Die Biosupermarktkette Vollcorner setzt auf Frische und Regionalität (Fotos: Vollcorner)

"Wir sind halt konsequent"

Interview mit Biokettenchef Willi Pfaff

15.01.2019

Handel aus Überzeugung: Der Biofachhandel galt lange Zeit als Nische für Ernährungsfundamentalisten – bis Biosupermärktketten wie Alnatura und Denn’s auf der Bildfläche erschienen. Willi Pfaff, Chef der Münchner Ladenkette Vollcorner, erklärt, wie man gleichzeitig Idealist und erfolgreich sein kann.

Von Dominik Baur

Herr Pfaff, Sie haben es geschafft, sich regional gegen die Branchenriesen zu behaupten: Mit Vollcorner haben Sie die größte Bioladenkette im Raum München – 18 Märkte, ein Restaurant und eine Weinhandlung. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Willi Pfaff: Unsere Kunden wissen, dass wir aus Überzeugung handeln. Wir sind authentisch. Wir sind mit unserem ersten VollCorner Biomarkt - ein kleiner Laden an der Ecke - vor 30 Jahren angetreten, um die Bio-Bewegung weiter voranzubringen. Das ist bis heute so geblieben. Zunächst ging es uns dabei darum, unsere Bio-Gärtner und Bauern, die wirklich eine großartige Arbeit machen, bei der Vermarktung zu unterstützen. Denn wir glauben, dass unsere Umwelt nur dann eine Zukunftschance hat, wenn unsere Landwirtschaft nach biologischen Prinzipien arbeitet.

Woran merkt der Kunde, dass Sie aus Überzeugung handeln?
Willi Pfaff: Zum Beispiel daran, dass Sie unserem Sortiment nur Produkte finden, die wir mit unseren Werten vereinbaren können. Uns geht es darum, woher kommt das Brot, die Butter, das Müsli. Wie arbeitet das Unternehmen? Wir haben zum Beispiel entschieden, Bio-Marken aus dem Sortiment zu nehmen, wenn sie von Unilever oder Nestlé aufgekauft wurden. Wir wollen unseren Umsatz nicht zu diesen Konzernen tragen. Wir sind halt konsequent in unserem Handeln.

Zur Person

Biokettenchef Willi Pfaff

Willi Pfaff, 58, hat in den Achtzigern in München in einem Demeter-Großhandel gearbeitet, bevor er sich selbstständig gemacht hat. "Ich habe gesehen, dass da zwar viele tolle Idealisten am Werk sind, die aber jetzt nicht so das Know-how mitbringen, was den Lebensmittelhandel angeht." Aber er hatte es. Den ersten Bioladen eröffnet er 1988 mit seiner Schwester und Freunden - auf 70 Quadratmeter. Seit 2000 führt er das Unternehmen mit seiner Frau Birgit Neumann, aus wenigen Läden wird eine Kette, mittlerweile die siebtgrößte des Landes: 18 Filialen, mehr als 400 Mitarbeiter und rund 10.000 Kunden am Tag.


Trotz der Corner im Namen sind Sie selbst ja auch nicht mehr das Biolädchen an der Ecke, sondern mittlerweile eine richtige Kette. Gibt es für Sie eine Grenze des Wachstums?
Willi Pfaff: Grundsätzlich sind wir mit unserer Größe zufrieden. Sie ermöglicht es uns, unabhängig zu sein. Denn um Dinge zu realisieren wie unser VollCorner-Zentrallager, braucht es schon eine gewisse Schwungmasse. Hier in Garching bevorraten wir uns mit besonderen Bio-Lebensmitteln, die wir direkt von den Weingütern und Erzeugern bekommen und über den Großhandel nicht erhältlich sind. Diese Einzigartigkeit spiegelt sich in unserem Sortiment wider. Aber wir wollen in keinen Verdrängungswettbewerb einsteigen und nicht um jeden Preis wachsen. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, einen Biomarkt zu platzieren in einer Ecke von München, wo noch keiner ist, dann prüfen wir das.

Wie sieht denn der typische Vollcorner-Kunde aus?
Willi Pfaff: Gott sei Dank gibt es den nicht. Das ist wirklich ganz querbeet: Studenten, Rentner, Familien, Singles. Vor zehn Jahren waren wir mal etwas überaltert, aber vor allem durch die Vegan-Bewegung hat sich auch das wieder geändert. Natürlich unterscheidet sich die Klientel von Stadtteil zu Stadtteil.

Sie punkten vor allem mit Regionalität ...
Willi Pfaff: Ja, das ist eine Stärke von uns. Wir machen zwei Drittel unseres Umsatzes mit frischen Produkten. Und im Sommer beziehen wir schon mal 60 bis 70 Prozent der Ware in unseren Obst- und Gemüseabteilungen aus der Region.

„Aus der Region“ ist ja ein Begriff, der in den letzten Jahren sehr in Mode gekommen ist – was verstehen Sie darunter?
Willi Pfaff: Regionalität bedeutet für uns: so nah wie möglich, so fern wie nötig. Ein Apfel vom Bodensee ist für uns natürlich regional, weil das größte Apfelanbaugebiet in Süddeutschland ist nun mal der Bodensee. Natürlich verkaufen wir auch gern Äpfel aus Ober- oder Niederbayern, aber die Mengen, die wir brauchen, gibt es hier nicht. 100 Kilometer um München ist ein guter Richtwert, aber wir wollen da nicht dogmatisch sein.

