Anna Ostermeier hat mit ihrem Mann Jörg den Hasenberghof in Adelsried umgekrempelt (Foto: Hasenberghof)

Alles auf Anfang

Mutmacher: Wie die Hasenbergbauern den Hof umkrempelten

03.06.2020

Anna und Jörg Ostermeier haben den Hasenberghof komplett auf den Kopf gestellt. Statt den elterlichen konventionellen Milchviehbetrieb weiterzuführen, bauten sie vor fünf Jahren ihren eigenen Bioland-Legehennenstall auf. Eine Entscheidung, mit der sie es sich nicht gerade leichtgemacht haben, aber hinter der sie bis heute voll und ganz stehen können.

Von Isabella Jenicek

„Hasenberghof. Von Natur aus biologisch“ steht auf dem holvertäfelten Stall-Neubau mit dem roten Dach in Adelsried. Umsäumt wird das Gebäude von Freiläufen, auf denen sich die Hofbewohner tummeln:  Legehennen, die man munter zwischen Bäumen und Gestrüpp scharren und picken sieht. Noch bis vor ein paar Jahren sah der Hasenberghof ganz anders aus: Über mehrere Generationen hinweg wurden auf dem ursprünglichen Hof innerhalb Adelsried Milchkühe in konventioneller Anbindehaltung gehalten. Bis Anna und Jörg Ostermeier den Betrieb übernahmen. Das Ehepaar, das inzwischen den einjährigen Sohn Max hat, entschloss sich, den alten Hof weitgehend aufzugeben und stattdessen ihren eigenen, tierwohl-gerechten Legehennen-Stall als Aussiedlerhof am Rande von Adelsried zu bauen.

 

Der Hof am Hasenberg (Foto: Isabella Jenicek)

 

 

Bei der Konstruktion wurde auf eine umweltverträgliche und ansprechende Bauweise geachtet (Foto: Isabella Jenicek)

 

 

Die Bewohner des Hasenberghofs lernt man draußen gleich kennen (Foto: Isabella Jenicek)

 

 

Wo Bauhütte drauf steht, ist eigentlich der Hofladen drin. Wöchentlich wird hierin direkt verkauft (Foto: Isabella Jenicek)

 

Die beiden Hasenbergbauern kennen sich bereits aus dem Adelsrieder Schulbus. Und sie teilten auch schon früh ihre Leidenschaft für die Landwirtschaft. Regelmäßig halfen sie auf dem Hof von Jörgs Eltern, dem damaligen Hasenberghof, aus. Schließlich studierten sie beide Landwirtschaft, hatten aber nie im Sinn, mal selbstständig einen eigenen Hof zu führen. Stattdessen arbeiteten sie in verschiedenen Jobs - und waren damit auch ganz glücklich.

Ein alles verändernder Almsommer

Bis zum gemeinsamen Almsommer im Jahr 2014. Anna und Jörg merkten, dass ihnen der Umgang mit Tieren fehlte. Außerdem stellten sie fest, wie gut sie doch zusammenarbeiten können. Die Idee entstand, gemeinsam einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen.
Die Bio-Bewirtschaftung war dabei für Anna eine klare Voraussetzung. „Ich kann nichts Anderes machen. So habe ich das Jörg auch gesagt: ‚Entweder es wird ein Bio-Stall oder du suchst dir eine andere Frau.‘ “, erzählt sie. „Ich habe mir konventionelle Betriebe angeschaut, und ich kann und möchte das nicht. Ich brauche Bio, damit es mir gut geht.“
Damit war klar: Den elterlichen Hasenberghof können und wollen die beiden so nicht weiterführen. Jörgs Eltern zeigten sich unkompliziert. „Nach der Hofübergabe wurde gesagt ‚Jetzt ist's euers. Fertig!‘. Hut ab, dass sie das so mitmachen“, sagt Anna. Die Eltern und Verwandten stehen hinter den Entscheidungen der neuen Generation. Sie helfen täglich aus und freuen sich, dass der Hasenberghof weiterbesteht – wenn auch komplett anders.

