Mineralwasser ist im Grunde genommen versickertes Regenwasser, mehr als 500 verschiedene Mineralwässer gibt es in Deutschland (Foto: imago)

Kann Wasser bio sein?

Diese Vorgaben machen den Unterschied

11.03.2019

Viele Deutsche trinken lieber Wasser aus Flaschen als aus der Leitung. Seit einigen Jahren gibt es auch Bio-Mineralwasser am Markt. Wozu braucht man das?

Von Julia Schreiner

Bio-Mineralwasser ist eine eher junge Erscheinung. Das bundesweit erste Bio-Wasser brachte vor zehn Jahren die bayerische Bio-Brauerei Lammsbräu auf den Markt. Firmeninhaber und Braumeister Franz Ehrnsperger fand, dass sich die Biobranche bis dato zu wenig um den Primärrohstoff Wasser gekümmert hatte. Ein Bio-Standard sollte her. Mittlerweile gehören etliche deutsche Mineralbrunnen der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser an und lassen ihr Wasser zertifizieren.

Das EU-Bio-Siegel wird man auf den Flaschen allerdings nicht finden. Denn in der EU-Ökoverordnung taucht Mineralwasser gar nicht auf. Trotzdem dürfen die Mineralbrunnen ihr Wasser als bio ausloben. Das hat der Bundesgerichtshof 2012 so entschieden. Verbraucherschützer waren gegen das Bio-Wasser Sturm gelaufen. Ihr Argument: Jedes Mineralwasser sei naturbelassen - und damit quasi bio. Die Richter befanden aber, dass sich Bio-Wasser des Biomineralwasserverbands sehr wohl von herkömmlichem Mineralwasser unterscheide.
So sind die Grenzwerte des Biomineralwasserverbands für Schadstoffe und Pestizidrückstände deutlich strenger als die gesetzliche Mineralwasserverordnung. Beispiel Nitrat: Höchstens fünf Milligramm pro Liter sind zulässig. Liegt der Nitratwert darüber, ist das Bio-Siegel weg. "Das Problem hatten wir bislang aber noch nicht", erklärt Daniel Haussmann, Sprecher des Biomineralwasserverbands. Fünf Milligramm - das ist halb so viel, wie in Mineralwasser für Säuglinge erlaubt ist, und zehnmal weniger als der gesetzliche Grenzwert für Mineralwasser.

Noch ein Bio-Siegel?

Auch das Institut Fresenius ist auf den Zug aufgesprungen. Die Brunnenbetreiber müssen ebenfalls strengere Grenzwerte einhalten als gesetzlich vorgeschrieben. Beim Nitrat sind die Fresenius-Richtlinien allerdings großzügiger: Bis zu zehn Milligramm pro Liter sind zulässig - und damit doppelt so viel wie bei der Qualitätsgemeinschaft. Der Biolandbau wird bei Fresenius nicht explizit erwähnt. Die Brunnenbetreiber müssen sich aber nachweislich in Umweltschutzprojekten engagieren. "Entweder mit Sachleistungen, Mitarbeitereinsatz oder Geldspenden", so ein Fresenius-Sprecher.

Doch damit nicht genug: Das Bio-Wasser muss noch viel mehr Tests bestehen als gesetzlich vorgeschrieben. Es wird etwa gründlich auf verschiedenste Pestizide, aber auch auf deren Abbauprodukte, die noch im Wasser vorhanden sein könnten, geprüft. Komplett rückstandsfrei muss Bio-Wasser allerdings nicht sein. "Das ist in unseren Zeiten nicht mehr möglich", so die Qualitätsgemeinschaft. Bio-Mineralwasser muss auch nicht nahezu keimfrei sein. Es sei denn, es ist auch ausdrücklich als Babywasser deklariert. Steriles Wasser muss für Erwachsene auch nicht sein. Schließlich gibt es auch nützliche Keime.

