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Staubtrockene Erde und verdorrte Pflanzen prägten das Landschaftsbild im Sommer (Foto: Imago)

Der Hitzeschock

Warum der Dürresommer nicht nur eine Wetterkapriole ist

02.11.2018

Der heiße Sommer hat viele Landwirte heftig getroffen, ganze Ernten sind ausgefallen. Die Wetterextreme nehmen zu, sind sich Experten sicher, der Klimawandel ist da.

Von Barbara Tambour

Seit neun Wochen haben die Milchkühe auf dem Kellerwaldhof kein frisches Grünfutter bekommen. "Seit Anfang Juni konnten wir keinen Schnitt machen", erläutert der grüne Europa-Abgeordnete Martin Häusling, dessen Söhne den Biohof im nordhessischen Bad Zwesten bewirtschaften. Zu trocken war es. Milchvieh-Betriebe leiden besonders stark unter der Hitze und Dürre, weil auf dem Grünland nichts wächst. Vielerorts in Deutschland durchziehen tiefe Risse den ausgetrockneten Ackerboden, Maispflanzen bleiben klein, ihre Kolben kümmerlich. Die Weizenernte fällt ein Fünftel geringer aus als im Vorjahr, einzelne Landwirte haben weitaus größere Ernteausfälle.
Die Hitze dieses Sommers ist für viele ein Schock. Sie entspricht aber genau dem, was Klimaforscher seit Jahren vorhersagen: Die Erderwärmung ist in vollem Gange. Nicht jeder Sommer in Mitteleuropa wird derart heiß und trocken werden. Aber die Wetterextreme nehmen zu: Späte Fröste, Starkregen und Hagel - wie im vergangenen Jahr - ebenso wie Dürre und hohe Temperaturen.

Großbetriebe profitieren von Agrarsubventionen (Foto: Imago)

 

Die Herausforderung, vor der die Landwirtschaft steht - in Deutschland und weltweit - , ist gewaltig. Wird der Hitze-Schock dieses Sommers als Chance ergriffen umzusteuern, dann könnte er - aufs Große gesehen - zu einem heilsamen Schock werden. Mit den 58 Milliarden Euro Agrarsubventionen, die jährlich in den Ländern der Europäischen Union verteilt werden - rund sechs Milliarden Euro gehen nach Deutschland -, hat die Politik ein Instrument, den Wandel in der Landwirtschaft zu steuern. Doch ein Großteil der Direktzahlungen wird allein nach Hektargröße des Betriebs vergeben, sodass Großbetriebe davon sehr viel mehr profitieren als Kleinbetriebe.

 

Die Agrar-Milliarden sollten nicht länger mit der Gießkanne verteilt werden, sondern zielgerichtet: "Jeder Euro Steuergeld für die Landwirtschaft muss in Richtung Klima- und Artenschutz wirken - weg von Monokulturen, Agrarchemie und zu viel Tierhaltung, hin zu ökologischer Bewirtschaftung", sagt Felix zu Löwenstein, Biolandwirt und Vorsitzender des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Zu einem heilsamen Schock könnte die Hitze dieses Sommers werden, wenn Betriebe, die eine nachhaltige und klimafreundliche Landwirtschaft betreiben und das Tierwohl im Blick haben, künftig höhere Zahlungen erhielten. Auch Klein- und Familienbetriebe müssten proportional mehr bekommen als Großbetriebe. In der EU verhandeln die Agrarminister gerade darüber, zu welchen Bedingungen sie ihre Agrarsubventionen von 2021 an verteilen. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) muss sich jetzt für Veränderungen einsetzen.

Es geht auch klimagerecht

Die Landwirtschaft ist nicht nur Opfer der globalen Erderwärmung. Sie trägt "maßgeblich zur Emission klimaschädlicher Gase" bei, wie das Umweltbundesamt feststellt. Vor allem in der Tierhaltung und beim Ausbringen von Gülle und Mist entsteht Methan, beim Düngen mit Stickstoff Lachgas. Laut Umweltbundesamt stammen 7,2 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland aus der Landwirtschaft, andere Studien sprechen von 11 Prozent.
Wie eine weniger klimaschädliche Landwirtschaft aussehen kann, haben Biolandwirte in Schweden, Deutschland und Italien in den vergangenen Jahren ausprobiert. In dem sogenannten SOLMACC-Projekt der EU wird untersucht, wie die Landwirtschaft einerseits einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann und gleichzeitig widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen wird.

Beispielhaft

Betriebsleiter Hans Joachim Mautschke (Foto: Annegret Grafen)

Das Gut Krauscha bei Görlitz

Das Gut Krauscha, ein Bioland-Hof in der Oberlausitz, zeigt, wie ein landwirtschaftlicher Betrieb das Klima schützen und sich für Klimaveränderungen gut aufstellen kann. Betriebsleiter Hans Joachim Mautschke baut dort Roggen, Weizen, Gerste und Hafer an, außerdem vermehrt er Saatgut. Anstatt die Felder mit Rindergülle zu düngen, kompostiert er den Mist, denn kompostiertes Material setzt weniger Treibhausgase frei. Neben Getreide baut er nun auch Erbsen und Lupinen an, weil diese Pflanzen die Fähigkeit besitzen, Stickstoff aus der Luft zu binden und im Boden zu speichern. Das fördert das Wachstum der im Folgejahr gesäten Pflanzen. Bei Winterweizen und Roggen pflügt er weniger tief und verbraucht so weniger Diesel. Gleichzeitig verbessert sich dadurch die Bodenstruktur. Weniger Bodenerosion und eine Verbesserung des Bodenlebens sind die Folge. Hecken und Baumstreifen, die er angepflanzt hat, entziehen der Atmosphäre Kohlendioxid, der jährliche Heckenschnitt kommt als Holzhackschnitzel in die Heizung des Hauses und ersetzt fossile Brennstoffe. Viele dieser Maßnahmen sparen nicht nur Treibhausgase, sondern rechnen sich auch betriebswirtschaftlich, weil sie dem Landwirt Kosten sparen und seine Erträge steigern.


