielleicht schon bald verzichten. Denn Haare und Federkleid lagern Stresshormone ein.

„Je nach Haarlänge lässt sich in einer Probe die Stressgeschichte von mehreren Wochen bis zu einigen Monaten ablesen“, berichtet Dr. Winfried Otten vom Institut für Verhaltenspsychologie am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf. Denn die Wissenschaftler konnten erstmalig aufzeigen, dass beim Nutztier einzelne Haarsegmente retrospektiv als eine Art Kalender der Stressbelastung verwendet werden können. Grundlage ist die Bestimmung der Stresshormone Cortisol in Haarproben von Rindern und Schweinen sowie Corticosteron in Federn von Hühnern und Puten.

Stress schadet der Gesundheit
„Stressreaktionen des Organismus sind überlebenswichtig; anhaltend erhöhte Stresshormonspiegel weisen bei Nutztieren jedoch auf Probleme in der Haltung hin“, erklärte Otten. Zu große Hitze, zu wenig Platz, sozialer Stress oder die Isolation von Artgenossen und Langeweile – Stress im Stall kann viele Ursachen haben. Darunter leidet nicht nur das Wohlbefinden der Tiere. Chronisch gestresste Tiere verursachen auch zusätzliche Kosten, sie können schneller krank werden oder wachsen langsamer.

Tierärztin Dr. Susen Heimbürge hat dazu bei Rindern und Schweinen nicht nur den Einfluss verschiedener Stressoren, sondern auch von Faktoren wie Haarfarbe, Haartyp und -alter auf Haarcortisolkonzentrationen untersucht. „Anhand von experimentellem Stress beim Rind konnten wir erstmals zeigen, dass eine mehrwöchige Stressbelastung der Tiere durch erhöhte Cortisolkonzentrationen in verschiedenen Haartypen, nämlich in nativen und nachgewachsenen Körperhaaren sowie in Segmenten von Schwanzhaaren nachweisbar ist.“

Stresshormone zur Bewertung von Belastungszuständen werden bislang in Blut-, Speichel-, Urin- oder Kotproben gemessen. „Die Probenentnahme selbst kann dabei für die Tiere stressig sein und der Hormongehalt in diesen Proben spiegelt nur die Belastung kurz vor dem Zeitpunkt der Entnahme wider. Langzeitaussagen sind schwierig und nur anhand vieler Proben möglich“, beschrieb Otten die grundsätzliche Problemlage. „Unser Ziel war es, den Stresshormonnachweis in Haaren und Federn in ein einfaches und präzises Verfahren zur Bestimmung von Langzeitstress bei Nutztieren weiterzuentwickeln, ähnlich wie es in der Stressforschung beim Menschen schon Anwendung findet. Während des Haar- und Federwachstums erfolgt nämlich eine kontinuierliche und stabile Einlagerung der Hormone und anhand einer Probe könnte die Stressbelastung der vorangegangenen Wochen und Monate ermittelt werden.“

Bei Schweinen und Geflügel sind weitere Untersuchungen notwendig.

 

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