Ökolandbau kann langfristig das Wasser schützen

Außerdem muss Bio-Mineralwasser umweltfreundlich hergestellt und abgefüllt werden. Weiter als zwei Kilometer darf das Wasser nicht vom Brunnen zur Firma transportiert werden. Für herkömmliches Mineralwasser gibt es so eine Vorschrift nicht. Ob die Biobrunnenbetreiber alle Richtlinien einhalten, prüft eine unabhängige Kontrollstelle. So wie das bei Biobauern auch der Fall ist. Jedes Jahr wird das Bio-Zertifikat neu ausgestellt.

Qualitätsversprechen in Richtung der Verbraucher sind das eine. Die Biobrunnenbetreiber verpflichten sich aber auch dem aktiven Wasserschutz rund um ihre Quellen. Die Abfüller von Bio-Mineralwasser sollen "Öko-Wasserbauern" werden. Konkret heißt das: Sie sollen sich dafür einsetzen, dass der Ökolandbau wächst und immer mehr Landwirte auf Bio umstellen. Denn: "Langfristiger Wasserschutz ist nur mit 100 Prozent Ökolandbau zu realisieren", stellt der Biomineralwasserverband klar.

Besser Leitungswasser trinken?

"Wenn man wirklich konsequent nachhaltig sein möchte, dann reicht es nicht, dass man mit mittlerweile über 80 chemischen und sonstigen Aufbereitungsverfahren versucht, Pestizide, Nitrat und Co. wieder aus dem Grundwasser zu bekommen", so Initiator Ehrnsperger. Das sieht auch der Geschäftsführer der Mineralquellen Wüllner so, der sein Mineralwasser Carolinen seit Kurzem auch bio-zertizifieren lässt. "Je mehr Bauern man davon überzeugt, auf Pestizide und Co. zu verzichten, desto großflächiger kann man das Wasser schützen", so Maik Ramforth-Wüllner.
Mit der Überzeugungsarbeit in Landwirtskreisen ist es allerdings so eine Sache. "Das ist sauschwer", bringt es Sprecher Haussmann auf den Punkt. Unterstützung bekommen die Brunnenbetreiber von den großen Bioanbauverbänden wie Bioland, die dasselbe Ziel haben: Bauern bei der Umstellung auf Bio zu helfen. Sie haben die passenden landwirtschaftlichen Berater dafür und Marktpartner für die neuen Biobauern.

Wer Wasser lieber aus Flaschen trinkt, sollte ein paar Dinge beim Einkauf beachten (Foto: imago)

Was man sich beim Wasser-Kauf überlegen sollte

  • Kurze Wege: Stammt das Mineralwasser aus einer regionalen Quelle oder wird es von weit her transportiert?
  • Engagiert sich sich das Getränkeunternehmen nachhaltig oder unterstütze ich - vielleicht ohne dass es mir bewusst ist - einen Großkonzern, der die Wasservorräte in anderen Ländern ausbeutet?
  • Fahre ich extra mit dem Auto los, um Wasser zu kaufen, oder kann ich das sinnvoll verbinden? Sich beliefern zu lassen kann auch ökologischer sein, als selbst loszufahren.
  • Was sind überhaupt meine Gründe, Mineralwasser zu kaufen? Ist mein Leitungswasser bekanntermaßen schlecht oder mag ich den Geschmack nicht? Oder hab' ich einfach noch nicht daran gedacht, dass ich mir einen Sprudler zulegen könnte?

Der Mineralbrunnenbetreiber Bad Dürrheimer lässt sich seit 2017 zertifizieren. Sein Öko-Engagement: Er unterstützt zum Beispiel das Projekt einer Solidarischen Landwirtschaft. 2018 beteiligte sich das Unternehmen außerdem an der Aktion "Bad Dürrheim blüht auf" - für mehr Artenvielfalt in der Region. Dabei geht es darum, Blühstreifen entlang von Äckern und auf städtischen Flächen anzulegen.
Bei Lammsbräu ist man schon einen Schritt weiter. Man kämpfe gerade für ein unterirdisches  Wasserschutzgebiet, heißt es beim Ökopionier und Initiator der Biowasserinitiative. Was das bedeutet: Für Grundwasserspeicher soll es besondere Schutzregeln geben, die über die bestehenden Richtlinien für oberirdische Wasserschutzgebiete hinausgehen. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Die Neumarkter haben in jahrelanger Arbeit ein Netzwerk von 140 Biobauern aufgebaut, die die Brauerei mit Rohstoffen beliefern. Doch Bauvorhaben mit Tiefbaupfählen gefährden wichtige Tonschichten im Boden, die die Wasservorkommen vor Verunreinigungen schützen. Oder Geothermie - die Förderung von heißem Wasser zur Energiegewinnung.

