Ein Herdenschutzhund lebt mit den Schafen und verteidigt sie gegen Angreifer (Foto: imago)

So schützt man Weidetiere vor Wölfen

Interview mit einer Herdenschutzexpertin

28.02.2017

Wer Schafe, Ziegen oder Kälber auf die Weide lässt, muss aufrüsten. Denn der Wolf ist zurück. Aber wie schützt man seine Tiere am besten? Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht, sagt Regina Walther vom Sächsischen Schaf-und Ziegenzuchtverband.

Von Julia Romlewski

Frau Walther, Sachsen ist Wolfsland mit 15 Rudeln. Wie lebt es sich mit dem Wolf?
Walther: Die meisten Weidetierhalter lehnen den Wolf ab, weil  sie keinen Ärger wollen. Sie fürchten, dass der Wolf ihre Tiere reißt und Kosten und Stress verursacht. Die Bevölkerung in der Lausitz ist zum Teil verunsichert und will, dass der Bestand reguliert wird. Aber es gibt natürlich auch Befürworter, die meinen, dass jedes Wildtier seine Daseinsberechtigung hat.

Warum greift der Wolf eigentlich mitunter auch Schafe, Ziegen oder Kälber an? Gibt es nicht genug Wild?
Walther: Der Wolf ist intelligent, aber auch bequem. Wildschweine sind wehrhaft, und Rehe können besser flüchten als ungeschützte Schafe und Ziegen auf einer Weide.

In der Regel bekommen Tierhalter nur Entschädigung für gerissene Tiere, wenn sie einen Zaun aufgestellt haben - am besten einen mit Strom. Schützt ein Elektrozaun meine Tiere sicher?
Walther:  Einen hundertprozentigen Schutz gibt es leider nicht. Manche Wölfe schlüpfen unter dem Zaun durch, wenn der Spalt zum Boden nicht mit Spanndraht gesichert ist. Oder sie springen drüber. In Gebieten, wo das vorkommt, sollte man zusätzlich ein Flatterband über dem Zaun anbringen.Dann kann der Wolf scher einschätzen, wie hoch der Zaun wirklich ist. In Sachsen gab es im letzten Jahr allerdings nur zwei Wolfsangriffe auf große Herden. Die meisten Angriffe gab es bei Tierhaltern mit nur wenigen Schafen oder Ziegen. Hobbytierhalter haben ja meistens keinen Elektrozaun.

Hunde können nicht immer helfen

In Ostdeutschland arbeiten viele Tierhalter inzwischen mit Elektrozaun und scharfen Herdenschutzhunden. Also schaffe ich mir einen Hund an und das Problem mit dem Wolf ist gelöst?
Walther: Leider nein. Der Herdenschutzhund kann nicht überall eingesetzt werden.

Wieso nicht?
Walther: Der Herdenschutzhund ist kein gutmütiger Hütehund zum Knuddeln. Er ist unter Schafen aufgewachsen und versteht sich als Teil der Herde. Die verteidigt er vehement. In der Nähe von Wohngebieten oder in Wandergebieten kann es Probleme geben. Vor allem, wenn der Hund nicht ordentlich ausgebildet wurde. Selbst erfahrene Schäfer müssen sich mit dem Herdenschutzhund erst einmal intensiv auseinandersetzen. Zwei Hunde sollten es schon mindestens sein. Ab 500 Schafen braucht man bis zu drei Hunde, ab 1000 drei bis vier.

In Sachsen wurde kürzlich ein offenbar verhaltensauffälliger Wolf mit einer Ausnahmegenehmigung zum Abschuss freigegeben – sehr zur Empörung von Naturschützern. Bringen solche Einzelaktionen wirklich etwas für den Herdenschutz?
Walther:
Das war die erste Ausnahmegenehmigung in den 16 Jahren, seit es wieder Wölfe in Sachsen ist. Der sächsische Wolfs-Managementplan sieht Maßnahmen vor, wenn Wölfe sich nicht artgerecht verhalten. Das heißt, wenn sie sich Wohngebieten nähern und keine Scheu vor Menschen zeigen. Ich glaube aber, mit dem Abschuss wollte man vor allem vermeiden, dass der Wolf illegal abgeknallt wird.

Der Wolf hat keine natürlichen Feinde. Wie soll sich die Population überhaupt regulieren, wenn der Wolf nicht gejagt werden darf und das Nahrungsangebot nie knapp wird? Es steht ja genug Futter auf den Weiden herum.
Walther: Genau das ist das Problem. Wir werden künftig eine Regulierung des Bestands brauchen. Es geht nicht darum, den Wolf wieder auszurotten, sondern ein gesundes Gleichgewicht zu wahren.

Tierhalter nicht allein lassen

Wie zufrieden sind Sie bisher mit dem Wolfsmanagement der Bundesländer?
Walther: Ich bin sehr unzufrieden, weil es große Ungerechtigkeiten gibt. Jedes Bundesland ergreift andere Maßnahmen. Die Weidetierhalter haben außerdem das Gefühl, dass die Bevölkerung wenig Verständnis für ihre Probleme aufbringt. Sie leben auch in ständiger Angst. Das Horrorszenario: Ein Wolf greift an, die Herde bricht aus und verursacht einen Unfall.

Hat die Weidehaltung noch eine Zukunft?
Walther: Wir betreiben mit unseren Tieren Naturschutz und Landschaftspflege, und es kann nicht sein, dass das zu Gunsten der Wildtiere aufgegeben wird. Wir benötigen einen effektiven und bezahlbaren Weidetierschutz. Wenn man will, dass Tiere weiterhin raus dürfen, darf man die Tierhalter nicht alleine lassen mit ihren Problemen.

Was wünschen Sie sich konkret?
Walther: Wir wollen endlich wissen, wie die Weidetierhaltung in Deutschland künftig gestaltet werden soll und wie die Wolfspopulation gelenkt wird. Wir können unsere Schafe nicht hinter Festungsmauern halten. 

Zur Person

Regina Walther (Jahrgang 48) sitzt im Beirat des Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverbands. Früher war sie Zuchtleiterin des Verbandes und Referentin am sächsischen Landesamt für Umwelt und Landwirtschaft.

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