Wunderwerk Kuh: Es braucht Milliarden Helferlein im Rinderbauch, um aus Gras Milch herzustellen (Foto: Sonja Herpich/Bioland)

Vom Gras zur Milch

All you can eat von der Weide bis zum Labmagen

12.10.2022

Während wir Menschen mit Grünland nur wenig anfangen können, bieten Weiden den Kühen quasi ein All-you-can-eat-Büfett. Aus dem Futter ziehen sie wertvolle Energie, die sie für die Milchproduktion dringend brauchen. Doch wie funktioniert das eigentlich?

Von Sinah Pross

Kühe können etwas, was Menschen nicht können: Gras verdauen und daraus Energie ziehen. Um die 20 Kilogramm fressen sie pro Mahlzeit. Mit ihrer Zunge reißen die Rinder Grasbüschel um Grasbüschel ab und schlucken das Futter kaum gekaut herunter. Das macht Schneidezähne im Oberkiefer überflüssig. Die Wiederkäuer haben somit nur im Unterkiefer eine vollständige Zahnreihe. Im Oberkiefer gibt es lediglich die Backenzähne, anstelle der Schneidezähne ist eine Kauplatte zu finden.
Vom Schlund (der Speiseröhre) gelangt das Futter in den ersten der vier Mägen – den Pansen. Hier passiert einiges. Milliarden von Mikroben wie Bakterien, Hefen und Wimperntierchen arbeiten daran, das Futter mithilfe von Enzymen zu zersetzen. Dabei werden 100 Milliarden Mikroorganismen pro Milliliter Pansenfüllung benötigt.

 

Milliarden Helferlein übernehmen wichtige Vorarbeiten

 

Bedenkt man, dass die Kuh einige Kilo pro Mahlzeit frisst, lässt sich nur erahnen, wie unglaublich viele Mikroben im Pansen arbeiten. Wurde das Futter zersetzt, fängt es im Pansen an zu gären. Sauerstoff gibt es in diesem Magen keinen, weshalb durch Fermentierung literweise Fettsäuren entstehen, vor allem Essigsäure, ganze vier bis sechs Liter täglich.

 

Im Pansen werden wichtige Nährstoffe wie Fette und Säuren extrahiert und direkt in den Blutkreislauf geleitet.

 

Daraus schöpft die Kuh Energie. Diese gelangt durch Blutgefäße vom Pansen in die Leber und von dort über das Blut ins Euter. Dabei benötigt die Kuh zwischen 300 und 500 Liter Blut, um einen Liter Milch zu produzieren.

 

Eine Badewanne fasst etwa 150 Liter. Es braucht also etwa die Blutmenge von drei Badewannen, um einen Liter Milch herzustellen.

 

Vom Pansen gelangt der Futterbrei in den Netzmagen. Dieser funktioniert ähnlich wie ein Sieb: Nur Futter, das klein genug ist, wird vom Netz- in den Blättermagen geleitet. Sind die Futterbestandteile noch zu groß, würgt die Kuh sie mit Unterdruck den Schlund wieder hinauf und kaut sie wieder. Im Blättermagen verliert das Futter einen Großteil des Wassers.

Schließlich kommt das Futter im letzten der vier Mägen an – dem Labmagen. Hier beginnt die eigentliche Verdauung. Mit seinen Drüsen und dem hohen Säuregehalt ist er unserem Magen sehr ähnlich. So gelangt der Futterbrei vom Labmagen über den Dünn- in den Dickdarm. Alles, was für das Rind nicht mehr verwertbar ist, kommt als Kuhfladen hinten wieder heraus. Und was die Kuh nicht mehr braucht, dient wiederum den Landwirt*innen, die mit dem tierischen Wirtschaftsdünger ihre Weiden und Felder in Schuss halten. Das ermöglicht eine Kreislaufwirtschaft, die die Grundlage des Biolandbaus bildet und in unseren sieben Prinzipien verankert ist.

Auf das Futter kommt es an

Auf dem Speiseplan der Kuh stehen bei Bioland vor allem Gras und Kräuter: Frisch von der Weide, getrocknet als Heu oder als Silage (gegärt) verwerten Kühe, was der Mensch nicht gebrauchen kann. Dabei wirkt sich das Futter auch auf den Geschmack und die Farbe der Milch aus. Frisches Gras und frische Kräuter (vor allem im Sommer verfüttert) geben der Milch einen leicht gelblichen Farbton und der Geschmack unterscheidet sich gegenüber der Silage- und Heu-Fütterung – besonders im Winter. Schon mal Sommer- und Wintermilch getrunken? Frag mal beim Bioland-Hof bei dir um die Ecke nach.


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