Bio in öffentlichen Küchen kann der entscheidende Hebel für den Klimaschutz sein (Foto: Sonja Herpich/Bioland)

Bio zu Hause und Billigfleisch in der Kantine?

Für mehr Bio in Kantinen, (Schul-)Mensen und Restaurants muss die Politik das Startsignal geben

23.05.2022

Allein mit dem Kaufverhalten im Supermarkt lässt sich eine Umstellung der Land- und Lebensmittelwirtschaft Richtung Bio nicht leisten. Ein besonders wichtiger Hebel liegt auch im gesamten Außer-Haus-Markt – den Impuls zur Wende vor allem für Bio in öffentlichen Verpflegungseinrichtungen muss jedoch die Politik geben. Ein Kommentar.

Von Sonja Grundnig

Mehr denn je hat die Art, wie wir uns ernähren, Auswirkungen: auf unsere Gesundheit, auf unsere Umwelt und - immer spürbarer - auf das Klima.
Entsprechend größer wird daher auch die Debatte, die in unserer Gesellschaft zum Thema Ernährung geführt wird und viele Konsument*innen sehen sich selbst als Teil der Lösung, das zeigen auch Zahlen der vergangenen Jahre aus der Marktforschung.

Nur essen wir häufig gar nicht zu Hause, sondern auswärts, ob im Restaurant oder in der Betriebskantine. Zwar hat der Außer-Haus-Markt während der Pandemie herbe Einbrüche einstecken müssen. Mit Start der Draußensaison und dem Abflachen der Coronakrise erlebt die Gastronomie jedoch wieder einen deutlichen Aufwärtstrend. Diese Entwicklung müssen wir als Gesellschaft nutzen, um Bio als wichtigen Hebel für mehr Klimaschutz, Tierwohl und Biodiversität in die Breite zu tragen. Auch und gerade weil aktuell der Biomarkt unter der Weltlage ächzt.

Hunderttausende Teller, die tagtäglich in deutschen Kantinen über die Theke gehen, zeigen: Das Potenzial für eine Ernährungswende in der sogenannten Gemeinschaftsverpflegung ist riesig, aber es wird bisher kaum genutzt: Schätzungen zufolge hat gerade etwas mehr als 1 Prozent des Essens in Restaurants, Kantinen und Mensen Bio-Qualität – genaue Zahlen gibt es bislang gar nicht, was unterstreicht, dass man sich dem Thema noch nicht ausreichend zugewandt hat. Dazu kommen vielerorts fleisch-, fett- und zuckerlastige Speisepläne, die weder dem Klima noch der Gesundheit der Essensgäste zuträglich sind. Letzteren kann man dabei am wenigsten einen Vorwurf machen. Zwar können und sollten sie den Wunsch nach einem hochwertigeren und nachhaltigeren Speiseplan äußern und mit ihrer Nachfrage den Kurs ändern, wie die immer häufiger servierten Veggie-Gerichte beweisen. Gerade private Betriebsrestaurants oder Gastronomien können darauf reagieren.

Bio-Quote für öffentliche Einrichtungen

Für die öffentlichen Küchen von Ämtern und staatlichen Institutionen trägt jedoch die Politik die klare Verantwortung. Allein sie kann eine Bio-Quote in den Einrichtungen ausrufen und damit einen entscheidenden Hebel bewegen in Richtung gesunder Ernährung, die gut ist für Verbraucher*innen, für Umwelt-, Arten- und Klimaschutz.
Zwar gibt es bereits seit vielen Jahren das Ziel von 20 Prozent Bio-Anteil in den Kantinen der Bundeseinrichtungen – zuletzt von Ex-Agrarministerin Julia Klöckner nochmals medienwirksam aus der Schublade gekramt. Doch getan hat sich in den Großküchen bislang wenig. Nach vielen Jahren Regierungszeit ist diese Maxime nur ein Ziel geblieben. Zudem würden 20 Prozent gar nicht dazu führen, dass die Speisepläne wirklich grundlegend umgestellt werden. Es bliebe damit wohl eher beim Austausch einiger, eher günstiger Lebensmittelkomponenten wie Nudeln oder Reis.

Best practice: Dänemark

Foto: Imago

Dänemark hat es vorgemacht und gezeigt, wie politischer Wille die Umstellung auf Bio vorantreiben kann. Im Rahmen eines EU-Projektes ging die Umstellung der Landwirtschaft und der öffentlichen Gastronomie auf Öko Hand in Hand. Mit den erzeugten Produkten wuchs auch der Absatz in öffentlichen Küchen. Im sogenannten House of Food wurde eine bio-orientierte Ausbildung für Köche landesweit aufgezogen. Dazu kam ein Stufenmodell, das angibt, wie hoch der Anteil an Bio in der betreffenden Küche ist; das sorgt bei den Verbraucher*innen für Transparenz und ermöglicht eine wirtschaftlich sinnvolle stufenweise Umstellung der öffentlichen Küchen - ein Meilenstein.


Nun ist mit Cem Özdemir ein Minister für Landwirtschaft und Ernährung in Verantwortung, der immer wieder betont, wie wichtig Bio für die Sicherung der Lebensgrundlagen ist. Mit der Einführung einer 50-Prozent-Bio-Quote in öffentlichen Küchen kann er ein wichtiges Zeichen setzen für das heimische Bio-Wachstum. Die öffentlichen Kantinen würden so zu Bio-Zugpferden für den gesamten Außer-Haus-Markt werden; weil sie nicht nur nachhaltige Lebensmittel anbieten, sondern auch wichtige Bildungsarbeit bei der Veredelung von Bio-Lebensmitteln leisten würden. Zufriedene Gäste inklusive.
Schließlich würde die Bio-Quote auch dem Agrarminister selbst dienen: Denn auch er wird wissen, dass sich das von ihm gesetzte Ziel von 30 Prozent Ökofläche 2030 nicht allein an der Supermarktkasse umsetzen lässt.

Die Kommentatorin Sonja Grundnig

Sonja Grundnig ist Ernährungwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Ernährungsökologie. Seit 14 Jahren ist sie bei Bioland und leitet den Bereich Außer-Haus-Markt. Ihre Aufgabe ist Bio(land) vom Acker bis auf den Teller zu bringen. Unter dem Motto "Schmeck das Bioland" unterstützen sie und ihr Team Köche, Gastronomen, Hoteliers und Gemeinschaftsverpfleger auf diesem Weg. Davor war sie u.a. als Beraterin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Beratungsbüro für Ernährungsökologie/Dr. Karl von Koerber in München tätig. mehr Infos zu Gastronomie im Bioland gibt es >>hier.


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