Hier in den Tanks im Weinkeller gärt der Most zum Wein (Foto: Christof Herdt für Tre Torri)

Im Reich des Geschmacks

Zu Besuch in Rheinhessens Weinkellern

14.12.2020

Die Trauben sind geerntet, die Blätter herabgefallen. Winzerinnen und Saisonarbeiter sieht man nur noch sehr vereinzelt. Hinter den Kulissen - oder besser: hinter den Scheunentoren - geht es allerdings auch jetzt fleißig zu. Drei Winzer aus Rheinhessen nehmen uns mit hinab in den Keller zu gärendem Most und reifendem Wein.

Von Meike Fredrich

Zum Keller geht es gar nicht unbedingt die Treppe hinunter. So wie im Weingut Arndt F. Werner in Ingelheim: „Bei uns gibt es neben dem klassischen, urigen Gewölbekeller mit dicken Holzfässern auch unsere neu gebaute, ebenerdige Kellerei mit modernen Edelstahltanks“, erzählt Juniorchef Thomas Werner.

 

Die Technik macht's möglich. Während ein Vorteil der Keller früher vor allem die gleichbleibende Temperatur war, kann diese in der neuen Halle mit einem Ventilator und Luftklappen für die Nacht geregelt werden. Ein weiterer Pluspunkt für das Untergeschoss war, dass der Most einfach in die Tanks hinablaufen konnte - ganz ohne Pumpe.

Und heute? Da trifft die Moderne die Klassik und beide Räume erfüllen ihren Zweck gleich gut.

Die ersten Arbeiten im Reifekeller und in der Kellerei fallen schon an, bevor die Trauben gelesen, also geerntet, werden. Zu den Vorbereitungen für den Herbst zählen: die Tanks und Fässer säubern, die Maschinen herrichten und die Bütten bereitstellen. Da hier nach der Lese die Trauben gepresst werden, der Most gärt und die Weine reifen, muss rechtzeitig startklar gemacht werden.

 

Das Herzstück: die Kelter

Die frisch geernteten Trauben kommen in Bütten per Traktor ins Weingut und landen dann direkt im sogenannten Entrapper, in der Abbeermaschine. „Beim Entrappen entfernt eine Maschine die Stiele, sodass nur noch die Beeren übrigbleiben. Diese werfe ich dann auf die Kelter – also die Traubenpresse - und los geht's“, sagt der Winzer. Je nach Rebsorte wird anders gepresst, sodass die Kelterzeiten zwischen zwei und acht Stunden variieren können. Heraus kommt der Most. Presst man nicht die ganzen Trauben, sondern die Maische – ein vorgestampftes, dickflüssiges Gemisch aus Fruchtfleisch, Traubenkernen, Schalen und Saft – geht es schneller.

Thomas erklärt den Unterschied auf dem Weg zum fertigen Wein: „Weiße Trauben werden direkt gekeltert und gären als Most. Rotwein hingegen vergärt auf der Maische und wird dann erst gepresst. Keltert man rote Maische direkt oder lässt sie nur sehr kurz gären, dann entsteht zum Beispiel ein Blanc de Noirs oder Rosé.“

 

Thomas und seine Eltern führen das Weingut gemeinsam - mit Freude, wie man sieht (Fotos: Weingut Arndt F. Werner)

 

 

In der Kelter werden die Trauben zu Most gepresst

 

 

Die Maische wird gestampft - in diesem Fall per Hand

 

 

Auch Saubermachen gehört dazu - die Tanks werden von innen gereinigt. Platzangst darf man hier nicht haben

 

Zurück bei der Kelter tropft der Most in eine Wanne darunter. Um die Gärung zu verzögern, wird er in einen gekühlten Tank gepumpt. Hier bleibt der Most einen Tag lang stehen, damit sich die Schwebstoffe ablagern. Wenn das geschehen ist, wird der trübe Teil gefiltert und der klare kommt direkt in einen Gärbehälter. Dieser und auch der spätere Reifebehälter beeinflussen den Geschmack des Weines. „Chardonnay kommt beispielsweise in Eichenholz- oder spezielle Barriquefässer, da ihm der Holzausbau steht. Durch ältere Fässer und den Gasaustausch darin wird der Wein cremiger. Ein fruchtiger Riesling wäre dort völlig fehl am Platz. Er gärt im Edelstahltank“, erklärt der Juniorchef.

Die Gärung en détail

Rund 40 Kilometer weiter im Weingut Bäder sind die Tanks gut gefüllt. Jens Bäder überwacht die Gärung. Auch wenn das Wort vielleicht nicht ganz so appetitlich klingen mag, ist es im Weingut einer der wichtigsten Prozesse überhaupt. Denn: Bei der Gärung wird der Zucker im Most in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt. Dafür verantwortlich sind Hefen. Sie befinden sich von Natur aus auf den Beerenhäuten oder werden dem Most als zugesetzt. Und genau diesen Prozess muss Jens Bäder gut im Auge behalten – beziehungsweise im Mund. „Tatsächlich probieren wir unsere Weine in der Entstehungsphase sehr oft. Aber natürlich nutzen wir auch Messgeräte, um den Zuckerabbau zu kontrollieren“, erzählt der Winzer.

