Im Winter ist die Zahl der Bienen im Volk stark reduziert, dennoch können sie sich gut gegenseitig wärmen - auch bei Schnee (Fotos: Taunusbiene)

Frieren Bienen im Winter?

Einblicke in den Alltag einer Bioland-Imkerei

25.01.2021

Die Hände sind kalt, die Bäume kahl. Wo im Sommer tausende Bienen auf der Suche nach Nektar umherschwirren, ist es im Winter einsam und ruhig. Aber was machen die fleißigen Tierchen und die dazu gehörigen Imker*innen eigentlich, wenn es draußen fröstelt? Samuel Gottschalk von der Imkerei Taunusbiene zeigt im Video, was im Winter in einem Bienenvolk los ist.

Von Meike Fredrich

Nun weißt du also, was aktuell in der kalten Jahreszeit zu tun ist. 10.000 bis 15.000 Bienen wärmen sich in der Wintertraube gegenseitig. Sie ernähren sich von den Futtervorräten im Stock - bis dann im Frühjahr das Völkerwachstum wiedereinsetzt. Zur Sommersonnenwende zählt ein durchschnittliches Volk dann ganze 50.000 bis 60.000 Bienen. Was das Team der Imkerei Taunusbiene dann zu tun hat, erzählt uns Samuel im Interview.

Worin unterscheiden sich die konventionelle und die Bio-Imkerei?
Samuel Gottschalk: Wir achten bei der Aufstellung der Bienenkästen darauf, dass wir sie so gut wie möglich von konventionell bewirtschafteten Flächen und umweltbelastenden Betrieben fernhalten. Natürlich können wir den Bienen nicht vorschreiben, wohin sie fliegen – vor allem bei einem Flugradius von bis zu drei Kilometern. Aber durch die Standortwahl können wir sie schon recht gut vor Pflanzenschutzmitteln, Insektiziden und Co. schützen. Es geht auch darum, die Bienen so artgerecht wie möglich zu halten. Ihre „Wohnungen“ sind beispielsweise aus natürlichen Materialen wie Holz und Stroh und nicht aus Kunststoff oder Styropor. Die Bienen dürfen auch ihren Bautrieb im Bienenstock ausleben, indem wir nicht alles mit gefertigten Mittelwänden vorgeben.

Samuel kam über seine Schwiegermutter Annette Widmer zur Imkerei

 

In der sogenannten Schwarmzeit spalten sich ein Schwarm und die alte Königin vom ursprünglichen Volk ab. Sie wollen sich vermehren und wandern ab. Manche Imker*innen schneiden ihren Königinnen die Flügel, um das zu verhindern.
Samuel: Das machen wir bei Bioland auf keinen Fall. Natürlich ist es immer ein großer Verlust, zumal die Bienen kaum eine Überlebenschance ohne uns Imker haben. Aber da gibt es andere Wege, ohne diese Verstümmelung. Wir wirken dem Schwarmtrieb der Bienen beispielsweise entgegen, indem wir ab einer gewissen Volksstärke das Volk einfach teilen.

Was uns auch von den konventionellen Kollegen unterscheidet, ist die Behandlung gegen die sogenannte Varroamilbe. Um sie zu bekämpfen, verwenden wir nur natürliche Säuren, die auch schon im Bienenvolk vorkommen. Chemische, synthetische Mittel sind ein absolutes No-Go. Das will ja schließlich auch niemand essen, wenn man drüber nachdenkt.

Wir lieben unsere Bienen - wie die allermeisten Imker, gleich ob konventionell oder bio, ebenfalls. Aber durch die Einhaltung der Bioland-Richtlinien und durch die Kontrollen wird sichergestellt, dass wir mit den Bienen imkern. Fehler oder Missverständnisse in Bezug auf die Bienenhaltung können schnell behoben oder gänzlich vermieden werden.

 

Wie wurde eure Imkerei, die Taunusbiene, geboren?
Samuel: Meine Schwiegereltern in spe, Annette und Uli, hatten sich quasi schon in „grauer Vorzeit“ eine circa 1,8 Hektar große brachliegende Streuobstwiese zugelegt. Die beiden haben sie dann wieder auf Vordermann gebracht, aber die Obstbäume zunächst nicht so recht. Über einen Zeitungsartikel wurde Annette auf Imkern als Hobby aufmerksam und fand es so spannend, dass sie sich erste Bienenvölker zulegte. Schnell entstand dann auch der Traum von der eigenen Imkerei. Denn wo kann man noch etwas Gutes für die Natur sowie die Region tun und ganz nebenbei eines der köstlichsten Lebensmittel herstellen? Noch im Gründungsjahr 2014 entschieden wir uns für die Bioland-Zertifizierung. Mit der Zeit konnten wir die Taunusbiene immer weiter ausbauen – trotz einiger Rückschläge. Unser Kernteam besteht aus vier Leuten, wovon jeder sein eigenes „Steckenpferd“ hat. Wir ergänzen uns prima und es macht einfach großen Spaß.

