"Ich weiß einfach, dass es das Richtige ist"
Warum für Thilo Metzger-Petersen kein Weg an einem Biorestaurant vorbeiführte
Konsequent regional und bio bis auf den Teller - das ist der Weg, den Thilo Metzger-Petersen für seinen Familienbetrieb geht. In dem Bioland-zertifizierten Restaurant "Hofküche" auf dem Backensholzer Hof bei Husum bekommen seine Gäste Bio-Produkte aus eigenem Anbau oder aus der Region Schleswig-Holstein serviert. "Alles andere wäre fadenscheinig", sagt der Gastronom im Interview.
Herr Metzger-Petersen, Ihr Betrieb umfasst mehrere Standbeine. Welche genau?
Metzger-Petersen: Gemeinsam mit meinem Bruder Jasper führe ich unseren Familienbetrieb, der seit 1989 ein Bioland-Betrieb ist und den wir von unseren Eltern übernommen haben. Mein Bruder führt den landwirtschaftlichen Teil mit Milchvieh, etwas Acker- und Gemüsebau, und ich habe die Käserei übernommen. Die Käserei ist unser Kerngeschäft. Vor zweieinhalb Jahren haben wir einen Kindergarten bei uns auf dem Hof integriert. Unser neuester Zuwachs ist unsere „Hofküche“, die wir im April 2019 als gastronomisches Konzept eröffnet haben.
Was macht die "Hofküche" aus?
Metzger-Petersen: Wir arbeiten ausschließlich mit ökologisch erzeugten Zutaten, bis auf Wild, weil das nicht zertifizierbar ist, und Fisch. Da habe ich einen regionalen Partner, der sehr naturnah arbeitet und mir Lachsforellen liefert, die 50 Kilometer von hier gezüchtet werden. Das Besondere an unserem Konzept ist auch, dass wir Teil des Feinheimisch-Netzwerks sind. Das ist ein schleswig-holsteinischer Genussverband aus Produzenten, Gastronomen und Endverbrauchern. Wir verpflichten uns, mindestens 60 Prozent schleswig-holsteinische Ware einzusetzen und komplett auf Convenience zu verzichten. Das macht uns nicht nur zu einem Bioland-Restaurant, sondern auch stark regional und handwerklich. Unser Hauptthema ist "Vom Hof auf den Teller".
Was steckt hinter diesem Konzept?
Metzger-Petersen: Die langfristige Idee ist, auf den Großhandel zu verzichten und nur in der Region direkt zu kooperieren. Regionale Ware bestimmt auch unsere kleine Karte mit Produkten, die wir selber vom eigenen Hof haben. Zusätzlich gibt es Empfehlungen, in denen wir auf die Saison eingehen. Aktuell haben wir über 80 Prozent regionale Produkte aus Schleswig-Holstein im Einsatz, viel in direkter Zusammenarbeit mit den Produzenten.
Welche Vor- und Nachteile hat es, sich regional so stark zu binden?
Metzger-Petersen: Für mich hat es nur Vorteile. Wir stärken die Region und schaffen kulinarisch eine Identität. Das ist das Schöne an der saisonalen Küche, dass es auch eine Regionenküche ist. Es gibt keine deutsche Küche, sondern die Küche mit Zutaten aus Norddeutschland.
Sie haben Maultaschen auf der Karte, die habe ich in Norddeutschland nicht vermutet!
Metzger-Petersen: Nun, darin stecken Mehl, Eier, Frischkäse, wir haben eigenes Mehl, eigene Eier, eigenen Käse. Das ist 100 Prozent Backensholz. Das ist vom Hof auf dem Teller.
Ihr Hof arbeitet bereits nach Bioland-Richtlinien, die Käserei auch. Wieso war es Ihnen wichtig, auch Ihr Restaurant "Hofküche" bio zu zertifizieren?
Metzger-Petersen: Alles andere wäre fadenscheinig. Als überzeugter Öko wäre es nicht glaubwürdig, auf einem Biohof ein konventionelles Restaurant zu führen. Und es gibt viel zu wenig Biogastronomie.
Warum ist das so?
Metzger-Petersen: Es müsste einfacher sein, umzustellen. Wenn wir wollen, dass es mehr Biorestaurants gibt, müssen die Barrieren sinken. Die Zertifizierung kostet ne Menge Geld, es kommt viel Dokumentation hinzu, eine Umorganisation im Kühlhaus, die Strukturen müssen angepasst werden. Die Gastronomen sollten aber auch an die Hand genommen werden, es muss in den Lehrplan rein.
Welche Rolle spielt der Kunde?
Metzger-Petersen: Biogastronomie muss vom Kunden gefordert werden. Aber gerade in Ballungsgebieten sind diese bereit dazu. Jedoch müssen die Menschen mehr aufgeklärt werden, Sternegastronomie ist das beste Beispiel. Die Bevölkerung glaubt, dass jemand, der gut kochen kann, auch gute Produkte hat und das Produkt wertschätzt. Das ist oft genug nur Fassade. Die wenigsten sind wirklich so weit, dass sie sich intensiv damit befassen. Insofern ist es für mich selbstverständlich, dass wir Bioprodukte und möglichst auch Verbandsware benutzen und zusätzlich gute Handwerker sind. Das muss Hand in Hand gehen. Man kann auch mit den besten Zutaten ein Gericht versauen.
