Für 42 Prozent der Wahlberechtigten spielt das Thema Landwirtschaft eine wichtige Rolle bei ihrer Entscheidung, ergab eine aktuelle Umfrage (Foto: Imago)

Vor der Wahl

Die Programme der Parteien zur Bundestagswahl

30.08.2021

Was ist den Parteien vor der Bundestagswahl die Landwirtschaft und der Ökolandbau wert? Wie sehen sie den Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und den drängenden Herausforderungen bei Artensterben, Klimawandel und Tierwohl? Die Bewerber um die nächste Bundesregierung bemühen sich in ihren Wahlprogrammen sehr unterschiedlich um diese Themen.

Von Annegret Grafen

Foto: Imago

CDU/CSU: Für jeden etwas

Ein Fleißkärtchen für die Union, die außerordentlich viele Buchstaben auf das Kapitel Landwirtschaft verwendet. Die Detailverliebtheit geht so weit, dass die Union verspricht, für Torfersatzprodukte in Gartenbaubetrieben, Paludikulturen, Insektenfarming oder Open-Data-Lösungen für die Landwirtschaft sorgen zu wollen.
Auch der Ökolandbau findet seinen Platz im Programm. CDU und CSU wollen ihn „weiter verlässlich fördern und die Forschungsförderung  verstärken“. Dabei ist auch an die Bio-Lebensmittelhersteller im ländlichen Raum gedacht. Freunde jenseits des Ökosektors dürfte die Union damit gewinnen, dass sie „ergänzend zum Öko-Siegel ein Nachhaltigkeitssiegel für konventionelle Agrarprodukte“ entwickeln will.

Künftig will die Union die Landwirtschaft „aus dem Hamsterrad der permanenten Effizienzsteigerung unter Industriebedingungen befreien“. Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sei ein Systemwechsel erfolgt, dabei streicht die CDU/CSU die weiterhin nötige Einkommenswirkung der GAP heraus. Attraktive Eco-Schemes und Agrarumweltprogramme gehören dazu. Über Strecken liest sich Wahlprogramm der Union allerdings wie eine Erfolgsbilanz der vergangenen Jahre: Die Tierhaltung gehört zu den besten der Welt, die Borchert-Kommission hat gute Arbeit geleistet, der Ausstieg aus dem Kükentöten ist geschafft, die Landwirtschaft trägt schon heute viel zum Artenschutz bei und hat die Treibhausgasemissionen relevant reduziert.
Für noch mehr Effizienz und Umweltverträglichkeit sollen Digitalisierung und neue „molekularbiologische Züchtungstechnologien“ sorgen. Was neue Gentechniken betrifft, will sich CDU/CSU „für eine Modernisierung des europäischen Rechtsrahmens“ einsetzen.
Daneben steht die Union für ein verpflichtendes, europäisches Tierwohllabel. Handeln will sie auch beim Wolf. Seine Population soll auf ein „insgesamt akzeptables Niveau einreguliert“ werden.

Bündnis 90/Die Grünen: Versöhnlich

Bündnis 90/Die Grünen wollen Klima-, Umwelt-, Tier- und Gewässerschutz und landwirt¬schaftliche Erzeugung versöhnen. Leitbild ist eine „sich weiterentwickelnde ökologische Landwirtschaft mit ihren Prinzipien Tiergerechtigkeit, Gentechnikfreiheit und Freiheit von chemisch-syn¬thetischen Pestiziden“. Der Ökolandbau soll intensiv gefördert werden, Ziel sind 30 Prozent Ökofläche bis 2030.
In Regierungsverantwortung will die Partei die EU-Agrarpolitik gründlich reformieren. Bis 2028 soll mindestens die Hälfte der Agrargelder für die Honorierung gesellschaftlicher Leistungen reserviert sein.

Zum Wahlprogramm der Grünen gehört eine Pestizidreduktions¬strategie, dazu eine Abgabe auf Pflanzenschutzmittel. Die Partei will traditionelle und ökologische Züchtungsverfahren stärken. Für gentechnische Verfahren soll die Freiheit der Forschung auf der einen, der Ausschluss von Risiken auf der anderen Seite gelten: „Wir werden daher an einem strengen Zulassungsverfahren und am europäisch verankerten Vorsorgeprinzip festhalten“, heißt es im Wahlprogramm.
Auch Maßnahmen gegen die Bodenspekulation finden sich im Programm. Die restlichen BVVG-Flächen sollen vorzugsweise an ortsansässige, bäuerliche Betriebe und Existenzgründer verpachtet werden. Zu den selbstgestellten Aufgaben gehören gute Arbeitsbedingungen und tarifliche Löhne in der Land- und Lebensmittelwirtschaft.
Für das Tierwohl wollen die Grünen eine Flächenbindung der Tierhaltung und Bestandsobergrenzen einführen. Neue Ställe sollen so gebaut werden, dass die Tiere mindestens entsprechend der EU-Ökoverordnung gehalten werden können. Den tiergerechten Umbau von Ställen will die Partei mit einem Tierschutz-Cent auf tierische Produkte finanzieren. Digitalisierung ist nützlich, so denken auch die Grünen, sie muss aber auch kleinen Betrieben offenstehen und bezahlbar sein.