Das Hofladen-Häusl

Aus Not heraus entstanden als Eier gelegt wurden, aber noch keine Schachteln da waren: das Hofladen-Häusl (Foto: Isabella Jenicek)


Das kleine Hofladen-Häusl vor dem Stall des Hasenberghofs ist eigentlich aus der Not entstanden: Die Hühner der Ostermeiers legten ihre Eier früher als gedacht - nämlich sofort von Anfang an. Zu diesem Zeitpunkt gab es auf dem Hasenberghof noch keine Eierschachteln. Kurzerhand stellten die Hasenberg-Bauern ein Schild auf und verbreiteten auf Facebook, dass Eier abholbereit sind. So waren schnell alle frischen Eier vergriffen. Seitdem bieten die Ostermeiers in dem kleinen Hofladen-Häusl, welches weiterhin die Bezeichnung „Bauhütte“ trägt, jede Woche den Direktverkauf an. Dabei stellen sie immer wieder fest, dass man sehr gut mit den Kunden ins Gespräch kommen kann und diese ein großes Interesse an den Themen Ernährung, Landwirtschaft und Lebensmitteln mitbringen. „Mir ist schon wichtig, dass ich hier nicht nur ein Ei verkaufe, sondern auch ein Stück weit Aufklärung betreibe“, erklärt Anna. Obwohl der Hofladen so nicht geplant war, läuft es dort nun richtig gut. Der Hofladen ist inzwischen auch freitags geöffnet und bietet neben den hofeigenen Eiern auch das Fleisch der Brüderhähne und andere regionale Produkte.


Der neue Hasenberghof besteht aus zwei separaten Ställen, die spiegelverkehrt aufgebaut sind. In einem Stall leben 3.000 Hühner, die sich auf der sehr weitläufigen Fläche verteilen. Jeder Stall hat einen Wintergarten, der zur Weidefläche führt. Im Stall haben die Hühner auf den Stangen und in den Volieren die freie Schlaf- und Sitzplatzwahl.

Aufs Huhn gekommen

Dass sich Anna und Jörg dazu entschieden, Legehennen zu halten, war einer dieser Zufälle des Lebens. Während dem Studium und darüber hinaus hatten die zwei relativ wenig über Hühnerhaltung erfahren. Zufälligerweise schaute sich ein Freund der beiden damals nach Legehennen-Ställen um - und brachte sie so aufs Huhn. Sie besichtigten einige Hühnerställe, um sich ein Bild von der Praxis zu machen – und wurden positiv überrascht. Anfängliche Vorurteile gegenüber der Hühnerhaltung wandelten sich schnell in Begeisterung um.

Der Tagesrhythmus der Hasenberg-Hühner (Quelle: Hasenberghof)

 

Und die spürt man immer noch: Die Hasenbergbauern beschäftigen sich viel mit den Tieren, haben recherchiert und Praxisbetriebe besucht, sodass sie die Vorlieben und Angewohnheiten ihrer Hühner in- und auswendig kennen. „Das ist eine spannende Tierart, die ganz anders tickt. Hühner haben einen so getakteten Tagesrhythmus und feste Rituale – nach ihnen kann man den Wecker stellen“, erklärt Anna. Nach den besonderen Bedürfnissen ihrer Hühner bauten sie ihren ganz individuellen Hof – und machten dabei natürlich auch ein paar Dinge anders.

 

Aber hinter so einem Plan steckt auch eine Menge Arbeit. Eineinhalb Jahre lang beschäftigten sich die beiden mit der Bürokratie hinter dem Projekt. Und knapp drei Jahre lang dauerte es, bis das erste Huhn den Hasenberghof bewohnte. "So ein Vorhaben ist nicht zu unterschätzen. Da braucht man schon ein gewisses Durchhaltevermögen", sagt Anna. Beim Bau des Stalls von 2016 bis 2017 war die ganze Familie gefragt. „Die Zeit war hart, aber man ist auch sehr zusammengewachsen“, erinnert sich Anna.

