Der Hofladen "Speisekammer" will möglichst verpackungsfrei arbeiten (Foto: privat)

Schluss mit Tüte, Büchse, Müll

Unverpacktes vom Hof

28.05.2019

Produkte ohne Verpackung einzukaufen liegt im Trend. Direktvermarkter könnten ihn für sich entdecken.

Von Annegret Grafen

In einem Hofladen gibt es Kartoffeln, Gemüse und Obst - selbstverständlich unverpackt. Dazu Milchprodukte und Säfte im Pfandglas sowie Getreide aus dem Sack. Der Hofladen ist gewissermaßen die Wildform des Unverpackt-Ladens. Hier kann der Kunde auch Thekenware wie Käse und Wurst oder Trockenprodukte wie Mehl und Müsli ohne Tüte kaufen.
Die Unverpackt-Welle rollt. Anbieter von Weckgläsern erleben nach Jahren schwindender Nachfrage einen neuen Boom. Mehr als hundert Unverpackt-Läden gibt es bereits in Deutschland, die meisten in Städten. Aber auch die landwirtschaftlichen Direktvermarkter beginnen, sich für das Konzept zu interessieren. "Das Thema ist für unsere Kunden enorm wichtig geworden", sagt Marianne Sump, Vertriebsassistentin beim Bio-Großhändler Grell Naturkost in Schleswig-Holstein. Dort macht man sich schon länger Gedanken um Unverpackt-Konzepte. Unter den Interessenten seien neue Läden, die komplett verpackungsfrei arbeiten wollen, aber auch Stammläden des Großhändlers, die ausgesuchte Produkte neuerdings ohne Verpackung anbieten.

 

Kunden füllen Produkte in mitgebrachte Gläser ab (Foto: Annegret Grafen)

 

Eine, die sich sehr für Verpackungseinsparung interessiert, ist Wiebke Brinkmann-Roitsch in Lage in Nordrhein-Westfalen. Vor zwei Jahren haben sie und ihre Familie einen neuen Hofladen in der "alten Deele", wie es im Westfälischen heißt und die Diele eines großen Bauernhauses bezeichnet, eingerichtet. Dort bieten sie ihre eigenen Erzeugnisse wie Gemüse, vielfältige Kartoffelsorten und Getreide, darunter verschiedene Urgetreide an. Ergänzt wird das durch Milchprodukte und ein vollständiges Naturkostsortiment, das die Ladnerin bei Bio-Höfen, -Mühlen und im Großhandel einkauft. Der Kunde soll hier alles finden, was er für seinen täglichen Bedarf braucht. Außer Fleisch und Wurst, das verkauft die Bäuerin aus Überzeugung nicht. Dafür Waschmittel, weil die Kunden sich das gewünscht haben, und selbst das: unverpackt.

 

Frei von Verpackungsmüll ist in der Speisekammer, wie der Hofladen heißt, etwa 90 Prozent der Ware. Milchprodukte, Säfte und Ähnliches werden in Pfandflasche oder -glas angeboten, der große Rest in Gefäßen, aus denen der Kunde sich die Ware selbst abfüllen kann. "Wir haben uns im Vorfeld einige Unverpackt-Läden angeschaut", erzählt Brinkmann-Roitsch, "schließlich haben wir uns für Glasspender entschieden." Die sind zwar relativ teuer, doch Kunststoff hätte nicht in die Fachwerkdiele gepasst. In den Spendern können sich die Kunden Hülsenfrüchte, Saaten, Nüsse, Müslis und seltene Getreide wie Waldstaudenroggen oder Rotweizen abfüllen.

 

Andere Getreide und Mehle liegen in großen Sauerkrauttöpfen samt einer Schaufel bereit. Nudeln gibt es in Gastronormbehältern. Insgesamt 25 Glassilos hängen im Laden, dazu einige Dreierspender aus Plexiglas und Holz. "Lediglich an Öle haben wir uns noch nicht herangetraut", sagt die Ladnerin. Die gibt es noch in Einweg-Glasflaschen. Zudem eine regionale Milch und Pflanzenmilch im Tetrapack.

Grundsätzlich darf ein Ladner offene Ware aus der Theke wie Wurst, Käse oder Salate in mitgebrachte Behältnisse der Kunden packen. Allerdings darf die Dose des Kunden dabei nicht in Kontakt mit der Theke gelangen, wo sie die Ware mit mitgebrachten Keimen verunreinigen könnte. Gelöst wird das Problem meist mit einem Tablett, auf dem der Kunde sein Behältnis ablegt. Brinkmann-Roitsch hatte eine andere Idee: "Wir haben die Waage neben der Käsetheke platziert, dort wo der Kunde seine Ware zum Abkassieren ablegt." Dort kann er sein Behältnis auf die Waage legen und mit dem gewählten Käse befüllen lassen, "das ist außerhalb des Hygienebereichs." Von der Kasse aus kann das Verkaufspersonal auch die Abfüllregale überblicken, das ist wichtig, damit alles immer sauber ist und rechtzeitig nachgefüllt wird.

Große Gläser erlauben auch einen geuanen Blick aufs Produkt (Foto: Annegret Grafen)

 

Obwohl Brinkmann-Roitsch aus eigenem Impuls und nicht auf Kundenwunsch ihren Hofladen als Unverpackt-Laden eingerichtet hat, sind ihre Kunden sehr angetan. Gegenüber den Unverpackt-Läden in der Stadt hat der auf dem Dorf einen Vorteil: Kunden, die verpackungsfrei einkaufen, kaufen gerne auch größere Mengen auf Vorrat und auf dem Bio-Hof Brinkmann kann man direkt vorm Laden parken. "Mit unserem Laden ziehen wir eine ganz neue Klientel an", beobachtet Brinkmann-Roitsch, "das sind keine klassischen Bio-Kunden, sondern solche, die das Thema Unverpackt toll finden. Die noch nie in einem Bio-Laden waren, aber das mal ausprobieren wollen."
Die Ladnerin steckt aber auch viel Mühe in Werbung und Information. Die Ware ist erklärungsbedürftig. Wie bewahrt der Kunde daheim größere Mengen offenes Getreide oder Mehl am besten auf, wie merkt er sich die Kochzeit der Nudeln, wenn sie nicht auf der Verpackung steht? "Da ist viel Kommunikation dabei", erzählt Brinkmann-Roitsch, "das ist kein anonymes Einkaufen."

 

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