"Das Amt ist die Eintrittstür"
Wie Carina I. ihre Zeit als Bio-Königin erlebt hat
Als Bio-Königin war Carina Bichler zwei Jahre lang das Gesicht des bayerischen Ökolandbaus. Ein Amt, das ihr viele Türen geöffnet und den Weg auf große Bühnen geebnet hat. Im Interview zum Ende ihrer Amtszeit erzählt Carina I. von ihren prägendsten Begegnungen, echten Aha-Erlebnissen und ihrem Endgegner namens Blaukraut.
Zu Beginn deiner Amtszeit hast du ein Filzbuch zu deinem ständigen Begleiter ernannt, in dem du Notizen für deine Reden aber auch Erinnerungen festhalten wolltest. Wie viele Seiten haben sich seitdem gefüllt?
Carina Bichler: Gar nicht mal so viele. Für meine Auftritte musste ich dann doch oft auf Moderationskarten oder einfache Zettel ausweichen. Und zum Tagebuchschreiben bin ich die meiste Zeit gar nicht gekommen. Ich habe so viele Eindrücke gesammelt, die kann man kaum alle festhalten. Das sollte ich aber vielleicht noch nachholen.
Welches Erlebnis ist dir noch am meisten im Gedächtnis geblieben?
Carina: Ein Event, von dem ich niemals dachte, dass ich dazu als Rednerin angefragt werde: der Gillamoos-Montag in Abensberg. Das ist ein politischer Frühschoppen, zu dem die ganze bayerische Politprominenz zusammenkommt, und ich durfte dort als Grußwortrednerin der Grünen auftreten. Nach mir haben die Landes-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze und der Bundes-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter gesprochen – und am Ende stand etwas aus meiner Rede in der Zeitung.
Manchmal sind es ja dann aber doch die kleineren Momente, die hängen bleiben. Welche Begegnungen waren für dich die spannendsten?
Carina: Am meisten beeindruckt haben mich die vielen Menschen, die sich schon seit Jahren für den Ökolandbau einsetzen – zum Beispiel bei der Verleihung des goldenen Regenwurms. Wenn man sieht, mit welcher Begeisterung die Geehrten von ihrer Arbeit sprechen, ist das wirklich bewegend und es macht einen stolz, diese Menschen als Bio-Königin repräsentieren zu dürfen. Es ist auf der anderen Seite natürlich auch spannend, auf Veranstaltungen gehen zu dürfen, zu denen man als Normalsterblicher niemals kommt, wie der Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten oder das Sommerfest der Staatskanzlei. Da sind dann Berühmtheiten aus Funk und Fernsehen, mit denen man einfach mal ganz normal ins Gespräch kommen kann. Ich fand es zum Beispiel toll, den bayerischen Schauspieler und Moderator "Schmidt Max" zu treffen. Durch einen seiner Beiträge habe ich nämlich die passende Schneiderin für mein Upcycling-Dirndl gefunden.
Zur Person
Zwei Jahre lang durfte Carina Bichler den bayerischen Ökolandbau als Bio-Königin Carina I. repräsentieren. Die 29-Jährige stammt von einem Bioland-Betrieb im Unterallgäu und hat einen Master in Agricultural Economics in Hohenheim gemacht. Inzwischen lebt und arbeitet sie in Augsburg. Dort koordiniert sie für Bioland gemeinsam mit ihrem Team Bildungsveranstaltungen. Außerdem unterstützt sie mit ihrem Fachwissen das Demonstrationsnetzwerk Erbse/Bohne. Ziel des Projektes ist es, den Anbau und die Verarbeitung von Körnererbsen und Ackerbohnen in Deutschland zu unterstützen.
Hoheiten haben ja doch oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Wie wirst du von deinen Gesprächspartnern wahrgenommen?
Carina: Man glaubt kaum, wie oft Leute fälschlicherweise gedacht haben, ich sei die Bierkönigin. Die Verwechslungen gaben mir aber auch immer die Chance ganz viel aufzuklären, Bewusstsein zu bilden, Vorurteile abzubauen. Die meisten haben sehr schnell gemerkt, dass ich mit Fachwissen punkte. Wir haben zurzeit einfach viel zu viel mit Halbwahrheiten und Fake News zu tun. Da ist es mir wichtig, Studien mit belegbaren Fakten zu zitieren. Die großen Themen unserer Zeit sind für mich Klima-, Boden- und Artenschutz – und wir müssen deutlich machen, was der Ökolandbau da leistet.
Hattest du während deiner Amtszeit auch richtige Aha-Erlebnisse?
Carina: Ich habe total viel gelernt. Ich komme selbst von einem Gemischtbetrieb, der seit 33 Jahren nach Bioland-Richtlinien bewirtschaftet wird und habe natürlich auch einen gewissen Überblick über die Biobranche, aber es gibt auch viele Themen, mit denen ich vorher kaum Berührungspunkte hatte, wie Weinbau, Obstbau oder Verarbeitung. Man wirft einen Blick über den eigenen Tellerrand und lernt, was alles hinter den Produkten steckt. Dann kann man auch ganz anders aus der Praxis berichten und für diese Vielfalt werben, die bio eigentlich ausmacht. Für mich war es besonders toll, trotz der kurzen Zeit eine richtige Entwicklung sehen zu können. Ich finde, dass sich inzwischen auch viele außerhalb unserer Branche mit dem Thema auseinandersetzen. Bio ist raus aus der Nische und gehört für immer mehr Menschen zum Alltag.
