Journalistin Esther Kern liebt Gemüse - und zwar jeden Teil davon. (Foto: Esther Kern)

Leaf to Root

Ein kulinarisch rundes Paket

05.06.2019

Radieschen, Möhren, Kohlrabi - das Leckerste steckt in der Erde. Nicht ganz, sagt Food-Journalistin Esther Kern. Sie liebt die sogenannten Second Cuts und schreibt in ihrem Blog "Leaf to Root" Rezepte zum Nachmachen auf. Was es damit auf sich hat und warum wir unsere Sicht auf Lebensmittel ändern sollten, erzählt sie im Interview.

Von Bioland

Was hat es mit der Idee "Leaf to Root" auf sich?
Esther Kern:
Ich bin Food-Journalistin und habe über die Jahre beobachtet, dass viele Köche sich um spezielle Gemüseteile kümmern. Dann habe ich eines Tages in meinem eigenen Garten Karotten geerntet und mich gefragt: Warum schmeiße ich eigentlich das Grün weg? Ergebnis: Ich wusste es nicht. Deshalb wollte ich es genau wissen und habe darum die Aktion "Leaf to Root" auf meiner Webseite gestartet. "Nose to Tail" war die Inspiration für den Namen.

Warum sollten wir unseren Blick auf Lebensmittel verändern?
Kern:
Wir haben einen Überfluss bei Lebensmitteln. Deshalb sagen manche, sie sehen den Sinn von "Leaf to Root" nicht. Wenn man sich jedoch mit dem Gemüse befasst, ändert sich das Bewusstsein dafür. Wenn die Lebensmittel billig und schnell verfügbar sind, dann schmeißt man sie eher weg. Wenn man eine neue Wertschätzung gewinnt, zum Produzenten geht und sieht, wie er arbeitet, bekommt das Lebensmittel einen anderen Wert. Das ist der Grundsatz, auf den ich hinarbeite.

Warum liegt Ihnen persönlich das Thema am Herzen?
Kern:
Eine der Grundmotivationen ist sicher, dass man weniger wegschmeißt. Mein Ansatz ist aber positiv. Wenn man etwas gern mag, schätzt man es. Es geht jedoch nicht darum, dass man alles isst. Wenn etwas nicht schmeckt, dann muss man es nicht essen. Es muss lecker und von der Textur ein Gewinn sein - kulinarisch ein rundes Paket eben. Ich recherchiere grundsätzlich, welche Teile ich essen kann, welche Traditionen es dazu vielleicht schon gibt. Darin steckt ein großer Schatz.
 

Leaf to Root und Bio gehen Hand in Hand

Welches Gemüse eignet sich für "Leaf to Root"?
Kern: Da gibt’s ganz viel. Das Einsteigerteil ist ganz klar das Radieschenblatt, das ich meistens noch am Radies auch in guter Qualität dran habe, und es schmeckt sehr gut. Man kann es einfach in den Salat mischen. Karottenkraut hingegen ist geschmacklich sehr intensiv, das begeistert nicht alle auf Anhieb – in meinem Buch und auf dem Blog zeige ich, wie man es zubereitet, damit es kulinarisch eine Bereicherung ist. Aber einfach probieren, da findet sich sicher was Leckeres.

Ist Biogemüse dafür besser geeignet?
Kern: Unbedingt. Ich empfehle immer, mindestens EU-Biogemüse zu kaufen. Gewisse Spritzmittel haften auch an den Blättern. Und das Problem ist, dass häufig nur die eigentlichen Hauptteile des Gemüses getestet werden. Da fallen Spritzmittelrückstände auf den sogenannten Second Cuts, also auf Gemüseteilen, die üblicherweise nicht gegessen werden, durch die Pestizidkontrolle. Leaf to Root und Bio gehen für mich einfach Hand in Hand.

Wie kann ich die Idee selbst zu Hause umsetzen?
Kern: Man fängt am besten bei Zutaten an, die man eh zu Hause an. Und da gibt es alle Spielformen bis hin zum Gemüse, das man im eigenen Garten erntet. Beim Gärtnern hat man immer zu viel Grün übrig. Das kann auch ein Abenteuer sein. Oder man fragt einfach beim Landwirt um die Ecke. Dort kann man sicher auch mal was Neues finden. Es gibt ein paar Gemüseteile, die als giftig gelten, zum Beispiel die grünen Teile von Nachtschattenpflanzen wie Tomaten. Das ist eher was für Profis. Wenn man sich auf spezielle Sachen einlassen will, muss man sich gut einlesen.

Das Buch




"Leaf to Root - Gemüse essen vom Blatt bis zur Wurzel " von Esther Kern, Pascal Haag und Sylvan Müller beleuchtet das Thema Gemüse von Blatt bis Wurzel umfassend, mit Reportagen, Interviews und einer Geschichte über die Sensorik der speziellen Gemüseteile. Zudem wartet es auf mit einem Nachschlagewerk. Die Autorin Esther Kern hat zu 50 Gemüsen recherchiert, welche Teile essbar sind und wie sie zubereitet werden. Geholfen haben dutzende historische Kochbücher, dutzende Spitzenköche in ganz Europa und viele Gespräche mit Experten.

Erschienen im AT Verlag, 49,90 Euro.


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