Klimaretter Kleegras

Wie der Ökolandbau auf die nächste Dürre reagiert

29.06.2020

Endlich regnet es. Doch die Erleichterung ist nur von kurzer Dauer. Schon das dritte Jahr in Folge hält eine Dürre auch die Ökolandwirte in Atem. Doch sie sind nicht nur Leidtragende des Klimawandels, sondern auch aktive Problemlöser, sagt Ralf Mack, Klimaexperte bei Bioland, im Interview.

Von Bioland

Monatelang hat es nicht geregnet. Jetzt kommt in manchen Regionen mal mehr, mal weniger Wasser runter. Reicht den Bauern das aus?
Ralf Mack: Die Lage ist schwierig. Bis Ende Mai wurde sie immer angespannter. Schon beim Gras als Tierfutter haben wir bereits am Anfang der Saison um die Hälfte weniger Erträge als üblich gehabt. Der erste Grasschnitt macht den größten Teil der Futterversorgung für die Rinder aus. Das wird zunehmend zu einem Problem. Dabei ist die absolute Regenmenge innerhalb einer bestimmten Zeit aber nur ein einzelner Gesichtspunkt, der in einem Gesamtsystem zu betrachten ist. Die Verteilung der Niederschläge wurde wesentlich unregelmäßiger, es gibt also lange Trockenzeiten ohne Niederschlag und dann heftige Niederschläge innerhalb sehr kurzer Zeit. Beides stellt eine große Herausforderung für das Pflanzenwachstum dar. Zudem verstärken weitere Faktoren wie Sonnenintensität und Wind die Trockenheit häufig drastisch. Fällt die Trockenheit in einen Zeitraum, in dem die Pflanzen besonders auf Wasser angewiesen sind, z.B. in der Keimung im Frühjahr, kann es sehr schwierig werden.

Gibt es regionale Unterschiede?
Mack: Wie aus der allgemeinen Berichterstattung bekannt, gibt es großräumige Unterschiede bei den Niederschlagsmengen und der -verteilung. Aber: Es gibt zunehmend krasse Unterschiede innerhalb der Regionen. Das beschäftigt auch unsere Landwirte ganz stark. Wir haben zum Teil auf fünf bis zehn Kilometern Niederschlagsunterschiede von 60 Litern innerhalb von vier, fünf Tagen. Und das passiert überall in Deutschland. Das Problem ist, dass die Böden das kurzfristig in großer Menge auftretende Wasser gar nicht aufnehmen können und es zu einem Oberflächenabfluss kommt; wichtiger Boden, in dem Nährstoffe stecken, wird weggeschwemmt.
 

Zur Person




Ralf Mack ist Referent für Erzeugerberatung beim Bioland e. V. und steuert damit maßgeblich bundesweite Entwicklungen und Herausforderungen auf den Bioland-Erzeugerbetrieben. Als Projektberater im europaweiten, wissenschaftlich begleiteten SOLMACC-Projekt mit Fokus auf Klimawandelanpassung und klimapositive Maßnahmen betreute er zwei von vier deutschen Betrieben. In seiner langjährigen Tätigkeit als Ackerbauberater bei Bioland setzte er sich intensiv mit Klimawandelfolgen in der pflanzenbaulichen Praxis auseinander.


 


Warum ist das problematisch?
Mack: Boden muss in der Lage sein, einerseits Wasser über lange Zeit zu speichern, damit er in der Trockenzeit nachlieferungsfähig ist. Und er muss in der Lage sein, Wasser wie ein Schwamm aufzunehmen, wenn es innerhalb kurzer Zeit in großer Menge kommt. Wir brauchen daher lebendige intakte Böden, die resilient, also widerstandsfähig  gegenüber sich verändernden Klimafaktoren sind. Bioland-Betriebsleiter*innen arbeiten aktiv daran, diese Resilienz über eine Unterstützung des Bodenlebens noch zu verbessern.

Wir haben jetzt das dritte Dürrejahr in Folge. Wird das Problem über die Jahre stärker?
Mack: Ja! Beim Boden gibt es verschiedene Schichten. Wenn Pflanzen schon auf dem Feld stehen und gut ausgeprägte Wurzeln haben, ist das kein Problem, solange es in 30-40 Zentimetern noch ausreichend Feuchte gibt. Die Pflanze können sich dann über bereits ausgeprägte Wurzeln versorgen. Wenn aber schon die ersten 40 Zentimeter bei und nach der Aussaat staubtrocken sind, besteht ein Riesenproblem, weil dann die Pflanzen gar nicht erst keimen. Früher konnte man sich immer darauf verlassen, dass der Boden über den Winter einen Puffer an Wasservorrat gespeichert hat. Diese Gewissheit hat man heute nicht mehr.