Wie sieht es mit dem berühmten Apfel aus Neuseeland aus?
Willi Pfaff: Manchmal gibt es auch den. Vor ein paar Jahren haben wir mal vier Wochen lang gar keine Äpfel angeboten, als es aus Europa keine mehr gab. Aber das hat nicht funktioniert. Da standen die Mütter bei uns im Laden und haben gesagt: Wenn morgen keine Äpfel da sind, dann gehen wir zur Konkurrenz. Da müssen wir auch Kompromisse machen.

Von wem kommt die Frischware?
Willi Pfaff: Wir haben mit der Tagwerk-Genossenschaft einen sehr guten Partner mit über hundert Bio-Bauern und Gärtnern im Münchner Umland. Und wenn wir einen Erzeuger entdecken und dessen Produkte gern hätten, dann reden wir mit Tagwerk und sagen: Könnt ihr das nicht in euer Lager stellen und für uns mit kommissionieren? Oder wir nehmen es in unser eigenes Lager-Sortiment auf. Auch Käse, Wurst und Fleisch kommt bei uns zu einem großen Teil aus der Region.

Sie arbeiten auch mit regionalen Herstellern zusammen. Mit welchen?
Willi Pfaff: Das sind wirklich viele. Wir haben hier in Unterhaching eine ganz tolle kleine Kaffeerösterei, eine Kelterei vom Ammersee, einen Müller, drei Metzgereien, einige kleinere Molkereien, fünf Bäcker, etliche Imker. Da kommt viel zusammen. Bei den Herstellern ist das mit der Regionalität natürlich etwas komplizierter. Aber wir schauen auch da genau hin, ob die jetzt nur in der Region sitzen oder auch ihre Rohstoffe von hier beziehen.

Inwieweit können sich Ihre Kunden selbst ein Bild von den Erzeugern machen?
Willi Pfaff:
Auf unserer Webseite findet man detaillierte Informationen. Aber auch im Laden stellen wir unsere Erzeuger mit Plakaten vor. Und wenn der Kunde fragt, kann er - zumindest im Frischebereich - zu jedem einzelnen Produkt erfahren, wo es herkommt. Dann machen wir jedes Jahr Kundentouren. Wir haben beispielsweise eine Radltour zum Obergrashof gemacht, einer Demeter-Gärtnerei, mit der wir seit Jahren sehr eng zusammenarbeiten. Da radelten 80 Leute mit. Und wir sind zu unserem Haupteierlieferanten im Pfaffenwinkel, so 50 Kilometer südlich von München, gefahren. Da hatten wir ruckzuck einen Bus voll.

In München gibt es auch Denn’s, Alnatura und Basic. Wie hart ist der Konkurrenzkampf?
Willi Pfaff: Der Kunde weiß selbst, wo er die Prioritäten setzt. Er weiß, bei uns spielen Qualität, Regionalität, Service und Frische eine große Rolle. Grundsätzlich werden die Bandagen schon härter. Jedes Unternehmen ist sich halt selbst am nächsten. Aber es ist noch nicht so wie im übrigen Lebensmitteleinzelhandel.

Wer ist für Sie die stärkste Konkurrenz?
Willi Pfaff: Das kann man gar nicht so sagen - die Konkurrenz reicht vom Discounter bis zum Wochenmarkt. Aber auch Drogerien, auch ein dm, sind für uns Wettbewerber. Und heute kriegt man ja auch im Supermarkt viele Bioprodukte.

Bedauern Sie das?
Willi Pfaff: Nein. Wir sind ja mal für 100 Prozent Bio angetreten, wir wollen ja, dass Bio in die Gesellschaft wandert. Dann dürfen wir uns jetzt auch nicht beklagen. Aber wenn mit den Biolebensmitteln jetzt dasselbe passiert wie mit den konventionellen und die Qualität immer schlechter wird, dann haben wir nichts gewonnen. Wenn ich hochwertige Rohstoffe verwende und in einem guten Herstellungsverfahren unter Berücksichtigung von sozialen Aspekten hohe Qualität produzieren will, dann hat das einfach seinen Preis. Der Lebensmitteleinzelhandel ist heute allerdings so vom Preisdruck bei Erzeugern und Herstellern geprägt, dass die Qualität oft auf der Strecke bleibt. Meine Befürchtung ist, dass die großen Supermärkte auch im Biobereich ihre Macht nutzen werden, um den Preis zu drücken.

Die Siegel von Bioverbänden wie Bioland garantieren dem Verbraucher aber eine hohe Qualität.
Willi Pfaff: Im Fall von Bioland jetzt auch im Discounter. Ich war gestern in einem Lidl-Markt, die hatten ganze sieben Bioland-Produkte. Gleichzeitig haben sie die ganze Stadt zuplakatiert und werben mit der Zusammenarbeit mit Bioland. Ich frage mich, ob der Marketingaufwand da wirklich im Verhältnis zu dem tatsächlichen Angebot steht oder ob sich Bioland da nicht einfach von Lidl für eine große Werbekampagne vor den Karren hat spannen lassen.

Da kommen bestimmt noch mehr Produkte.
Willi Pfaff: Hoffen wir es. Ich will dem auch gern eine Chance geben. Und wenn es dann viele Bauern zum Umstellen auf Bio bewegen sollte, dann wäre das ja eine vernünftige Sache.

Sehen Sie den Fachhandel denn überhaupt bedroht von Discountern? Oder verirrt sich der klassische Lidl-Kunde ohnehin nur selten in einen Vollcorner?
Willi Pfaff: Der Punkt ist ja: Es muss sich noch viel grundlegender etwas ändern. Uns Fachhändler braucht es vor allem auch, um zu zeigen, dass wir die Erzeuger wieder als das wichtigste Glied in der Wertschöpfungskette wahrnehmen müssen. Das ist es, was uns vom konventionellen Handel unterscheidet, und darauf sind wir stolz.

Die Fragen stellte Dominik Baur

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