SPD: Die soziale Ader

Die SPD hat sich in ihrem Wahlprogramm vergleichsweise wenig Arbeit mit dem Thema Landwirtschaft gemacht, die Aussagen bleiben im Allgemeinen. Man findet das Stichwort „Landwirtschaft“ im Abschnitt „Natur respektieren“; die Suche nach „Ökolandbau“ ergibt keinen Treffer.
Die Sozialdemokraten wollen den Einsatz von Dünger und Pestiziden verringern, sie wollen zugunsten des Klimas bestehende Moore schützen und trockengelegte wiedervernässen. Gentechnisch veränderte Pflanzen sollen keinen Platz auf den Feldern finden.

Als Teil der Regierung will die SPD die Agrarförderung so ausrichten, dass eine „umweltschonende Landwirtschaft“ im Wettbewerb mithalten kann. Bäuerinnen und Bauern sollen für hochwertige Lebensmittel faire Preise bekommen. Als sozial engagierte Partei setzt die SPD Akzente auf gute Arbeitsbedingungen und anständige Löhne für die Beschäftigten in der Land- und Lebensmittelwirtschaft. Neben der Linken und Bündnis 90/Die Grünen will auch die SPD Landwirtschaftsflächen vor Spekulation bewahren. Das Tierwohl findet besondere Beachtung im Wahlprogramm, die Partei will eine flächenbezogene Obergrenze in der Tierhaltung. Ein staatliches verpflichtendes Tierwohllabel soll eingeführt und der Antibiotikaeinsatz reduziert werden.

FDP: Viel zu tun

„Nie gab es mehr zu tun“, heißt das Wahlprogramm der FDP. Nach einer Umfrage wollen viele Landwirte im September die FDP anstelle der Union wählen.
Der Ökolandbau kommt im Wahlprogramm der FDP nur insoweit vor, als dass er und die konventionelle Landwirtschaft keine Gegensätze seien. Der Begriff „ökologisch“ macht sich im Programm rar – und findet sich ausgerechnet beim Angeln. Angeln sei sozial, kulturell, ökologisch und ökonomisch wertvoll, dieser These ist ein eigener Abschnitt gewidmet. Genug gespottet: Auch der Erhalt der Artenvielfalt ist „zugleich öko¬logisch, ökonomisch und medizinisch sinnvoll und notwendig“. Die Freien Demokraten wollen das Artensterben „bestmöglich verhindern“.

Die FDP will die Landwirte unabhängig von Subventionen machen und daher weg von flächenbezogenen Direktzahlungen. An ihre Stelle sollen „zukunftssichernde“ Inves¬titionen und Forschung treten. Marktwirtschaft und Preise sollen die Einkommen der Bauern und Bäuerinnen regeln. Gegen die Auswirkungen des Klimawandels will die FDP die Landwirte mit eigenverantworteten, steuerbefreiten Risikorücklagen rüsten.
Die Freien Demokraten plädieren ebenso wie die Union für ein verpflichtendes europäisches Tierwohllabel. Darüber hinaus brauche es digitale Fortschritte in der Landwirtschaft. Für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen soll es „aktuelle und wissen¬schaftlich basierte Zulassungskriterien“ geben.  Die Gen¬technik eröffne der Landwirtschaft neue Möglichkeiten, um Böden zu schonen, Biodiversität zu fördern und die Effizienz zu erhöhen. Eine Landwirtschaft, die nachhaltig ist, wird in den Augen der FDP am besten durch Vertragsnaturschutz erreicht.

Die Linke: Gerecht und solidarisch

Die Linke will eine sozial gerechte und auf das Gemeinwohl orientierte Landwirtschaft fördern. Ihrem Wesen gemäß steht die Partei für gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne in der Land- und Lebensmittelwirtschaft.
Die EU-Agrarpolitik soll grundlegend reformiert, die Zahlungen konsequent an ökologische und soziale Kriterien gebunden werden. Die Linke will den Ökolandbau bis 2030 auf mindestens 25 Prozent der Agrarfläche ausbauen und genossenschaftliche Landwirtschaft, Formen der solidarischen Landwirtschaft sowie Erzeuger- und Vermarktungsgemein¬schaften besonders unterstützen.

Auch die Linke wendet sich gegen den Aufkauf von Landwirtschaftsflächen durch landwirtschaftsfremde Investoren. Die Partei will den öffentlichen Besitz an Agrarflächen fördern und einen öffentlichen Bodenfonds einführen. Ein novelliertes Bodenrecht soll diese Anliegen unterstützen.
Die Partei spricht sich für ein Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft aus, dazu zählt sie ausdrücklich auch die neuen gentechnischen Methoden. Die Verwendung von Pestiziden will die Linke einschränken. In der Tierhaltung sollen die Tierzahlen an die Fläche gebunden werden und es soll Bestandsobergrenzen geben.

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