 

Vor allem in den tieferen Bodenschichten wird das Wasser bundesweit knapp (Quelle: Dürremonitor Deutschland, Stand 29. Juni 2020)

 

Weil den unteren Schichten nach den trockenen Jahren das Wasser fehlt?
Mack: Genau. Das führt zwangsläufig zu Veränderungen in der gesamten Landwirtschaft. Eine Vielzahl von Klimastudien - von konservativ bis "worst case" zeigen alle, dass sich die Erde zunehmend erwärmen wird. Für unsere Region heißt das, dass im Jahr 2100 der Extremsommer von 2003, wo hier völliger Alarm war, sehr wahrscheinlich ein ganz durchschnittlicher Sommer sein wird. Dann könnten wir hier marokkanische Klimabedingungen haben und damit müssen wir zunehmend umgehen.

Was bedeutet die aktuelle Lage für die Bäuerinnen und Bauern?
Mack: Die Betroffenheit ist immens, bei allen Pflanzenkulturen und allen Erzeugungsrichtungen. Zum Beispiel wird jetzt Trockenheitsverträglichkeit und -toleranz bereits in der Pflanzenzüchtung wesentlich höher bewertet als früher. Wasserschonende Bodenbearbeitung, Bodenaufbau und -pflege im umfassenden Sinne werden immer wichtiger, während die Bedingungen immer schwieriger werden. Daher ist es wichtig, dass auch die Verbraucher*innen die Bioland-Bäuerinnen und -Bauern durch den Kauf leckerer und gesunder Produkte unterstützen. Ein produktiver Umgang mit dem Klimawandel kann nur gesamtgesellschaftlich gelingen.

Trägt die Landwirtschaft zu dieser Entwicklung bei?
Mack: Die Landwirtschaft spielt hier eine Doppelrolle. Einerseits ist sie stark betroffen, und andererseits ist sie teilweise Mitverursacher dieser Entwicklungen. Die Betroffenheit ist sowohl bei konventionell als auch bei biologisch wirtschaftenden Betrieben massiv. Von der Verursachung her ist die Klimabilanz biologisch wirtschaftender Betriebe deutlich besser als die konventionell bewirtschafteter Betriebe. Dies belegt unter anderem die Studie von Idel und Beste aus 2018. Diese Studie bezieht sinnvoller Weise den CO2-Fußabdruck der Düngeindustrie mit ein, die mit der konventionellen Wirtschaftsweise untrennbar verbunden ist. Im biologischen Landbau werden Böden maßgeblich über den Anbau bestimmter Pflanzen oder über Komposte gedüngt, was zum Humusaufbau beiträgt und deutlich klimafreundlicher ist als die Kunstdünger-Variante.

Wie wird Humus aufgebaut?
Mack: Humus ist ein wichtiger Bestandteil fruchtbarer Böden. Er entsteht maßgeblich durch die Reste abgestorbener Pflanzenwurzeln, oberirdische Ernterückstände und Mikroorganismen. So wird eine große Menge Kohlenstoff, der in dieser Masse steckt, im Boden gespeichert. Wenn dieser Humusvorrat aufgebaut ist, muss er sinnvoll verwaltet werden. Im Laufe der nächsten Vegetationsperioden wird immer auch Humus abgebaut. Dieser Prozess des Auf- und Abbaus soll über eine gute Anbauplanung langfristig so gesteuert werden, dass er sich positiv auf das Klima wirkt, also mehr Kohlenstoff im Boden gebunden wird, als abgebaut wird.

