Mit Mama auf der Weide
Weniger Milch, aber dafür mehr Tierwohl und mehr Qualität
Die Kuh Mausi ist der Liebling von Bioland-Landwirt Hans Möller. 20 Mal im Jahr ist sie für eine gute Sache unterwegs - auf Märkten und auf Festen macht sie für etwas ganz Besonderes Werbung: die muttergebundene Kälberaufzucht. Denn bei den Möllers wachsen die Kleinen mit und bei ihren Müttern auf.
Es ist halb acht Uhr morgens. In Schleswig-Holstein haben gerade die Sommerferien begonnen. Und es sieht ganz danach aus, als ob auch die Milchkühe heute länger liegen bleiben wollten. Im Gras haben sie es sich gemütlich gemacht. Die Kühe käuen wieder. Die Kälber dösen vor sich hin. "Kinder, los", treibt sie Melker Jens an und geht im weiten Bogen um die Milchkuhherde. "Mensch, was seid ihr heute faul!" Ganz langsam steht die erste Kuh auf, dann die zweite. Irgendwann auch Mausi. Allmählich kommt Bewegung in die Gruppe. Es geht zum Melken.
Jeden Morgen fährt Jens mit dem Trecker die zwei Kilometer vom Hof in Lentföhrden bis zur Wiese. Gemolken wird dort, wo die Kühe stehen, auf der Weide. Auf den Anhänger ist ein Milchtank geschraubt. Daneben liegen das Melkgeschirr, Schläuche und Wasserkannen. Der Trecker fährt an den Melkstand heran. Jens zieht die Gummistiefel an, denn in der Nacht sowie im ganzen Sommer hat es in Schleswig-Holstein viel geregnet. „Zum Glück hat der Melkstand einen festen Boden“, sagt er. „Sonst würde das hier gar nicht gehen, wir würden im Schlamm versinken.“
Langsam trotten die 30 Kühe zum Stand. Eine Kuh bleibt heute auf der Weide zurück. Sie säugt ihr Kalb. Zwei Kälber schauen zu, während ihre Mütter zum Melkstand zockeln. "Wie Kinder", sagt Bioland-Bäuerin Anette Möller. "Neugierig, unternehmungslustig, und als Jugendliche gehen sie dann ihre eigenen Wege." Nach drei Monaten ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sich Kuh und halbwüchsiges Kalb trennen. Doch bis es soweit ist, bleiben sie zusammen. Muttergebundene Kälberaufzucht nennen Landwirt*innen diese Haltung. Sie hat viele Vorteile. "Die Kälber sind robuster und gesünder", erklärt Anette. Und sie sind zufriedener, denn sie wachsen so auf, wie es ihrer Natur entspricht: Mitten in einer Herde mit Müttern, Tanten, Cousinen und Cousins. Und alle helfen mit bei der Erziehung der Kälber.
Verzicht auf 750 Liter Milch pro Kalb
Gewöhnlich werden Kälber gleich nach der Geburt von der Mutter getrennt und mit Ersatzmilch aufgezogen. Der Grund: Die Kühe sollen keine Pause einlegen, sondern Milch für die Vermarktung liefern. Bis vor einigen Jahren war das auch bei Möllers so. Doch dann haben sie sich für die muttergebundene Kälberaufzucht entschieden. Ganz bewusst verzichten sie damit auf 750 Liter Milch pro Kalb. Das ist diejenige Menge, die ein Kalb bis zum dritten Lebensmonat trinkt.
Doch die Milchmenge steht bei Möllers auch nicht im Vordergrund. Es geht ihnen um die Qualität der Milch. Gemeinsam mit Kolleg*innen haben sie vor sechs Jahren De Öko Melkburen gegründet. Melkburen ist plattdeutsch und heißt Milchbauern. Zusammen vermarkten sie ihre Milch regional - im Großraum Hamburg und in Schleswig-Holstein. Dafür haben sie die Jahreszeitenmilch zur Marke entwickelt. Es gibt Frühjahrs-, Sommer-, Herbst- und Wintermilch. Die Milch schmeckt unterschiedlich, je nachdem, welche Gräser die Kühe gerade fressen. Sie bleiben das ganze Jahr draußen - auf der Weide und im Winter auf der Hofkoppel, wo sie einen Unterstand haben. Möllers Kühe bekommen auch kein Kraftfutter. Im Winter oder wenn es sehr trocken ist und nicht viel wächst, fressen sie Heu. Mehr nicht.
Im Video kannst du Hans und seine Kühe kennenlernen:
HH-Kühe nennt Hans seine Tiere. Das erste H steht für Heufütterung, das zweite für Hörner. Nicht nur das Futter, auch die Hörner, so der Landwirt, hätten eine wichtige Bedeutung für die Kühe und für die Qualität der Milch. Die Jahreszeitenmilch ist die teuerste Milch im Lebensmittelladen. Der Liter kostet 1,80 Euro. "Wir produzieren Qualität, nicht Masse. Da sollten für den Landwirt 60 bis 70 Cent übrigbleiben", sagt der Bioland-Landwirt.
500.000 Liter verkaufen De Öko Melkburen im Jahr. Und Mausi hat dafür viel Werbung gemacht. Zwölf Jahre alt ist sie jetzt und noch nicht die Älteste in der Herde. Die ist 15 Jahre alt und hat schon zwölf Kälber bekommen.
Drei Rinder warten noch vor dem Melkstand auf Jens. Die letzte Kuh geht hinein. Die anderen beiden nehmen den Hinterausgang. Es sind zwei junge Bullen. Sie laufen mit und sollen das Melken kennenlernen. Menschen und Melkstände sollen sie nicht beunruhigen, wenn sie größer sind und ihre Kühe beschützen müssen. Ihre Brüder und Cousins stehen auf der Koppel am Hof. Sie werden nicht als Kälbchen an die nächste Schlachterei verkauft, sondern dürfen auf dem Hof bleiben.
Im Alter von einem Jahr werden sie kastriert. Mit zweieinhalb Jahren werden sie geschlachtet. Ochsenfleischerzeugung ist für Anette die logische Konsequenz aus der mutterkuhgebundenen Kälberaufzucht. "Wir haben Verantwortung für unsere Tiere übernommen", sagt die Bäuerin.
Jens zieht die Gummistiefel wieder aus, schaut noch einmal lange auf die Herde. Dann fährt er zurück zum Hof. 150 Liter bringt er heute mit, Sommermilch.
Mehr kuhle Infos
Bio-Milch ist hochgradig beliebt. Bio-Kalbfleisch landet hingegen bei wesentlich weniger Menschen im Einkaufskorb. Ein Ungleichgewicht, das Probleme bereitet. Doch
Glückliche Kühe grasen friedlich auf einer satten Wiese. Wie idyllisch! Denkt man. Aber: Das Leben ist keine Postkarte. Und mit dem Glück und den Tieren ist das
Was hat ein Bulle mit der Börse zu tun? Warum müssen Kühe wiederkäuen? Und wieso ist ein Kuhhandel meistens nicht so gut? Wir verraten es dir.