 

Der Stall bietet den Hühnern extra viel Platz, Sitz- und Schlafmöglichkeiten (Foto: Hasenberghof)

 

 

Damit's den Hühnern gut geht: 2000 Pappeln pflanzten Anna und Jörg als Schutz vor Sonne und möglichen Fressfeinden im Freilauf (Foto: Hasenberghof)

 

 

Heute raus oder rein? Der Wintergarten bietet einen Übergang zwischen Freilauf und Stall (Foto: Hasenberghof)

 

 

Eigene Vermarktung in der Hasenberghof-Schachtel (Foto: Hasenberghof)

 

 

Die Abpackung stellte sich schnell als arbeitsaufwendiger heraus als erwartet (Foto: Isabella Jenicek)

 

 

Beim Abpacken werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von einer Sortiermaschine unterstützt (Foto: Isabella Jenicek)

 

"Zur Selbstständigkeit gehört auch so manche schlaflose Nacht", ist Anna überzeugt. "Jeder, der einen solchen Schritt geht, macht auch eine schwere Phase durch. Das ist normal und irgendwo auch gut so. Es ist ja immerhin ein Unternehmen, das man gründet. Aber die Phase muss man durchstehen. Wir wussten von vornherein, dass es anstrengend wird, und dann heißt es: Augen zu, Zähne zusammenbeißen und jetzt mach wirs!“

Noch nicht am Ende

Seit 2017 die ersten Hühner einzogen sind, haben sich die Abläufe im Stall gut eingespielt. Auch den Arbeitsaufwand für den Stall, die Hühner und den Ackerbau haben die Hasenbergbauern größtenteils gut einschätzen können. "Mit dem Hof haben wir uns viel Arbeit gekauft. Aber wir können nun aus vollem Herzen sagen: Wir machen das, was wir machen wollen – zu hundert Prozent. Wir leben hier unseren Traum." Die Jahre, in denen Anna und Jörg „nur Dreck, Ausgaben und Baustelle sahen“, haben sich für sie gelohnt. Ihre Visionen sind aber noch nicht am Ende. „Da kommt schon noch was“ verrät Anna, „Wir möchten uns weiter im Hasenberghof verwirklichen.“

Annas Mutmacher-Tipp

„Sich trauen, neue Wege zu gehen und das umsetzen, was man will – aber nicht blauäugig drangehen", rät Anna. Wenn man Interesse an einer Selbstständigkeit in der Landwirtschaft hat, sollte man sich ihrer Meinung nach zuallererst gründlich mit dem Thema, Rahmenbedingungen, Chancen und Risiken auseinandersetzen. Selbstständig einen Hof zu führen, bedeute vor allem Arbeit und Selbstverantwortlichkeit. Dazu gehöre auch eine Sieben-Tage-Woche ohne Feiertage oder in der Saison Arbeitszeiten bis 23 Uhr.

Anna verkauft hier mit familiärer Unterstützung die hofeigenen Produkte, Bruderhähne und weitere regionale Produkte (Foto: Hasenberghof)

 

Anna und Jörg haben sicherlich nicht den einfachen Weg gewählt – aber das wollten sie auch nicht. "Dessen muss man sich bewusst sein", sagt die Hasenbergbäuerin. Dazu rät Anna, sich bei wirklichem Interesse in dem Bereich weiterzubilden und beruflich, aber ohne eigene Investition, einzusteigen. Der Arbeitsalltag soll praktisch erlebt werden. "Und wenn man sich für diesen Weg entscheidet, sollte man es dann auch durchziehen."
Dazu empfiehlt Anna eine gründliche Vorbereitung und Recherche. Für den Hasenberghof hatte das Ehepaar etwa einen ausführlichen Business-Plan erstellt. „Wenn man mit dem Ist-Zustand unzufrieden ist und etwas verändern möchte, sollte man seine Ärmel selbst hochkrempeln und anfangen.“

 

Auf die Frage „Und wo hast du mal so richtig Mut gebraucht?“ lacht Anna erstmal. „Ich bin eigentlich der größte Angsthase überhaupt! Ich brauche immer Mut!“
Angetrieben wurde das Ehepaar von dem Bestreben, die Landwirtschaft anders, auf ihre eigene Weise zu gestalten. Es ist eine Überzeugungssache, dass nur der Ökolandbau langfristig Sinn macht, wenn man möchte, dass nachfolgende Generationen auch noch etwas haben. „Wir müssen uns ändern“ sagt sie. Es sei ihr Traum, den eigenen Betrieb so aufzubauen, wie sie es sich vorstellen und wie es für sie funktioniert. Ihr Traum, in Adelsried zu leben – aber mit ihren ganz eigenen Werten.

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