Bioland informiert zu Ausnahmegenehmigungen beim Medikamenteneinsatz

Die tageszeitung (taz) wirft dem Bioland-Verband in ihrer Ausgabe vom 9. Februar 2016 vor, seine eigenen Medikamentenvorgaben zu unterlaufen.

 

Was ist beim Medikamenteneinsatz auf Biobetrieben nach EU-Öko-Verordnung erlaubt?

Oberstes Ziel der Öko-Tierhaltung ist die Gesunderhaltung der Tiere durch angepasste Zucht, artgerechte Haltungsbedingungen, Fütterung und Betreuung. Erkrankungen und die medikamentöse Behandlung von Tieren sollen die Ausnahme sein. Artgerechte Tierhaltungsbedingungen wie genügend Platz, Weidegang, Auslauf, tiergerechte Fütterung, Beschäftigungsmöglichkeiten und längere Mastzeiten wirken den Ursachen vieler Krankheiten entgegen. Erkranken Öko-Tiere trotz dieser Haltungsbedingungen und aller Vorsorge, müssen Bio-Landwirte zunächst auf natürliche Heilmethoden, wie z.B. pflanzliche oder homöopathische Medikamente, zurückgreifen. Nur wenn die Wirksamkeit alternativer Heilverfahren nicht ausreicht, sind auch in der Öko-Tierhaltung Antibiotikagaben und andere chemisch-synthetische allopathische Therapien erlaubt. Solche Behandlungen müssen grundsätzlich durch einen Tierarzt verordnet werden. Zudem muss jeglicher Medikamenteneinsatz vom Tierarzt und vom Landwirt detailliert dokumentiert werden. Prophylaktische Behandlungen sind grundsätzlich verboten. Bei Tierarten, die weniger als ein Jahr alt werden (z.B. Mastgeflügel und Mastschweine), ist nach der EU-Öko-Verordnung nur eine einmalige Antibiotikabehandlung erlaubt. Eine weitere Antibiotikabehandlung führt bei Mastgeflügel und Mastschweinen bereits zu einer Aberkennung des Ökostatus. Tiere deren Lebenszeit länger als ein Jahr ist, dürfen maximal dreimal pro Jahr mit konventionellen Arzneimitteln behandelt werden (ausgenommen Impfstoffe, Antiparasitika und gesetzlich vorgeschriebene Behandlungen z.B. im Rahmen der Tierseuchenbekämpfung). Die konventionell angegebene Wartezeit ist zu verdoppeln.

Warum hat Bioland strengere Vorgaben und verbietet oder beschränkt bestimmte Medikamente?

Die Bioland-Richtlinien zur Anwendung von Tierarzneimitteln gehen über die Anforderungen der EU-Öko-Verordnung hinaus. Die Bioland-Richtlinien schränken bereits seit 1994 anhand einer Negativliste die Anzahl der anwendbaren Wirkstoffe und Arzneimittelgruppen bei Tierarzneimitteln ein, um Nebenwirkungen auf Tiere, Umwelt, Verbraucher und Anwender zu minimieren. Die Liste wird fortlaufend überarbeitet und dem neuesten Kenntnis- und Zulassungsstand angepasst. Dabei werden solche Arzneimittel und Wirkstoffe eingeschränkt oder verboten, deren Anwendung besondere Risiken bergen:

  • für die Verbraucher (als Rückstand im Lebensmittel),
  • für die Umwelt (als Rückstand in den Ausscheidungen der Tiere),
  • für das Tier (als unerwünschte Nebenwirkung)
  • oder für den Anwender (als direkt gesundheitsschädlich bspw. beim Einatmen).

Grundsätzlich darf dabei jedoch kein Therapienotstand entstehen. Das heißt es sind nur solche Mittel verboten, für die es eine weniger gefährliche Alternative gibt. Andernfalls müsste erkrankten Tieren eine Behandlung vorenthalten werden, wodurch tierschutzwidriges, unnötiges Leiden erzeugt würde.

