Urlaub auf dem Bauernhof ist für landwirtschaftliche Betriebe eine zukunftsweisende Option (Fotos: Imago)

Ein Bett am Kornfeld

Urlaub auf dem Bauernhof boomt

27.08.2019

Ein Drittel der Deutschen macht Urlaub im eigenen Land. Das ist auch eine Chance für Bauernhöfe, aus dem Hamsterrad des "Wachse oder weiche!" auszusteigen und auf eine weitere Einkommenssäule zu setzen: den Agrotourismus. Denn Urlaub auf dem Bauernhof wird immer beliebter.

Von Marta Fröhlich

"Bis Ende 2020 ausgebucht" - wer jetzt ein freies Bett für seinen Urlaub auf dem Bauernhof sucht, wird sich oft bis zur übernächsten Saison gedulden müssen. Denn die Nachfrage nach Agrotourismus in Deutschland ist größer als das Angebot. 2016 verbuchten etwa 10.000 Betriebe mehr als 15 Millionen Übernachtungen unter dem, was im sperrigen Branchensprech "Beherbergungsangebot mit signifikantem Bezug zur Landwirtschaft" genannt wird. Darunter Camping am Hof, Schlafen im Heu und - mit knapp 90 Prozent der absolute Löwenanteil - Ferienwohnungen und Ferienhäuser.
Dabei ist der Agrotourismus für den einzelnen Betrieb viel wichtiger als für die Gesamtwirtschaft. Denn nur etwa zehn Prozent des gesamten touristischen Umsatzes fielen 2016 auf landwirtschaftliche Angebote. Jeder zweite der 10.000 Agrotouristik-Betriebe erwirtschaftet hingegen ein Viertel seines Gesamtumsatzes, indem er Touristen beherbergt, bei jedem vierten Betrieb ist es sogar die Hälfte. Vor allem Betriebe mit Tierhaltung erfreuen sich großer Beliebtheit. Laut einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft halten vier von fünf Betrieben Tiere, etwa die Hälfte davon Milchvieh.

 

Familien mit Kindern sind die Hauptzielgruppe des Agrotourismus

 

Kühe im Stall und auf der Weide zu erleben scheint der Vorstellung des Touristen von einer bäuerlichen Landwirtschaft am nächsten zu kommen. Familie Grass etwa macht gern Urlaub beim Milchbauern, dieses Jahr war sie zum fünften Mal auf demselben Betrieb im Berchtesgadener Land. "Wichtig ist uns aber, dass es ein echter Bauernhof ist, also ein Erwerbsbauernhof", sagt Sabrina Grass. Leander, sieben, und Luisa, acht Jahre alt, sollen hier sehen, wo ihr Essen herkommt. Auf dem Hof mit 50 Rindern dürfen sich die Kinder, die sonst mitten in der Stadt aufwachsen, frei bewegen, dürfen beim Stallausmisten und Kühe füttern helfen.

Ansprüche der Gäste steigen

Diese Nähe sieht Franziska Schmieg, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Urlaub auf dem Bauernhof und Landtourismus in Deutschland, als den großen Trumpf der Betriebe. In ihrem Verband sind etwa 3000 Betriebe organisiert, die Urlaub auf dem Bauernhof anbieten. "Der persönliche Kontakt zwischen Gast und Gastgeber ist sehr wertvoll", sagt sie. Andererseits reiche dies heute nicht mehr.
Die Ansprüche der Gäste seien deutlich gestiegen, seit der Agrotourismus in den Sechzigerjahren in Deutschland an Fahrt aufgenommen hat. Reichte einer vierköpfigen Familie seinerzeit ein rustikales Mehrbettzimmer mit Gemeinschaftsbad auf dem Flur, soll es heute schon höherer Sterne-Standard sein.Neun von zehn Herbergen bieten ihren Gästen mindestens drei, wenn nicht vier Sterne nach der Zertifizierung des Deutschen Tourismusverbands (DTV) an. Selbst Fünf-Sterne-Unterkünfte erreichen heute einen Marktanteil von 8 Prozent.

 

Das lassen sich die Gäste gern etwas kosten und bringen Geld in die Region. Jeder Tourist gibt im Schnitt 55 Euro am Tag für seinen Urlaub auf dem Land aus. 30 Euro für die Übernachtung, den Rest lässt er in der örtlichen Gastronomie oder dem Einzelhandel. Ein lukratives Geschäft auch für die Region. Besonders in per se touristisch interessanten Regionen wie den Alpen, dem Schwarzwald oder an der Küste Schleswig-Holsteins floriert das Geschäft auf dem Land. Die Zahl jener Betriebe nimmt zu, die zehn und mehr Betten anbieten.

 

Der Agrotourismus leidet zwar auch unter dem Strukturwandel in der Landwirtschaft und dem Höfesterben, aber gerade mittlere Betriebe weiten ihr touristisches Angebot aus.
Damit steigt auch die Professionalisierung. Neben einer immer stärkeren Spezialisierung - zum Beispiel aufs Reiten oder Wellnessangebote - setzen viele Höfe auf die Vermarktung regionaler Produkte. Beinahe auf jedem zweiten Hof bekommt man hofeigene Produkte, ob im Laden oder auf dem Frühstückstisch. Weitere zwölf Prozent locken mit gastronomischen Angeboten wie einem Café, Restaurant oder Bistro. Auch die Vermietung für Events und Aktionen ist mittlerweile gängige Praxis.

 

Gerade Frauen am Hof können den Gastbetrieb besser mit der Familie vereinbaren, eventuell können auch verfallende Gebäudeteile wieder zum Leben erweckt werden. Das zusätzliche Standbein bringt weiteres Einkommen und mehr Unabhängigkeit von landwirtschaftlichen Faktoren wie Klima und Erträgen. Doch der Schritt in den Agrotourismus bedeutet für viele Betriebe zunächst eine hohe Investition. Helfen können Finanzspritzen aus zahlreichen Töpfen.

 

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