Schon seit 1988 ist die Brauerei bei Bioland und hat die heutigen Richtlinien für Brauerei-Erzeugnisse maßgeblich geprägt (Fotos: Brauerei Pinkus Müller)

Ist Bio-Bier eine Übertreibung des Reinheitsgebots?

Unterschiede auf dem Acker und in der Brauerei

15.08.2022

Laut Reinheitsgebot sind in einem Bier nur Hopfen, Malz, Hefe und Wasser erlaubt. Ziemlich rein also, muss es da zusätzlich noch bio sein? Was unterscheidet konventionelles, EU-Bio- und Bioland-Bier überhaupt? Darüber haben wir mit Friedhelm Langfeld von der Brauerei Pinkus Müller in Münster gesprochen.

Von Meike Fredrich

Bioland: Du bist Brauereiingenieur und zusammen mit Barbara – Nachfahrin des Brauerei-Gründers, Diplom-Braumeisterin und deine Frau – leitest du die Bioland-Brauerei. Die spannendste Frage zuerst: Warum reicht das Reinheitsgebot nicht aus?
Friedhelm: Bioland fängt schon weit vor den Prozessen in der Brauerei an – und zwar auf dem Acker an. Die Bioland-Betriebe, die für uns Braugerste, -weizen oder Hopfen anbauen, benutzen beispielsweise keine Kunstdünger und keine Pestizide. Die natürlichen Anbauverfahren schützen unsere Umwelt, Natur und das Klima – genauso wie wir in der Brauerei. In konventionellen Bieren stecken viele Hilfsmittel mit den wüstesten chemischen Beschreibungen. Wir hingegen arbeiten traditionell und natürlich. Wir wollen solche künstlichen Mittel nicht verwenden und dürfen das nach Bioland-Richtlinien auch gar nicht. Die Standards von EU-Bio stützen sich nur auf die wertgebenden Zutaten. Die Bierbehandlung, die verschiedenen Verfahren, Filtration und so weiter werden hier gar nicht beleuchtet. Als Bioländer haben wir da eine ganz andere Stellung.
 

 

Kannst du das an einem Beispiel konkretisieren?
Viele unserer Biere sind naturtrüb, manche wie Pils oder Altbier filtrieren wir aber auch. Das heißt: Hefen und Trübstoffe werden herausgefiltert. Wir machen das mit dem natürlichen Stoff Kieselgur, ein Pulver aus Millionen Jahre alten Ablagerungen von Kieselalgen.
Konventionelle Brauereien nutzen hingegen unter anderem den Kunststoff Polyvinylpolypyrrolidon - kurz PVPP. Er initiiert eine künstliche Trübung im Bier und wird dann wieder rausgefiltert. Für uns ein No-Go, denn wir wollen weder Chemie in unserem Bier haben noch in seine Textur eingreifen.

Welche Nachhaltigkeitsthemen spielen bei euch noch eine Rolle?
Wie in der Bio-Branche üblich nutzen wir schon seit vielen Jahren Ökostrom und arbeiten mit Wärmerückgewinnung und Energiekreisläufen.
Die Nähe zu unseren Lieferanten – sowohl persönlich als auch räumlich – sind uns auch sehr wichtig. Der nächstgelegene Erzeuger für Braugerste liegt beispielsweise circa 50 Kilometer entfernt in Ostwestfalen. Da die Mälzereien fast alle in Süddeutschland zu finden sind, haben wir auch einige Anbauer dort – sonst müsste das Getreide nach der Ernte in den Süden gekarrt werden und nach dem Mälzen wieder zu uns zurück. Den Hopfen bekommen wir aus Bayern und Baden-Württemberg, weil er bei uns im Münsterland gar nicht angebaut wird

 

Über die Brauerei

1978 wird der erste Sud mit Malz aus biologischem Anbau eingemaischt. Hans Müller, der Vater der aktuellen Geschäftsführerin Barbara, ist begeistert von der Qualität des Bio-Gerstensaftes. Kontinuierlich stellt er seinen Betrieb auf Rohstoffe aus kontrolliertem Bio-Anbau um.

Zur Sicherung der Rohstoffversorgung schließt er 1988 einen Verarbeitervertrag mit Bioland und ist in den folgenden Jahren maßgeblich an der Entwicklung der Braurichtlinien des Verbands beteiligt. Später bilden sie auch die Grundlage für andere Bio-Verbände.

1991 wird die gesamte Bierproduktion von Pinkus Müller auf Bio-Rohstoffe umgestellt.


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