Im ehemaligen Kuhstall der Familie Moser entstehen heute Dinkelnudeln (Fotos: Dinkelnudeln Moser)

Pasta alla Kuhstall

Wie Familie Moser auf die Dinkelnudel kam

09.11.2020

Vor 50 Jahren brachte Hans Mosers Vater den Dinkel zurück ins Allgäu. Das Getreide schlug Wurzeln – in der Region und der Familie. Heute wird der Dinkel im ehemaligen Kuhstall zu Nudeln verarbeitet und hat es so sogar in den Firmennamen geschafft: Dinkelnudeln Moser.

Von Désirée Thorn

Mit Maschinen kennt sich Hans Moser aus. Er ist schließlich gelernter Elektromechaniker. Aber mit Nudeln? Mit denen hatte er abseits des heimischen Esstischs keine Berührungspunkte. Bis zum Jahr 1990. Damals waren die Mosers auf der Suche nach neuen Absatzwegen für ihren Dinkel. Hans Moser und seine Frau Marianne hatten rund zehn Jahre zuvor den Betrieb von Mariannes Eltern in Jengen im Ost-Allgäu übernommen und gleich doppelt umgestellt – von Milchvieh auf Ackerbau, von konventionell auf bio.
Damit trat Hans Moser in die Fußstapfen seines Vaters, der im Nachbardorf Getreide anbaute – und das schon seit 1956 auf ökologische Art und Weise. Eine außergewöhnliche Entscheidung zu dieser Zeit. "Das war nicht einfach", erinnert sich Hans Moser. "Mein Vater wurde ausgelacht. Auch als Marianne und ich umgestellt haben, wurde uns prophezeit, dass es unseren Betrieb nicht mehr lange gibt." Trotzdem kam es für die Mosers nie infrage, konventionell zu arbeiten: "Bio oder aufhören – es gab sonst keine Optionen."

 

Im Jahr 2006 hat Tobias Moser den gesamten landwirtschaftlichen Bereich von Vater Hans übernommen und kümmert sich seitdem auch um den Dinkel.

 

 

"Oberkulmer Rotkorn" nennt sich die Dinkelsorte, die Familie Moser anbaut und verarbeitet - eine Ursorte, die besonders für Weizenallergiker geeignet ist.

 

 

Eine Familie - ein Team: Tobias, Gerhard, Marianne und Hans Moser (von links).

 

Doch nicht nur im Ökolandbau war Hans Mosers Vater Vorreiter: Er machte den Dinkel im Allgäu wieder heimisch. 50 Jahre lang hatten die Bauern dort keinen Dinkel mehr angebaut, stattdessen auf ertragreicheren Weizen gesetzt – und dazu ziemlich viel Kunstdünger gebraucht. Keine Option für die Ökobauern.
So setzten auch Marianne und Hans auf Dinkel. Genauer gesagt auf "Oberkulmer Rotkorn", eine Ursorte, die auch für Weizenallergiker gut verträglich ist. Ihr Getreide verkauften die Mosers direkt ab Hof, die Kunden backten daraus eigene Brote. Als immer mehr Bio-Bäckereien aufkamen und auch Vollkornbrote anboten, brauchten die Mosers ein neues Steckenpferd – und fanden es in einem ganz anderen Produkt.

Auf neuen Wegen

Ein Vertreter führte dem Ehepaar eine Nudelmaschine vor und da stellte sich der buchstäbliche Aha-Effekt ein. "Wenn man aus Dinkel gutes Brot machen kann, kann man auch gute Nudeln machen", war sich Hans Moser sicher. Die Mosers kauften eine kleinere Haushaltsmaschine und starteten die Produktion, zuerst nur für die Familie, dann auch für die Kunden. Und die Nachfrage stieg.
Eine industrielle Maschine musste her. "Das war ein riesen Schritt. Ich wollte beinahe noch einen Rückzieher machen", erzählt Hans Moser. Doch der Mut zahlte sich aus. Bis heute – fast 30 Jahre später – läuft die große Nudelmaschine. Nicht zuletzt dank Hans Mosers handwerklichem Händchen.

In etwa so wie ein Fleischwolf sieht die Maschine aus, durch die der Teig zur Nudel gepresst wird.

