Die Herstellung von Käse hat Tradition (Foto: Sonja Herpich/Bioland)

Ein Sommer für den Käse

Wie hoch oben in den Bergen Delikatessen entstehen

27.07.2017

Alles Gute kommt von oben. Sprichwörter können manchmal ganz schön albern sein. Manchmal treffen sie die Sache aber auch recht gut. Zum Beispiel, wenn es um den Käse von der Hompessen-Alpe geht.

Von Dominik Baur

Nein, die Golfbälle sind nicht bio. Und, ehrlich gesagt, so ganz passen sie auch nicht ins Sortiment. Gebrauchte Golfbälle, zehn Stück für 15 Euro, steht auf dem Schild neben den angeschnittenen Käselaiben. Aber was soll man auch machen, wenn Tag für Tag die Bälle vom Golfplatz aufs eigene Hofgrundstück fliegen? Annemarie und Xaver Herz hatten eine Idee: Sie verkaufen jetzt die Bälle, schön sortiert nach Marke. Der Erlös kommt indischen Waisenkindern zugute.

Die Sennalpe Hompessen liegt auf 1050 Metern Höhe. Hier verbringen Annemarie und Xaver Herz mit ihren Kühen die Sommermonate (Foto: Dominik Baur)

 

Die meisten Kunden kommen aber nicht wegen der Bälle, sondern wegen des Käses auf den Bioland-Hof in Oberstaufen. Dessen Qualität hat sich herumgesprochen. Und er ist auch was Besonderes, denn er kommt von oben. Oben, das ist die Alpe, wie man im Allgäu sagt. Das, was in andern Regionen auch Alm oder Alp genannt wird. Auf der Alpe verbringen die Herzens die Sommermonate - mit ihrem gesamten Vieh. Das Ergebnis: 3000 Kilo Käse. So beliebt Käse von der Alpe auch ist, so selten sind die Bauern, die sich heute noch die Mühe antun. Die meisten treiben im Sommer allenfalls ihr Jungvieh auf den Berg.

 

Hompessen-Alpe heißt die Alpe der Familie Herz. Sie liegt auf 1050 Metern, 200 Höhenmeter oberhalb des Hofs. Und keine zehn Minuten Autofahrt entfernt. 18 Hektar Land hat die Familie hier oben. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Alpe zwar erst 1830, wie alt sie tatsächlich ist, weiß aber niemand. Sehr alt jedenfalls. Es ist eine gemütliche Hütte. Vier Schlafzimmer, Küche, Stube. Auch Strom und fließend Wasser fehlen nicht. "Der Strom kommt auch bei uns aus der Steckdose", sagt Xaver Herz. "Aber wir müssen ihn selber machen." Dazu hat er eine genau ausgetüftelte Anlage installiert – mit Windrad und Photovoltaik. Und auch das Wasser kommt nicht von den Wasserwerken. Von einer Quelle wird es zunächst in einen Tank weiter oben am Berg gepumpt, von wo aus die Alpe dann versorgt wird.
Nur mit der Abgeschiedenheit ist das so eine Sache. Da erfüllt die Alpe nicht so ganz das wildromantische Almklischee. Auf dem beliebten Wanderweg vor der Tür sausen an manchen Tagen alle paar Minuten die Mountainbikes vorbei. Mehr wild als romantisch.

Diana, Ellen und die anderen

In der Küche steht jetzt Thomas Herz, Xavers Bruder, am Kessel. Darin: 270 Liter Milch. Alles, was die Kühe in der Früh und am Abend zuvor gegeben haben. Hauptberuflich ist Thomas Herz Zimmerer, aber im Sommer macht er vormittags hier immer den Käse. Jemand habe mal gesagt, erzählt er, das Käsen sei eine Kunst. Jeder Käse ist ein Unikat, fällt ein bisschen anders aus.

Der Mann des Käses: Bruder Thomas Herz kümmert sich auf der Alpe um die Käseproduktion (Foto: Dominik Baur)

 

Thomas Herz rührt die Käsemasse durch, sie hat jetzt eine Temperatur von 33 Grad. Milchsäurebakterien und Lab arbeiten bereits, die geronnene Milch hat Herz zuvor mit der Käseharfe zerschnitten. Die so entstandenen Bruchkörner schwimmen nun in der Molke und werden immer fester. Sie werden später den Käse ergeben. Heute gibt es Kümmel-Alpkäse.

 

Im Oberallgäu lebt man vom Tourismus - im Sommer wie im Winter. So machen die Urlauber auch einen Großteil der Kundschaft von Xaver Herz aus. Nur zehn bis 15 Prozent des Käses kommt in Naturkostläden, der Rest geht in den Direktverkauf. Es gibt Kunden, die lassen sich Käse bis nach Berlin schicken.

Kommt der Chef auf die Weide, holt man sich auch gern mal seine Kraul-Einheiten ab (Foto: Dominik Baur)

 

Xaver Herz steht barfuß auf der Weide. Umringt von Ronja, Diana, Ellen, Heike und wie sie alle heißen. "Das ist die Gabi", sagt der Bauer und begrüßt die Kuh, die gerade neugierig angetrottet kommt. Die meisten seiner Tiere sind originales Braun- und Grauvieh, seltene Nutztierrassen, die inzwischen von der amerikanischen Rasse Brown Swiss verdrängt wurden. "Eine gemütliche Rasse", sagt Herz und krault Gabi. Insgesamt besitzt er 27 Milchkühe, 15 Stück Jungvieh und einen Deckstier. Dazu kommen im Sommer noch zwölf Mastschweine, ideale Verwerter der nahrhaften Molke, die bei der Käseherstellung abfällt. Drei Steineselstuten grasen auch noch nebenan. Sie sind gute Landschaftspfleger - vor allem aber Liebhaberei.

 

5000 Liter Milch geben seine Kühe durchschnittlich im Jahr. Selbst im Vergleich mit anderen Biobetrieben sei das "kümmerlich", sagt Herz. Aber Profit steht für ihn nie im Vordergrund. Er ist keiner von denen, die wegen des Milchpreises umgestellt haben. Herz ist Biobauer aus Überzeugung. Immer schon gewesen. Bei der Hofübernahme 1990 hat er die Umstellung auf Bio zur Bedingung gemacht.
Es war noch während der Ausbildung, da gab es in der Gegend eine Veranstaltung, bei der Pioniere des Ökolandbaus aus ihrer Arbeit erzählt haben. Danach wusste Herz: "Das ist das, was ich machen will." Jetzt braucht es nur noch jemanden, der es auch weitermachen will. Am besten eine der vier Töchter - wenn sie den geeigneten Schwiegersohn mitbringt.

Im Angebot hat die Familie Herz Bergkäse, Alpkäse sowie verschiedene Gewürzkäse, das heißt Alpkäse mit Kümmel, Bärlauch, Pfeffer oder einer Gewürzblütenmischung (Foto: Dominik Baur)

 

Aber es eilt ja nicht. Xaver Herz ist erst 51 Jahre alt. Deshalb geht es jetzt erst mal ums Tagesgeschäft. Zum Beispiel um den Käse. Fünf Laibe hat der Bruder gemacht, die müssen heute noch mehrmals gedreht und gepresst werden. Morgen kommen sie dann ins Salzbad. Und dann dauert es eh nur noch acht Wochen, bis man den Alpkäse essen kann. Theoretisch. Xaver Herz verzieht das Gesicht. "Aber nur, wenn’s jemand ganz mild mag."

 

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