 

Sommer, Sonne, Sonnenschein: Annette und Samuel machen sich auf den Weg zu ihren Bienenvölkern

 

 

Vor Ort erleichtert ihnen der sogenannter Smoker die Arbeit: Durch den Rauch werden die Bienen ruhiger

 

 

Neben Annette und Samuel gehören noch Dennis (linke Bilder) und Uli (rechte Bilder) zum Team ...

 

 

... und natürlich die wichtigsten Teammitglieder: die tierischen Taunusbienen

 

Wie viele Bienen habt ihr denn ungefähr?
Samuel: Wir haben aktuell 190 Völker inklusive kleinerer Jungvölker eingewintert. Die Menge an Bienen darin variiert pro Volk zwischen 5.000 und 15.000 Bienen. Da wir die Bienen zurzeit nicht stören wollen, können wir nicht genau nachschauen. Wir hoffen allerdings, dass die meisten über 10.000 Bienen beherbergen.

Und für diese bietet ihr auch Patenschaften an. Wie läuft das ab?
Samuel: Für 50 Euro erhalten die Paten eine Patenschaft für ein Volk, zwei Gläser Naturhonig und eine schöne Patenschaftsurkunde. Außerdem gibt es von März bis September einen Newsletter für die Hochphase der Bienensaison mit entsprechenden Infos und Fotos. Besuche bei uns in der Imkerei und ein Blick hinter Kulissen sind auch möglich.

Das Geld unterstützt zum einen unsere artgerechte und nachhaltige Bienenhaltung. Zum anderen wollen wir zusätzlich Maßnahmen zum Erhalt und Ausbau der heimischen Biodiversität umsetzen. Wir hängen zum Beispiel Nistkästen auf und pflanzen heimische Baumarten. Aktuell haben wir 25 Exemplare der europäischen Stechpalme bestellt. Der „Baum des Jahres 2021“ hat einen hohen Pollen- und Nektarwert für Honig- und Wildbienen.
 

 

Neben sortenreinem oder Jahreszeiten-Honig verkaufen die menschlichen Taunusbienen auch besondere Kreationen wie Honig mit Zimt, Espresso oder Ingwer

 

 

Auch Honigwein bzw. Met gibt’s im Sortiment. Das Team von der Taunusbiene empfiehlt, den Honigwein auf circa 60 Grad mit einer Zimtstange und einer zerstoßenen Kardamomkapsel zu erwärmen. Und dann? Einfach genießen

 

 

Das ganze Jahr über gibt es viel zu tun, damit die Produkte entstehen. Besonders wichtig dabei sind die natürlichen Materialien für die Behausung und deren Pflege

 

Ein weiteres tolles Produkt ist das Wachs. Wie gewinnt ihr es und was kann man damit machen?
Samuel: Der sogenannte Wachskreislauf beginnt natürlich bei unseren fleißigen Mitarbeiterinnen – und zwar bei den circa 10 bis 18 Tage alten Arbeiterinnen. In diesem Zeitraum sind ihre Wachsdrüsen aktiv, und sie schwitzen kleine Wachsplättchen aus. Nachdem sie sie mit ihren Mundwerkzeugen gekaut und mit körpereigenem Drüsensekret angereicht haben, können die Plättchen für den Wabenbau genutzt werden.

Und nun kommt unser Kollege Uli ins Spiel: Denn er kümmert sich um die sogenannten Wachsabfälle. Sie entstehen zum einen beim Honigschleudern, also bei der Ernte. Zum anderen bei der generellen Völkerpflege, wenn alte Waben durch neue ausgetauscht werden. Mit einem Wachsschmelzer trennt Uli das Wachs in mehreren Runden von den übrigen Unreinheiten – das nennt man „klären“ und ist eine recht aufwendige, aber lohnenswerte Arbeit. So erhalten wir reinstes und hochwertigstes Bienenwachs, das wir zu Kerzen oder separaten Wachsblöcken weiterverarbeiten. Damit kann man zum Beispiel Lippenbalsam herstellen. Eine Anleitung dazu gibt’s hier.

 

Mehr zu Bienen

Schnell, stark und vielseitig

Flotte und fleißige Bienen finden wir in unserem alltäglichen Sprachgebrauch oft. Samuel Gottschalk trifft sie sogar regelmäßig persönlich – und zwar auf der

Weiterlesen
Hummel an Blüte

Seit 100 Millionen Jahren leben Bienen auf unserer Erde. Die meisten Arten im Schatten der Honigbiene. Dabei sichern gerade Wildbienen unser Überleben. Biologe

Weiterlesen
Der Preis der Natur

Das macht zehn Euro, bitte. Was, wenn neben jedem Baum ein Münzautomat stehen würde, den man füttern müsste, um Sauerstoff zum Atmen zu haben? Für viele gilt noch

Weiterlesen