 

Im alten Kuhstall rattert es inzwischen zweimal in der Woche ab 5.30 Uhr. Dinkelmehl rieselt aus dem Silo und wird mit Wasser vermischt. Ab jetzt übernimmt die Maschine die Arbeit – natürlich mit menschlicher Unterstützung. Der Teig wird ordentlich geknetet und dann durch unterschiedliche Formen gepresst – ähnlich wie bei einem Fleischwolf. Heraus kommen Spirelli, Penne, Rigatoni und was das Nudel-Herz sonst noch begehrt. Mehr als zehn Stunden lang ohne Pause. 1200 Kilogramm Mehl verarbeitet der Bioland-Betrieb an einem Tag.
Anschließend müssen die Nudeln zwischen 20 und 30 Stunden lang trocknen, bevor sie verpackt werden können. Auch dabei haben die Mosers maschinelle Unterstützung. Ein Förderband fährt die Nudeln zur Waage. Automatisch wird die fertige Pasta portioniert, verpackt und verschlossen. Fertig.

 

Naja fast. Die Nudeln wollen ja noch vermarktet werden. Auch da bewiesen die Mosers Pioniergeist. Während es 1998 in den meisten Haushalten noch nicht einmal schnurlose Telefone, geschweige denn einen Computer gab, richtete die Familie schon ihren ersten Online-Shop ein. "Ich sehe den Online-Auftritt als die beste Werbung", sagt der 65-Jährige.

Nachfrage steigt und steigt

Deutlich gestiegen ist der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr – natürlich unter anderem wegen der Corona-Krise, aber auch dank einer neuen Kundengruppe mit steigender Anzahl: den Unverpackt-Läden. Da bleibt nicht mal Zeit, um das Sortiment zu erweitern. „Bei der aktuellen Nachfrage, haben wir mit der Produktion alle Hände voll zu tun.“, sagt Hans Moser.
  Auch der Rohstoff Dinkel wird irgendwann knapp. "Oberkulmer Rotkorn ist nicht unbegrenzt verfügbar", sagt Hans Moser. "Aber für uns kommt nur diese Dinkelsorte infrage. Neben unseren bisherigen Lieferanten sind wir weiterhin auf der Suche nach Landwirten, die diesen speziellen Dinkel für uns anbauen.“
Rund  30 Nudelsorten bieten die Mosers an. Dabei werden nicht alle auf dem Hof produziert, zum Beispiel die Eiernudeln. "Dazu bräuchte ich einen EU-zertifizierten Ei-Aufschlag-Raum", erklärt Hans Moser. Deshalb entstehen die Eiernudeln genauso wie die empfindlichen Spaghetti bei einem benachbarten Kollegen.

 

Mithilfe unterschiedlicher Aufsätze bekommen die Nudeln ihre klassische Form.

 

 

Nach der Produktion müssen die Nudeln zuerst 20 bis 30 Stunden lang in solchen Kisten trocknen.

 

 

Dann hilft eine Maschine bei der Portionierung.

 

 

Über ein Förderband geht's für die Nudeln hoch hinaus.

 

 

Bevor sie dann fertig portioniert in einer Tüte landen.

 

 

Sohn Gerhard wird die Nudelproduktion künftig von seinen Eltern übernehmen.

 

Während Spaghetti zu den beliebtesten Nudelsorten der Kunden gehören, machen die Eiernudeln nur rund 5 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Die meisten Kunden greifen zu den hellen Dinkelnudeln. Etwa ein Viertel der verkauften Pasta besteht aus dunklem Vollkornmehl.
Bei so einer starken Nachfrage ist natürlich inzwischen die ganze Familie involviert. Sohn Tobias hat schon 2006 den gesamten landwirtschaftlichen Bereich übernommen. Dessen Frau Claudia kümmert sich um den Versand der Nudeln. Und der jüngere Sohn Gerhard wird ab 2021 die Nudel-Produktion übernehmen. Aber Hans und Marianne stehen natürlich weiter mit Rat und Tat zur Seite, denn: "In der ersten Zeit gibt's noch viel zu lernen." Der Pioniergeist ist jedenfalls jetzt schon in der neuen Generation zu spüren: Statt auf Plastikverpackungen setzen die Mosers inzwischen immer häufiger auf Papier.

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