Auch der Bio-Großhandel spürt die Delle am Bio-Markt. (Foto: Imago)

Bio-Markt holt Luft

Der deutsche Bio-Markt ist um 3,5 Prozent geschrumpft. Doch die Branche bleibt optimistisch und drängt sich als Partner für die Transformation auf.

Seit Wochen macht der Bio-Markt Schlagzeilen. Die Presse stürzt sich auf sein Schwächeln, das mit dem 24. Februar des Vorjahres, dem Kriegsbeginn und der Inflation, begann. Um 3,5 Prozent hat der Umsatz am gesamten deutschen Bio-Markt 2022 abgenommen, Einbußen erlitten vor allem der Naturkosthandel sowie größere Hofläden (-12,3 %) und die sonstigen Einkaufsstätten wie Metzgereien und Marktstände (-18,2 %). Man kann die mediale Aufmerksamkeit als ein Zeichen für Größe und Prominenz betrachten. Einer unbedeutenden Nische würde niemand viel Aufmerksamkeit widmen. Seit mehr als 20 Jahren kannte der Bio-Lebensmittelmarkt nur schwarze Zahlen, in der Gunst der Verbraucher:innen stieg Bio auf dem Bio-Barometer zuletzt bis auf 89 Prozent.

Doch in Anbetracht der Ambitionen, die der Green Deal der EU, die Ampelregierung in Deutschland und subtiler schon längst Konsumenten und Konsumentinnen ausgelöst haben, steckt Bio - obwohl in aller Munde – Ende 2022 noch immer in der Nische: nur elf Prozent Flächenanteil, nur sieben Prozent Marktanteil, nur zwei Prozent in der Außer-Haus-Verpflegung.
Allerdings erweist sich der Bio-Markt als robust. Die „Delle“, wie die Branche den leichten Umsatzrückgang um 3,5 Prozent beschreibt, blieb, vielen Vorhersagen von mindestens fünf Prozent Einbruch zum Trotz, klein. Betrachtet man die vergangenen drei Jahre, hat der Bio-Markt seitdem um 25 Prozent zugelegt. Das ist ein Wert, der das starke mediale Interesse unterfüttert. Der Bio-Markt beweist sich in der Krise als resilient. „Der Trend Bio ist gesetzt“, sagte Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bio-Dachverbands BÖLW, auf der Biofach.

Großen Anteil daran hatte der Lebensmitteleinzelhandel, im vergangenen Jahr insbesondere der Discount (+13 %). Der LEH macht mittlerweile 66 Prozent des Bio-Umsatzes aus. Die Kundenwanderung aus dem Fachhandel zu Vollsortimentern und von diesen in den Discount zeigt vor allem die Treue zu Bio. Fleisch und Milchersatzprodukte befeuern mit starken Umsatzzuwächsen den Megatrend „Nachhaltige Ernährung“.

Was für ein Markterstarken spricht
Fast eine Verdreifachung der Bio-Fläche soll nach dem Willen der Bundesregierung in den kommenden sieben Jahren gelingen. Politik, Wissenschaft und Branche sind sich einig, dass der Sprung nur im Gleichschritt mit dem Bio-Markt und den Wertschöpfungsketten gelingt. Welche Handlungsfelder auf dem Weg zum Ziel beackert werden müssen, beschreibt die Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau. Der Außer-Haus-Markt ist eines von diesen. Er hat Mitte Februar eine wichtige Hürde genommen. Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines geänderten Öko-Landbaugesetzes und Öko-Kennzeichengesetzes gebilligt. Die Modifikation ebnet einer geplanten Bio-Außer-Haus-Verpflegung-Verordnung (Bio-AHVV) den Weg, die Kantinen eine Bio-Zertifizierung erleichtern soll.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir kündigte auf der Biofach zudem erneut an, 30 Prozent der Bundesforschungsmittel für die Ökolandbau-Forschung einsetzen zu wollen. Zudem will sein Ministerium eine Informationskampagne auflegen, die Verbraucher:innen über die Leistungen des Ökolandbaus und Bio-Lebensmittel aufklären soll.

Einen gewaltigen Hebel für einen nachhaltigen Konsum sehen mittlerweile Teile der Wissenschaft, Politik und Verbände im True-Cost-Accounting, also dem Einbezug von verdeckten gesellschaftlichen Folgekosten aus der Produktion in die Lebensmittelpreise. Das könne die „eklatante Wettbewerbsverzerrung“ (BÖLW) am Gesamtmarkt und in den Wertschöpfungsketten reparieren und die Vorzüglichkeit von Bio-Lebensmitteln untermauern. Eine reduzierte Mehrwertsteuer für Bio-Produkte sowie eine Pestizidabgabe fordert die Branche konkret.

Welche Bedrohungen lauern
Die Bio-Branche warnt vor einer Deregulierung des Gentechnikrechts. Ohne eine Regelung der Coexistenz steht der Bio-Sektor vor einem ernsten Problem. Die Folgekosten wären immens, warnt nicht nur Ifoam-Europe- und Bioland-Präsident Jan Plagge.

Diana Schack von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft weist auf ein Zermürben der Verarbeiter zwischen Produzenten und Händlern hin. Sie zahlen hohe Erzeugerpreise und bekommen geringe Verkaufspreise vom Handel. Herstellung und insbesondere handwerkliche Verarbeitung brauchen dringend politische Unterstützung, damit der Bio-Markt weiterkommen kann.

Kostenmanagement gefragt
Naturkostfachhändler müssen ihre Geschäftsmodelle überprüfen. Das empfahl Kommunikationsberater Klaus Braun auf einem Biofach-Forum. Die realisierte Spanne ist zwar in dem betrachteten Zeitraum zwischen 2020 und 2022 stabil geblieben, doch der Umsatz hat im vorigen Jahr abgenommen. Gleichzeitig sind die Kosten für Energie und Personal, die Raumkosten von unter vier auf fünf Prozent gestiegen und damit das Ergebnis gesunken. Braun sieht den kurzfristigen Ausweg darin, weniger Arbeitskraftstunden einzusetzen, die bezahlt werden müssen. Von einer Sortiments- oder Ladenverkleinerung hält er wenig. Gleichzeitig gelte es dringend, neue Konzepte und Strategien für eine Alleinstellung im Bio-Markt zu entwickeln. Diese bedeute aber möglicherweise, mehr als nur Bio-Lebensmittel zu verkaufen.

Dass der Fachhandel seine weitestgehend stabilen und teils niedrigeren Preise als im LEH jüngst nicht dort kommuniziert bekommt, wo sie in der Breite wahrgenommen werden, kann man als verpasste Chance bewerten. Für großangelegte Werbekampagnen stünden keine Mittel zur Verfügung. „Die Stammkundschaft, hat es sowieso mitbekommen“, kommentierte Klaus Braun.

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