Sprudler sind besser fürs Klima

Beim Bund Naturschutz und anderen Umweltverbänden sieht man die Vorliebe der Deutschen für Flaschenwasser kritisch. Auch Ökotest rief in einem Artikel im Juli dazu auf, sich lieber einen Sprudler fürs Leitungswasser anzuschaffen, als Wasser in Flaschen zu kaufen. Der Schweizer Umweltingenieur Niels Jungbluth hatte ausgerechnet, dass ein Sprudler in seiner Anschaffung 13mal klimafreundlicher sei als Mineralwasser in einer Mehrweg-PET-Flasche. Schließlich müssen die Flaschen hergestellt, abgefüllt, transportiert und entsorgt werden. "Die Umweltbelastungen aus der Aufbereitung von Trinkwasser sind demgegenüber vernachlässigbar", so Jungbluth.

Die Sache mit dem Plastik

Im gelben Sack landen Wasserflaschen in der Regel nicht mehr. Sie werden eingesammelt und recycelt (Foto: imago)

Verpackung und Transport schlagen bei Mineralwasser klimatechnisch am meisten zu Buche. Die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser erlaubt neben Mehrweg-Glas und Getränkekartons auch Plastikflaschen. Es müssen aber entweder PET-Mehrwegflaschen sein oder zumindest PET-Kreislauf-Flaschen. Die werden zwar auch wieder eingesammelt, aber nicht wieder neu befüllt, sondern recycelt.

Die Stiftung Warentest fand bei Untersuchungen in allen getesten PET-Flaschen verschiedener Anbieter Acetaldehyd, das bei der Flaschenherstellung entsteht. Manchmal kann man das auch herausschmecken. Das Wasser hat dann eine untypisch fruchtige Note. Acetaldehyd kann auch in Bio-Mineralwasser stecken. Der Gehalt muss aber unter zehn Mikrogramm pro Liter liegen. Es entsteht zum Beispiel auch beim Abbau von Alkohol im Körper und kommt in reifen Früchten, Brot und Kaffee vor. Raucher nehmen mit jeder Zigarette im Schnitt ein Milligramm Acetaldehyd auf. Es bildet sich bei der Verbrennung anderer Tabakzusatzstoffe. Acetaldehyd gilt als möglicherweise krebserregend.

Und dann ist da noch die Sache mit winzigen Kunststoffteilchen - dem Mikroplastik. Davon fand die Stiftung Warentest in PET-Flaschen im Schnitt 118 Partikel pro Liter. Auch andere Wasserverpackungen können Mikroplastik enthalten, die PET-Flaschen sind jedoch Spitzenreiter. Das Plastik löst sich möglicherweise bei älteren Flaschen aus den spröde gewordenen Innenwänden oder reichert sich beim Abfüllen und Waschen im Waschwasser an. Die Risiken für den Menschen sind bislang noch unklar. Umweltschützer beobachten die Ausbreitung von Mikroplastik in den Meeren mit großer Sorge. Mikroplastik belastet die Gewässer und reichert sich in Fischen oder Vögeln an.



Der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik hat den Umstieg von Mineralwasser auf Leitungswasser in seine Klimaschutzmaßnahmen aufgenommen. Im Schnitt trinkt jeder rechnerisch knapp drei Liter Mineralwasser pro Woche. Mit einem Liter weniger könne man 1,8 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr einsparen, so der Beirat.
Trotzdem legt Laura von Vittorelli, die Leiterin der Abteilung Gewässerpolitik beim Bund Naturschutz, ein gutes Wort für Bio-Mineralwasser ein: "Wenn Leute Mineralwasser aus Flaschen trinken wollen, würde ich klar regional und bio empfehlen." Bio-Mineralwasser könne als Vorbild für Trinkwasserschutz dienen - gerade wegen der Förderung des Ökolandbaus.

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