Im Herbst steht bei Bauer Reiner Bohnhorst die Kartoffelernte an (Foto: Angelika Franz)

Kampf um die Kartoffel

05.11.2019

 Mit einem Verbrauch von rund 60 Kilo pro Kopf und Jahr ist die Kartoffel Deutschlands beliebteste Beilage. Doch ihr Anbau ist ein ständiges Ringen um die Gesundheit der Pflanzen und des Bodens.

Von Angelika Franz

Wer Kartoffeln anbaut, muss in langen Zeiträumen denken. Die Geschichte der Kartoffeln von Reiner Bohnhorst begann vor 300.000 bis 120.000 Jahren in der Saale-Eiszeit. Damals bedeckten Gletscher die Region um Uelzen im Nordosten der Lüneburger Heide. "Als sie wieder abschmolzen, ließen sie ein hügeliges Gelände zurück, an dem sich in tausenden von Jahren heller, feinsandiger Löß ablagern konnte", erklärt Bohnhorst und zeichnet mit der flachen Hand die sanften Hügelketten nach, die damals entstanden. Ein Boden, der perfekt ist für Kartoffeln.

"Aber nicht, weil da alles so toll wächst", lacht Bohnhorst, "Kartoffeln wachsen eben so ziemlich überall." Tatsächlich gedeiht die Kartoffel außerhalb der Tropen, der Arktis und der Subarktis in so ziemlich jedem Boden. Aber der Boden der Lüneburger Heide ist perfekt zum Ernten der Kartoffeln. Er ist so sandig, dass sich die reifen Knollen leicht herausholen lassen und kaum Erde an ihnen kleben bleibt. Und vor allem ist der Boden rund um Uelzen hell. "Sonst können die Kartoffeln noch so toll sein - wenn sie vom Boden dunkel verfärbt sind, will die keiner haben", erklärt Bohnhorst. Zwar werden alle Kartoffeln, bevor sie in den Verkauf gehen, gründlich gewaschen. Aber die feinen Partikel setzen sich in den Poren fest – und wenn sie aus einem dunklen Boden kommt, kann die Kartoffel leicht „dreckig“ aussehen. Der helle Löß ist also ein ziemlich perfektes Gemisch. „Ja, wie sind hier im Kartoffelland“, bestätigt Bohnhorst. 40 Prozent aller deutschen Kartoffeln kommen aus der Region.

Lockerer Boden ist Fluch und Segen

Der Segen des lockeren Bodens ist jedoch zugleich auch der Fluch des Kartoffelanbaus. Denn Kartoffeln benötigen zum Wachsen sehr viel Wasser. Ein lockerer Boden aber hält nur wenig davon - das Wasser sickert schneller hindurch, als die Wurzeln der Pflanzen es aufnehmen können. Und zudem spült es auf seinem Weg noch die Nährstoffe aus, die eigentlich die Pflanzen dringend bräuchten. Nach einem Jahr Kartoffelanbau braucht der Boden mehrere Jahre, um sich davon zu erholen. In der Zwischenzeit pflanzt Bohnhorst Getreide, Zuckerrüben, Gemüse und Quinoa oder Hülsenfrüchte. Mit letzteren düngt er den Boden auf natürliche Weise, denn Bohnen oder Erbsen reichern den Boden wieder mit Stickstoff an. Als Biobauer gibt er seinem Boden vier bis fünf Jahre Zeit, bevor er ihm erneut Kartoffeln zumutet: Planen in langen Zeiträumen. "Im konventionellen Anbau wird halt mehr gedüngt, da können die Abstände auch kürzer sein", erklärt er. Aber es ist auch im Ökolandbau immer eine enge Kalkulation, wie viel Zeit man dem Boden zur Erholung gewährt: "Denn das Geld machen wir mit Kartoffeln, nicht mit Getreide."

Unter grünem Licht treiben die Kartoffeln nicht aus

 

Es gibt noch einen weiteren guten Grund, geduldig zu warten, bevor man eine Fläche erneut mit Kartoffeln bepflanzt: die Nematoden, auch Fadenwürmer genannt. Die gefräßigen Tierchen bohren die Wurzeln an, so dass die Pflanzen verkümmern. Bohnhorst bückt sich und hebt eine Knolle auf, die nach der Ernte auf dem Acker liegen geblieben ist. "Die nehm' ich gleich mit", sagt er und steckt sie ein. "Denn jede Kartoffel, die liegen bleibt, ist potentielle Nahrung für die Biester." Selbst chemisch - was im Ökolandbau verboten ist - lässt sich ihnen kaum beikommen. "Der einzige Weg, sie zu bekämpfen, ist, sie auszuhungern." Nach der Ernte müssen alle vergessenen Knollen sorgfältig abgesammelt werden, um den Boden so unattraktiv für Fadenwürmer wie möglich zu machen. Und je länger dort keine Kartoffeln mehr wachsen, desto weniger von ihnen überleben.

 

Eine weitere Möglichkeit, dem Fadenwurm den Garaus zu machen, ist der Anbau resistenter Sorten - die es zum Glück gibt. Anders als bei einem weiteren Schädling, der Bohnhorst und seinen Kartoffeln das Leben schwer macht: "In den letzten Jahren hat uns der Drahtwurm, die Larve eines Laufkäfers, ganz schön große Probleme bereitet", sagt Bohnhorst. Der kleine Wurm frisst Löcher und hässliche Gänge in die Knollen. Zu allem Übel haben scheinbar Menschen und Drahtwürmer einen sehr ähnlichen Geschmack. "Die Kunden wollen festkochende Kartoffeln mit gelber Farbe", erläutert Bohnhorst. "Und genau diese scheinen auch bei den Drahtwürmern besonders beliebt zu sein."

Biobauern haben strenge Regeln für Einsatz von Spritzmitteln

Nicht nur Würmer, auch Pilze lieben Kartoffeln. Konventionelle Landwirte können die Kraut- und Knollenfäule oder die sogenannte Wurzeltöterkrankheit, Rhizoctonia solani, mit Fungiziden oder Beize bekämpfen. "Das geht bei uns eben nicht", erklärt Bohnhorst. "Wir setzen gegen die Kraut- und Knollenfäule höchstens Kupfer ein, das die Pflanzen von außen schützen kann, aber auch das so sparsam wie möglich." Im Bioland-Verband gibt es für den Kupfereinsatz zudem eine Begrenzung der Menge pro Fläche. Auch im Kampf gegen die Pilze könnte die Rettung im Anbau resistenter Sorten liegen. Aber diejenigen Sorten, die Resistenzen gegen die Kraut- und Knollenfäule haben, sind meist mehlig oder in der Farbe eher blass - und bleiben damit im Supermarktregal oft liegen.

Der Biolandbau ist darauf angewiesen, dass die Züchter Wünsche und Geschmack der Kunden mit dem Schutz vor Würmern und Pilzen in den neuen Sorten zusammenbringen. "Wir brauchen endlich eine Kartoffelzüchtung, die vielmehr als bisher ökologische Ansprüche berücksichtigt - und das eben nicht mit Gentechnikmethoden", fordert Bohnhorst. Aber auch das erfordert ein Planen in langen Zeiträumen.

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