 

Vor Kurzem haben er und seine Frau Katja in die Kellertechnik investiert. Und zwar in ein digitales Dichtemessgerät. Dieses zeigt den Zuckergehalt im Most an. Grundsätzlich gilt: Je reifer die Trauben, desto höher der Zuckergehalt. „Lange galt bei uns das germanische System, das die Qualität des Weines am Zuckergehalt der geernteten Trauben festmacht. Also: Je höher der Zuckergehalt, desto besser der Wein“, erklärt Jens. „Aktuell findet allerdings ein Paradigmenwechsel zum romanischen System statt, wie beispielsweise in Frankreich: Hier ist die Güte des Weines abhängig von der Weinlage und nicht vom Zuckergehalt.“

Im Weingut Bäder wird zwar nicht französisch gesprochen, aber Lagenweine gibt es auch hier im rheinhessische Wendelsheim. Bei diesen Weinen steht, wie der Name schon vermuten lässt, die Lage im Vordergrund. Diese besonderen Weinberge sind im Weingesetz definiert. Dort geht es zum Beispiel darum, wie steil sie sind oder woraus der Boden besteht. Ihnen gegenüber stehen die Gutsweine, bei denen die Rebsorte im Vordergrund und somit auch auf dem Etikett steht.

 

Die Gärdauer der verschiedenen Weine ist nicht vorhersehbar und erklärt die vielen Sensorik-, Mess- und Laborkontrollen. „Der Most in den Tanks gärt nicht chronologisch, also nicht in der Reihenfolge in der wir die Zeilen geerntet haben“, erzählt Jens. „Unser Grauburgunder ist beispielsweise schon vergoren und die Tanks sind schon abgestochen, das heißt: von der Hefe und weiteren Schwebstoffen getrennt. Bei anderen Weinen hoffen wir, das Gärziel – also, dass der Wein schön trocken ist – vor Weihnachten zu erreichen.“ Wann die Hefe vom zukünftigen Wein getrennt wird, beeinflusst stark den Geschmack. Ein Patentrezept gäbe es hierfür nicht. Entscheidend sei der geschmackliche Eindruck beim Probieren.

 

Jens und Katja probieren ihre Weine, also die Jungweine, während der Gärung regelmäßig (Fotos: Inge Miczka)

 

 

Mit dem digitalen Dichtemessgerät misst Jens den Zuckergehalt im Most

 

 

Grundsätzlich gilt: Je reifer die Trauben, desto höher der Zuckergehalt

 

 

Analog geht auch: Die Mostspindel nutzt die unterschiedlichen Dichteeigenschaften, um zum Ergebnis zu kommen: Je dichter – also zuckerreicher - die Flüssigkeit ist, desto weniger taucht die Spindel ein

 

Schwefeln, abfüllen, genießen

„Ja, schmecken ist wirklich das A & O“, bestätigt Thomas Bischmann, dessen gleichnamiges Weingut weiter gen Osten in Wintersheim liegt. „Wie ist die Harmonie? Wie ist die Säure? Müssen wir besondere Maßnahmen einläuten?“ All diese Fragen stellt sich der Winzer, nachdem er den Wein mit Schwefel versetzt und abgestochen hat. Andersherum – erst abstechen dann schwefeln - ginge übrigens auch. Aber warum macht man das überhaupt? „Der Schwefel verhindert die Oxidation, also eine überschnelle Alterung, und dient somit der Konservierung. Das kann man gut mit einem durchgeschnittenen Apfel vergleichen, der braun wird“, erklärt Thomas. Beim Wein würde es ähnlich ablaufen und der Schwefel verhindert das.

 

Die Menge hängt dabei vom Gesundheitszustand der Trauben ab. Sind wenige faule Beeren dabei, braucht man weniger Schwefel. Generell dürfen Bio-Winzer*innen nicht so viel davon einsetzen wie konventionelle Weingüter. Nachdem hier alle Werte passen, kann der Wein eingelagert werden.

Je nachdem, was mit dem Wein geplant ist, erfolgt die Abfüllung früher oder später. Federweißer, bei dem der Most schon ein bisschen gegoren ist und in der Flasche weitergärt, sowie Jungweine werden schon kurz nach der Lese im September und Oktober abgefüllt. Aktuell werden bei dem Weingut in Wintersheim die ersten „richtigen“ Weine abgefüllt: Rot- und Weißwein aus diesem Jahr sowie Rotwein aus 2019. „Die frühen Füllungen dienen dem schnellen Verbrauch und sind nur die allernötigste Menge, um ins neue Jahr zu kommen“, erzählt der Winzer. „Die zweite Partie aus diesem Jahr und Weine aus anderen Jahrgängen lagern noch ein bisschen länger. Diese werden wir im Januar und Februar abfüllen.“

 

Rund 1100 Flaschen befüllt seine Maschine pro Stunde. Dass die Abfüllung auf dem eigenen Betrieb erfolgt, ist ihm sehr wichtig. „Eigentlich kann man nicht viel falsch machen, aber wenn doch, gibt's kein Zurück“, erklärt er. Zudem kann er die Anzahl genau auf die Lagermöglichkeiten abstimmen.

 

Die Familie Bischmann packt sowohl privat als auch in den Weinbergen gemeinsam an (Fotos: Weingut Bischmann)

 

 

Maischevergorene Weißburgunder Trauben: Durch die Bereitung als Natur- oder Orange-Wein, also einer besonderen Ausbauvariante, wird kein oder nur sehr wenig Schwefel gebraucht

 

 

Wie bei den anderen Weingütern: Zur sorgfältigen Reinigung der Tanks muss man auch mal rein

 

 

Mit dem Filter werden Trubstoffe entfernt

 

Die fertigen Flaschen werden verschlossen und ohne Etikett zur Seite gestellt. Denn: Erst wenn der Wein analysiert, eine amtliche Prüfnummer vergeben und von der Landwirtschaftskammer das Go gegeben wurde, wird das Etikett inklusive Prüfnummer angebracht. Und dann? „Tja, dann geht unser Wein endlich zur Kundschaft“, sagt Thomas und blickt zufrieden in seinen Keller – sein Reich des guten Geschmacks.

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