Gab's auch Momente in denen etwas gehörig schiefgelaufen ist?
Carina: Ich habe da scheinbar eine kleine Pechsträhne mit der Grünen Woche. Letztes Jahr ist mir beim Dessert eine Kirsche in die Schärpe und auf das Dirndl gefallen. Umso besser wollte ich dieses Jahr beim Essen aufpassen – und letzten Endes hatte ich einen Blaukraut-Fleck auf der Schärpe. Also: nachts wieder die Schärpe gewaschen und im Hotelzimmer zum Trocknen aufgehängt. Tja, und da hing sie dann auch noch am nächsten Tag als ich Bayerns beste Bioprodukte auszeichnen wollte.
Wie hat dich die Zeit als Biokönigin persönlich weitergebracht?
Carina: Das sprechen auf großen Bühnen hat meiner Selbstsicherheit schon einen großen Schub gegeben. Dabei war mir auch immer wichtig, mir selbst treu zu bleiben. Gerade bei den Auftritten außerhalb der Biobranche sind so richtig spannende Diskussionen zustande gekommen. Generell konnte ich aber natürlich auch ganz viele wertvolle Kontakte knüpfen – bayernweit aber auch darüber hinaus.
Und wie hast du den Biolandbau weiterbringen können?
Carina: Ich habe das Thema "bio" immer wieder ins Gespräch gebracht und konnte viel aufklären. Irgendwie war die Hemmschwelle für die meisten Leute niedriger, mich einfach mal anzusprechen und ihre Fragen zum Thema zu stellen, als zum Beispiel eine offizielle E-Mail an einen Verband zu schicken. Da konnte ich ganz viele Unsicherheiten ausräumen. Und generell ist es so: Je häufiger Menschen dazu etwas mitkriegen, desto eher ändern sie ihre Meinung. Deshalb habe ich da immer wieder Impulse gegeben.
Würdest du's wieder tun?
Carina: Absolut! Mir ist das Thema eine echte Herzensangelegenheit. Und das Schöne ist: Man hat in diesem Amt auch viele Freiheiten. Es nicht so wie bei anderen Hoheiten, die mit ihrem Amtsantritt einen vollen Kalender übernehmen und genau gebrieft werden, was sie sagen sollen. Sondern: In Carina I. ist einfach sehr viel Carina. Ich darf meine Schwerpunkte selbst setzen und die Bio-Botschaften verbreiten - aber authentisch.
Es wurde auch immer wieder kritisch hinterfragt, wieso es keinen Bio-König gibt. Wie stehst du dazu?
Carina: Man kommt als Bio-Königin auf sehr viele Veranstaltungen, Gremiensitzungen oder ähnliche Termine, auf denen Frauen immer noch stark unterrepräsentiert sind. Da finde ich es besonders wichtig, als Fachfrau dabei zu sein. Das Amt ist eben oft die Eintrittstür. Ich habe mich immer als Bio-Botschafterin gesehen. Aber so traurig es ist: Mit diesem Titel würde man nicht so leicht in solche Runden kommen wie als "Hoheit". Inzwischen wird man aber immer häufiger eingeladen. Da hätte es schon auch seinen Charme, das Amt auf mehrere Schultern zu verteilen und einen Bio-König zu ernennen.
Deine Amtszeit endet mitten in der Corona-Krise. Wie hast du die letzten Monate erlebt?
Carina: Corona hat einen extremen Einschnitt mit sich gebracht. Zum Jahresbeginn war alles noch total trubelig: Neujahrsempfänge, Messen und auch auf der Arbeit war gerade dann sehr viel zu tun. Zu dem Zeitpunkt dachte ich: Irgendwann im März brauchst du mal 'ne Pause. Und dann kam es schneller als geplant: Als potenzielle Kontaktperson zu einer nachweislich Infizierten musste ich erstmal in Quarantäne. Wie viele Termine seitdem ausgefallen sind, lässt sich schwer sagen. Aber es war auch schön, mal wieder mehr auf dem Hof zu sein. Perfekt, um den Kopf frei zu kriegen.
Außer den Bogen um Blaukraut und Kirschen zu machen - was gibst du deinen Nachfolgerinnen mit auf den Weg?
Carina: Authentisch bleiben - und seinen eigenen Weg finden, das Amt mit Leben zu füllen. Einfach mit den Menschen ins Gespräch kommen und immer offen und neugierig sein.
Und wie sollte es aus deiner Sicht im Biolandbau weitergehen?
Carina: Wir haben gerade in den letzten Wochen und Monaten während der Corona-Krise gesehen: Die Leute wollen bio. Wenn sie selbst daheim kochen, greifen Viele zu Bio-Lebensmitteln. Das Problem ist aber, dass man außer Haus, also in Restaurants, Mensen, Kantinen und so weiter, überhaupt kein entsprechendes Angebot findet. Das sehe ich zum einen als große Baustelle, zum anderen aber auch als riesige Chance. Es ist wichtig, bio überall zu kriegen – nicht nur zu Hause.
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