Wie wird das im Ökolandbau umgesetzt?  
Mack: Durch eine vielfältige Fruchtfolge und eine sogenannte flächengebundene Tierhaltung. Die Fruchtfolge ist der Wechsel der vielfältigen Kulturen auf dem Acker. Wir haben im Ökolandbau in der Regel mindestens fünf- bis sechsgliedrige Fruchtfolgen, darunter die zur Gründüngung und Humusaufbau so wichtigen Leguminosen (siehe Kasten) wie Kleegras. Das kann aufgrund seiner sehr positiven Humuswirkung ein wahrer Klimaretter sein. In der Fruchtfolge wechseln sich humusmehrende und humuszehrende Pflanzen ständig ab. Dies ermöglicht den Biolandbäuerinnen und –bauern, auf synthetische Dünger zu verzichten.
Eine entscheidende Rolle in der Fruchtfolge spielen die sogenannten Zwischenfrüchte. Sie werden auf den Acker gesät, wenn die Hauptkultur wie zum Beispiel Weizen abgeerntet ist. Das Ziel der Zwischenfrucht ist, die Bodenfruchtbarkeit weiter aufzubauen – durch Humusaufbau, Beschattung sowie Ernährung der Regenwürmer und der Boden-Mikroorganismen.

Düngen mit Pflanzen statt mit synthetischen Mitteln


Der Ökolandbau verzichtet auf synthetische Dünger, die schon in ihrer Herstellung einen enormen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Stattdessen kommen die sogenannten Leguminosen zum Einsatz. Diese Pflanzenart  bindet Stickstoff aus der Luft im Boden und versorgt somit den Boden auf biologischem Weg mit dem wichtigen Nährstoff Stickstoff.  Der Musterschüler ist dabei das Kleegras, das eine sehr hohe Leistung beim Humusaufbau erbringt und deshalb im Ökolandbau eine entscheidende Rolle spielt. Richtig eingesetzt, kann Klee helfen, das Klima zu retten.
Ergänzend wird Kompost aus der Eigenherstellung oder aus der Region als Dünger eingesetzt. Kompost entsteht aus Pflanzenmasse, die dem Acker wieder zurückgegeben wird. Auf einen ähnlichen Kreislauf setzt auch das Düngen mit Mist. Die verfütterten Pflanzen werden von Tieren verdaut und landen als Dünger wieder auf dem Feld.


Diese Maßnahmen sind in puncto Klimawandel aus zwei Gründen wichtig: Zum einen machen sie den Boden resilient. Zweitens mindert Humusaufbau den Klimawandel. So ist der Ökolandbau vom Klimawandel nicht nur betroffen, sondern er handelt klimapositiv und ist aktiver Problemlöser.

Pflanzenbau ist das eine. Jedoch gilt die Rinderhaltung als einer der großen Klimakiller. Warum setzt der Ökolandbau trotzdem noch darauf?
Mack: Zum einen setzt der Ökolandbau auf artgerechte Tierhaltung und Fütterung inklusive Weidegang, zum anderen setzen wir eine flächengebundene Rinderhaltung um, es gibt also strikte Obergrenzen für die Anzahl Tiere pro Flächeneinheit. Das heißt, die Fütterung erfolgt maßgeblich vom eigenen Hof, und die Ausscheidungen der Tiere kommen in Form von Mist oder Gülle wieder auf die Flächen zurück, auf denen die Futterpflanzen gewachsen sind. Konventionelle Tierhalter sind häufig auf massiven Futterzukauf angewiesen, um wirtschaftlich zu überleben. Eine Weidehaltung entfällt in der Regel aus dem gleichen Grund. So entsteht ein klimanegatives Modell der Tierhaltung.  Werden Rinder im Gegensatz dazu so gehalten und gefüttert, wie es in ihrer Natur liegt, nämlich überwiegend mit Raufutter und mit Weidehaltung, dann sind sie ein wichtiger Baustein in einer klimapositiven Gesellschaft. Wer mehr dazu wissen möchte, dem empfehle ich das Buch „Die Kuh ist kein Klimakiller“ von Anita Idel. Darin wird auf wissenschaftlicher Basis gezeigt, dass nicht „die Kuh“ das Problem ist, sondern die Art, wie Kühe gehalten werden.

Was kann der Verbraucher tun, um dem Klimawandel entgegenzuwirken?
Mack: Essen ist Politik - Klimaschutz beginnt beim Brötchenkauf! Wer Bioprodukte kauft, unterstützt klimapositive Landwirtschaft, unterstützt die Anliegen der gesellschaftlichen Gruppierungen, die sich für eine zukunftsfähige Welt engagieren wie Fridays for Future. Das ist ein konkreter Beitrag aus dem Alltag, den Verbraucher leisten können.

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