Landwirtschaft soll auch dazu beitragen, dass die EU klimaneutral wird (Foto: Sonja Herpich/Bioland)

Farm-to-Fork schickt Europa auf den Bio-Weg

Strategie muss Grundlage der EU-weiten Agrarpolitik werden

25.05.2020

Die Strategie „Vom Hof auf den Teller“ und die Biodiversitätsstrategie sind Teil des Green Deal der Europäischen Kommission. Beide zahlen auf die Landwirtschaft ein und wurden jetzt in Brüssel vorgestellt. Europas Land- und Lebensmittelwirtschaft soll deutlich ökologischer werden. Der Ökolandbau soll in den EU-Mitgliedsstaaten bis 2030 auf 25 Prozent ausgeweitet und der Pestizid- und Antibiotikaeinsatz halbiert werden - ein richtiges und ermutigendes Signal, kommentiert Jan Plagge, Präsident von Bioland und der IFOAM EU-Gruppe.

Von Jan Plagge

Viele Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind sich einig: Ein „Weiter so“ ist keine Option mehr. Das gilt für die Landwirtschaft genauso wie für das Gesamtsystem unserer Ökonomie. Wollen wir unsere Lebensgrundlagen bewahren und zum Positiven entwickeln, müssen wir unsere Art des Lebens und Wirtschaftens deutlich verändern. Vor allem der Klimawandel schreitet wesentlich schneller voran und entfaltet seine fatalen Auswirkungen viel früher, als wir es bisher angenommen hatten. Auch der rasante Rückgang der Artenvielfalt, der unsere eigenen Lebensgrundlagen unmittelbar bedroht, findet zunehmend Raum im gesellschaftlichen Bewusstsein.

So war es nur folgerichtig, dass die Europäische Kommission im Dezember ihren Green Deal vorstellte. Sie versteht ihn als Fahrplan für eine nachhaltige Wirtschaft in der Union. Mit dem Green Deal soll die EU unter anderem das Klimaziel, bis 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freizusetzen, erreichen. Um diesen Umbau konkret zu machen und die gemeinsame Politik  der Europäischen Union in diese Richtung zu lenken, hat die Kommission 40 Initiativen angeschoben. Für die Landwirtschaft insbesondere wichtig sind zwei Strategien, die Farm-to-Fork-Strategie - vom Hof auf den Teller - und die Biodiversitätsstrategie. Beide sind nun Teil des New Green Deal der EU-Kommission, die mit ihrer Entscheidung ein wichtiges und ermutigendes Signal setzte: Europas Land- und Lebensmittelwirtschaft soll bis 2030 deutlich ökologischer werden.

Kommission: Bisherige Maßnahmen genügen nicht

Beide Strategien sind keine neuen Verordnungen, sondern sie beschreiben Wege in die Zukunft, die mit konkreter Politik unterlegt werden sollen. Am Ende soll ein faires, gesundes und umweltfreundliches Ernährungssystem stehen. Die Entwürfe lesen sich bemerkenswert deutlich: Hier stehen die Klimakrise und der Schwund der Artenvielfalt in Zusammenhang mit Problemen der Lebensmittelsicherheit, mit Fehlernährung, Antibiotikaresistenzen, Lebensmittelverschwendung und globalem Handel. Ausmaß und Tempo der bisher eingeleiteten Veränderungen genügen nicht, so die Kommission, um die Ziele einer nachhaltigen Lebensmittelversorgung zu erreichen.
Deshalb setzt die Kommission nun ambitionierte Ziele und Handlungsfelder für die Landwirtschaft: Die Zielmarke von 25 Prozent Ökolandbau bis 2030 ist dabei ein wichtiger Wegweiser in Richtung Landwirtschaft der Zukunft. Auch sollen Pestizid- und Antibiotikaeinsatz deutlich reduziert werden, ebenso die Düngung.

Ein zentrales Instrument zur Umsetzung der Strategien sollen die nationalen Pläne in der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) sein. Hierin liegt die Chance, dass die Farm-to-Fork-Strategie nicht nur ein weiteres schönes Papier ist, sondern wirkliche Veränderungen einleitet. So ist es nicht überraschend, dass sich Widerstand gegen die Strategie formiert. Er wird von all jenen getragen, die das heutige Landwirtschafts- und Ernährungssystem bewahren wollen und größere Politikreformen ablehnen. Vor allem die GAP mit ihren Direktzahlungen soll so bleiben, wie sie ist - den Status quo gelte es in der Corona- Krise zu stabilisieren. Der Green Deal wird angeblich zum Luxus, den man sich in der jetzigen Situation nicht leisten kann, konstatieren die Gegner der Veränderung.

Green Deal ist kein Luxus

Das ist falsch. Wenn die Corona-Epidemie fatale Folgen auf die Wirtschaft hat, dann eben auch, weil unsere Art des Wirtschaftens ungesund ist. Sie basiert - kurz gesagt - auf einer weltweiten Ausbeutung billiger Ressourcen und billiger menschlicher Arbeitskraft. Sie basiert auf der Zerstörung von Natur und Umwelt und resultiert in einer absehbaren Klimakatastrophe. Deshalb müssen wir unsere Agrar-, Wirtschafts- und Handelspolitik so vorantreiben und gestalten, dass wir die wirtschaftliche Existenz der Menschen, in unserem Fall der Bauern und Bäuerinnen, mit Umwelt- und Klimaschutz verbinden.
In einem nachhaltig gedachten System sind Klimaneutralität und gesunde Ökosysteme eben kein Luxus, sondern genauso lebensnotwendig wie ein funktionierendes Gesundheitssystem. Ernährungssicherung, der Erhalt der Lebensgrundlagen weltweit und faire Wettbewerbsbedingungen gehören zusammen. Die alte Formel der europäischen Agrarpolitik, mehr (subventionierte) Wettbewerbsfähigkeit führe zur Existenzsicherung der Landwirte und damit zur Ernährungssicherheit, ist nicht mehr gültig. Die Bewahrung der Lebensgrundlagen gehört zwingend dazu.

Die Strategien Farm-to-Fork und Biodiversität müssen die Basis sein, auf der die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union in Richtung einer nachhaltigen Ernährung umgebaut wird. Die neue GAP, deren Verhandlungen im Herbst zu erwarten sind, kann nur dann wirksam werden, wenn die Landwirte eine direkte Honorierung für ihre freiwilligen Leistungen für den Umwelt-, Klima- und Tierschutz erhalten. Denn diese werden aktuell über den Markt nicht entlohnt. Dafür müssen 70 Prozent der GAP-Fördermittel eingesetzt werden. Auch die nationalen Mittel müssen aufgestockt werden, um weiteren Landwirten eine Umstellung auf Ökolandbau zu ermöglichen. Dann kann die GAP in Richtung einer nachhaltigen Ernährung gelingen.

 

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