Die Landwirtschaft kann also auch ein Teil der Lösung sein. "Bauern können sogar die Klimakrise lindern, indem sie Böden gesund halten, viel Humus aufbauen und dadurch Kohlenstoff aus der Atmosphäre ziehen und im Boden speichern", meint zu Löwenstein.
Weil die Wetterextreme zunehmen, ist es gut möglich, dass nächstes Jahr Starkregen und Staunässe auf den Feldern das vorherrschende Problem sein werden. Allein auf Saatgut zu setzen, das Trockenheit relativ gut verträgt, ist deshalb noch keine Lösung. Vielfältiger muss die Landwirtschaft werden, da sind sich die Experten einig. Wer mehr und unterschiedliche Fruchtarten anbaut, zu unterschiedlichen Zeiten sät und erntet, dessen Risiko sinkt, bei Wetterkapriolen die gesamte Ernte zu verlieren.

Vielfalt statt Spezialisierung. Das bedeutet eine Kehrtwende. Denn in den vergangenen Jahren haben sich die Betriebe immer mehr spezialisiert. In der globalen Wirtschaft ist es beispielsweise günstiger, proteinhaltiges Viehfutter aus Südamerika zu importieren - zumal das zollfrei möglich ist -, als es selber anzubauen. Die Kehrseite: Es werden kaum mehr heimische Eiweiß-Futterpflanzen kultiviert. Schlecht fürs Klima, weil Urwald in Südamerika dafür abgeholzt wird und weil dadurch kaum noch Eiweiß-Pflanzen wie Erbse oder Lupine auf hiesigen Äckern angebaut werden, die Stickstoff aus der Luft im Boden fixieren können. Mehr Vielfalt auf dem Acker, das ist gut für den Boden und gut für das Klima.
Welche Klimaschutzmaßnahmen sind besonders wirksam und machbar? Die wissenschaftlichen Beiräte für Agrar- und Waldpolitik - eingesetzt vom Bundeslandwirtschaftsministerium - haben schon vor zwei Jahren vier besonders empfohlen.

 

Wiedervernässtes Teufelsmoor in Niedersachsen (Foto: Imago)

 

Erstens: Moore schützen und Ackerland, für das Moore trockengelegt wurden, wieder vernässen. Denn aus ihnen entweichen viele Treibhausgase, rund 40 Prozent des Ausstoßes aus der Landwirtschaft. Zweitens: Weniger Fleisch essen und Tiere auch nicht für den Export "produzieren". Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch sind Lebensmittel, bei deren Herstellung besonders viele Treibhausgase anfallen. Die Verbraucher müssen umdenken: Kein Fleisch mehr essen oder weniger und in Bioqualität. Drittens: Brennholz statt Biogas-Mais anbauen. Biogas-Kraftwerke mit schnellwachsender Weide und Pappel befeuern anstelle von Mais, das spart Mineraldünger und Pestizide und schützt das Grundwasser und die Artenvielfalt. Viertens: Effizienter düngen, weil übermäßiger Stickstoff auf Äckern und Wiesen das Klima und das Wasser belastet.

Machtkampf in Berlin und Brüssel

Umsteuern, klimagerecht handeln und durch kluge politische Entscheidungen dafür Anreize schaffen, das klingt einfach. Ist es aber nicht. Das fängt bei den Verbrauchern an: Wer hat in diesem Sommer seinen Grill mit Biofleisch bestückt? Oder statt Steaks und Würstchen Gemüse-Spieße auf den Rost gelegt? Zur Spaßbremse wird, wer es wagt, in der Runde am Grill Kritik an der Billigfleisch-Orgie zu äußern. Der Anteil von Biolebensmitteln liegt unter sechs Prozent, der für Biofleisch unter zwei. Ein schickes Auto zu fahren und in den Urlaub zu fliegen, ist vielen wichtiger, als gute, nachhaltig erzeugte und damit etwas teurere Nahrungsmittel zu kaufen. Doch ohne Veränderungen in den Konsumgewohnheiten gibt es keine Änderungen in der Landwirtschaft hin zu mehr Klimagerechtigkeit. Ohnehin sind die Beharrungskräfte im Landwirtschaftssektor groß. Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands und Landwirt in Schleswig-Holstein, wollte in einer TV-Talkrunde die Diskussion über Reformen der Agrarsubventionen am liebsten gar nicht führen. Ein besonderes Jahr erfordere besondere Maßnahmen. "Das mit der Agrarpolitik zu verknüpfen, wird den Anforderungen nicht gerecht", äußerte er. Das Gegenteil ist wahr: Die Agrarpolitik der Bundesregierung und der EU muss sich grundlegend wandeln. Dazu fehlt aber sowohl in Berlin wie in Brüssel der Wille. Der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU nach 2020 mangelt es weiterhin an klaren Zielen und Strategien zum Umwelt- und Klimaschutz. Noch immer sollen 73 Prozent der Agrargelder als Flächenprämie gezahlt werden, unabhängig davon, welche Art der Landwirtschaft betrieben wird. Umso wichtiger ist es, aus dem Hitze-Schock dieses Sommers die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen: Die Erdüberhitzung ist im vollen Gange. Umsteuern müssen Verbraucher wie Landwirte.


Barbara Tambour ist Redakteurin bei Publik-Forum. Dieser Text erschien in voller Länge im Heft 16/2018 Publik-Forum

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