Zur Person
Thilo Metzger-Petersen ist ausgebildeter Lebensmitteltechnologe, Käser und leidenschaftlicher Koch. Gemeinsam mit seinem Bruder Jasper führt er den Familienbetrieb Backensholzer Hof in der Nähe von Husum. Seine Eltern Martina und Ernst Metzger Petersen stellten bereits 1989 den gesamten Hof auf Bioland-Richtlinien um. Seitdem versuchen sie, den Produktionskreislauf am Hof immer weiter zu schließen und zu optimieren. Deshalb haben sie sich mit ihrem Restaurant "Hofküche" dem Verein "Feinheimisch" angeschlossen, der den Fokus auf regionale Produkte in der Küche und den Verzicht auf Convenience vorschreibt.
Wie gehen Ihre Köche im Restaurant mit dieser Umstellung um?
Metzger-Petersen: Für sie war das eine große Umgewöhnung. Die kommen aus „ganz normalen“ Restaurantküchen. Wir haben uns durch Bio und durch "Feinheimisch" einem gewissen Zwang unterworfen. Für Köche, für die immer Lamm und Artischocken verfügbar waren, ist es krass, wenn wir hier nur mit Produkten aus Schleswig-Holstein kochen, wenn Sie fertig sind. Ich beobachte jedoch, dass die Köche anders Feuer fangen für ihr Fach. Auf einmal muss man wieder etwas lernen.
War das für Sie die größte Herausforderung beim Aufbau des Restaurants?
Metzger-Petersen: Auch, aber vor allem unseren Stil zu finden. Denn dieser ist abhängig von der Verfügbarkeit der Produkte und wie diese verarbeitet werden. Wenn man so radikal arbeitet wie wir, muss man viel Wissen wieder generieren. Wir wissen jetzt zum Beispiel nach eineinhalb Jahren Restaurantbetrieb: Wie gehen wir mit einer alten Milchkuh um? Wie lange muss die abhängen? Was ist die perfekte Garmethode? Wir schlachten immer nur ein Tier. Also wird erst mal das ganze Tier aufgebraucht. So müssen wir die besseren Handwerker sein als die konventionellen Kollegen, weil wir keine Hilfsmittelchen haben wie Zusatzstoffe und dazu eine begrenzte Verfügbarkeit von Rohmaterialien. Die Köche kommen zurück dazu, was sie sein sollen - nämlich dass sie die Qualität des Produktes wertschätzen und nicht einfach nur was wegschaffen. Das kann Biogastronomie sehr gut leisten.
Sollte Bio in der Gastronomie der Standard sein?
Metzger-Petersen: Zumindest sollte es eine "mit"-Auszeichnung geben, also "mit Spritzmitteln hergestellt", "mit genetisch veränderten Lebensmitteln", nicht umgekehrt, wie es aktuell noch Praxis ist.
Das ist auch Ihre Art, in der Speisekarte zu kommunizieren. Am Anfang schreiben Sie: " Alles kommt aus ökologischer Produktion, es sei denn, es steht dabei, dass etwas konventionell erzeugt wurde." Was sagen Ihre Gäste dazu?
Metzger-Petersen: Vielen fällt das gar nicht auf, die blättern gleich zu den Gerichten, sie sind ja zum Essen da (lacht). Viele kennen uns als alteingesessenen Biobetrieb, denen ist klar, dass sie in einem Biorestaurant sind. Ich schätze aber, dass es zu vielen noch egal ist, ob sie in einem zertifizierten Restaurant essen. Unsere Aufgabe sollte sein, das zu ändern. Wir wollen in Zukunft noch mehr kommunizieren, dass wir ein Biorestaurant sind. Für mich ist das so selbstverständlich, dass ich nicht daran denke, es besonders hervorzuheben. Auch das kann die Biogastronomie noch lernen, sich deutlicher zu zeigen. Wir sehen die Notwendigkeit nicht, stolz darüber zu sprechen.
Können Sie selbst noch auswärts essen gehen?
Metzger-Petersen: Na klar. Seitdem ich ein Restaurant führe, schaue ich hier und da genauer hin. Aber ich bin ein absoluter Lustmensch und kann auch wunderbar eine konventionelle Tiefkühlpizza essen. Das muss auch drin sein, ohne die Biobibel unterm Arm zu tragen. Aber jeder Gast, der zu uns kommt, rettet die Welt. Ob es ihm bewusst ist oder nicht, er isst ein besseres Produkt.
Ist das die Verantwortung des Verbrauchers?
Metzger-Petersen: Der persönliche Konsum ist das erste und stärkste Mittel, zu dem wir greifen können. Als Gast, aber auch als Gastronom. Er kann zum Landwirt um die Ecke gehen und fragen, ob er ihm was abkaufen kann. Andererseits können sich die Landwirte ruhig trauen, zum Gastwirt um die Ecke zu gehen und zu fragen: Brauchst du was? Auch wenn es nur kleine Mengen sind, es ist ein Anfang und man probiert was aus.
Warum sollte ich als Verbraucher in ein Biorestaurant gehen? Und warum sollte ein Gastronom überhaupt umstellen?
Metzger-Petersen: Für den Gastronom ist es eine tolle Möglichkeit, neu an sein Handwerk anzuknüpfen, "back to the roots" sozusagen, und man erlebt ein tolles Netzwerk aus Produzenten in der Region. Der Gast kommt im besten Fall in den Genuss von Gerichten aus guten Produkten auf handwerklich hohem Niveau, die er bewusst konsumieren kann und auch was über die Lebensmittel und ihre Herkunft erfährt. So ist der Gast dem Produkt ein ganzes Stück näher.
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