Auch bestimmte in Deutschland für Tiere zugelassene Antibiotika (wie bspw. Fluorchinolone = Gyrasehemmer) sind bei Bioland seit über 20 Jahren verboten, da sie als Reserveantibiotika in der Humanmedizin gelten. Dadurch wird der Resistenzentwicklung bei Bakterien entgegen gewirkt. Damit hat Bioland die schon vor Jahrzehnten erkennbare Problematik der zunehmenden Resistenzen erkannt und gehandelt, lange bevor dieses Thema in der gesellschaftlichen Debatte angekommen war.

"Mit den sehr differenzierten Regelungen zum Arzneimitteleinsatz mit Einschränkungen und Verboten für bedenkliche Wirkstoffe und Arzneimittelgruppen ist Bioland seit über 20 Jahren der Zeit voraus. Alles was in dem Bereich heute vom Gesetzgeber diskutiert wird, hat Bioland bereits seit Jahren in weiten Teilen umgesetzt. Die Herangehensweise von Bioland an das Thema Arzneimitteleinsatz zeugt von hoher spezieller Sachkenntnis und einem verantwortungsvollem Umgang mit Mensch, Tier und Umwelt.", so Dr. vet. med. Matthias Link, praktischer Tierarzt.

Seit Bestehen der Bioland-Richtlinien wurde die Negativliste für Tierarzneimittel um knapp ein Drittel der ursprünglich genannten Wirkstoffe verkürzt. Die Nennung dieser Wirkstoffe wurde unnötig, weil sie im Laufe der Zeit auch für die konventionelle Tierhaltung verboten wurden. Der Ansatz erhöhten Verbraucherschutzes in den Bioland-Richtlinien wird dadurch bestätigt.

Erteilung von Ausnahmegenehmigungen

Der Vorwurf der taz bezieht sich auf die Erteilung von 35 Ausnahmegenehmigungen (ANG) für Medikamente, deren Einsatz bei Bioland nicht oder nur eingeschränkt zugelassen ist. Die taz verschweigt die Relation der Ausnahmegenehmigungen zur gesamten Tieranzahl der Bioland-Tierhalter. So leben auf 4.240 tierhaltenden Bioland-Betrieben 1,6 Mio. Tiere. Das heißt, dass Ausnahmegenehmigungen für weit unter 0,1 Prozent der Tiere ausgesprochen wurden. Dies sind diejenigen Fälle, in denen der Tierarzt keine Alternativbehandlung aus Sicht des Tierschutzes vornehmen konnte. ANG werden nur in begründeten Einzelfällen nach Rücksprache mit unseren Fachleuten erteilt. Ein möglicher Grund ist, dass eine von Bioland zugelassene Alternative nicht verfügbar ist, wenn beispielsweise in der Hausapotheke des Hoftierarztes nur das unerwünschte Präparat vorrätig ist, die Behandlung jedoch keinen Aufschub duldet. Ein weiterer Grund wäre, wenn die Behandlung mit dem Alternativmittel bisher wirkungslos war. Grundsätzlich gilt die Verpflichtung, dass der Landwirt alles tun muss, um Tierleid zu vermeiden und Leben zu retten. Die Anwendung muss immer vom Tierarzt verordnet sein. Für das von der taz angeprangerte Antibiotikum Fluorchinolone wurde 2014 sechsmal eine Ausnahmegenehmigung eines einzelnen erkrankten Tieres erteilt.

Sanktionierung

Falls ein Tierhalter nicht zugelassene Medikamente ohne ANG eingesetzt hat, wird dies bei der Kontrolle festgestellt. Bei der Auswertung des Kontrollergebnisses werden die Verstöße gegen die entsprechenden Bioland-Regelungen mit berücksichtigt und sanktioniert. Dabei wird zunächst eine Auflage/Abmahnung erteilt und im Wiederholungsfall auch Vertragsstrafen verhängt.



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