Aus Liebe zum Kuchen
Wie und warum Bio-Mohn nun auch in Deutschland wächst
Mohn kann man nicht einfach mal so anbauen, denn dazu braucht man eine Genehmigung der Bundesopiumstelle. Die Umstände nimmt Bioland-Bauer Josef Schmidt gern in Kauf – aus einem ebenso überraschenden wie profanen Grund: "Damit ich mir meinen Lieblingskuchen backen kann."
Rosarot leuchten die Felder von Josef Schmidt Ende Juni. In dieser Zeit werden die Flächen im bayrischen Steinwald zum absoluten Foto-Hotspot. Der Mohn, den Josef Schmidt dort anbaut, hat eine enorme Anziehungskraft – nicht nur auf Fotograf*innen, sondern auch auf den Landwirt selbst. Doch für ihn zählt neben der Optik vor allem der Geschmack.
Der 37-Jährige ernährt sich konsequent bio und regional. Ein Problem, wenn es um seinen Lieblingskuchen geht, denn für den braucht der Bauer Mohn. Bis 2013 gab es aber keinen Mohn in Bio-Qualität aus Deutschland. Also musste er selbst ran.
Auf einem 100 Quadratmeter großen Kartoffeldamm startete er damals seinen Erstversuch. Aus der kleinen Testfläche sind inzwischen rund 20 Hektar geworden, die Josef Schmidt jährlich betreut. Und seinem Vorbild sind weitere Bio-Höfe in Deutschland gefolgt: Mittlerweile – nur sieben Jahre später – ist auf einer Fläche von knapp 300 Hektar Bio-Mohn gewachsen. Erstmals gibt es wieder deutschen Bio-Mohn in größeren Mengen.
Von heute auf morgen ging das aber nicht. Schlafmohn, den wir in der Regel für unsere Speisen nutzen, fällt im Gegensatz zum Klatschmohn in unseren Gärten unter das Betäubungsmittelgesetz. Denn: Schlafmohn kann mehr als 30 Alkaloide enthalten, also giftige Substanzen mit einer meist berauschenden Wirkung. Deshalb musste sich Josef Schmidt erst einmal bei der Bundesopiumstelle melden, die für Regelungen rund um das Betäubungsmittelgesetz zuständig ist.
Der Anbau wird streng kontrolliert
"Ich musste ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und nachweisen, dass ich Landwirt bin und auch was von meiner Sache verstehe. Außerdem muss man angeben, wo man den Mohn anbaut, wie viel davon und was man dann damit vorhat", erklärt der Bioland-Bauer. "Und natürlich eine Genehmigungsgebühr bezahlen."
Dabei kann man aus der Pflanze selbst bei entsprechender krimineller Energie gar kein Rauschgift herstellen. Dafür ist der Morphingehalt zu gering. Ein Gramm Mohnsamen darf maximal vier Mikrogramm Morphin enthalten. Für Josef Schmidt kein Problem. In seinem Mohn steckt in aller Regel weniger als ein Mikrogramm.
In Deutschland sind die Regeln für den Mohnanbau besonders streng. Von den 35 Sorten, die in Europa gelistet sind, sind hierzulande nur drei Sorten zugelassen. Nur von zwei Sorten ist Saatgut erhältlich.
Das war früher anders. Seit Jahrhunderten entstehen die unterschiedlichsten Produkte aus Mohn: Gebäck, Öl, Tierfutter, aber eben auch Arznei- oder Betäubungsmittel. "In alten landwirtschaftlichen Büchern habe ich gelesen, dass im Jahr 1910 Mohn in Bayern auf einer Fläche von 1.500 Hektar angebaut wurde. Er war ein wichtiges Nahrungsmittel, da er viele ungesättigte Fettsäuren enthält und man damals aus Raps noch kein Öl pressen konnte, aus Mohn dagegen schon", erklärt Josef Schmidt. In den 50er-Jahren wurde der Mohnanbau schließlich verboten und nur noch mit Sondergenehmigung zugelassen.
Zur Person
Josef Schmidt hat den Biolandhof Grenzmühle 2009 gemeinsam mit seiner Partnerin Andrea übernommen und sofort auf bio umgestellt. Schon vorher wurde er Mitglied im Bioland-Verband. Neben dem Mohnanbau züchtet das Paar vor allem Rinder und Schweine. Ursprünglich war Schmidt Produktionsmeister in einer Gartenbaufirma, damit aber nie ganz zufrieden. Er sattelte um und machte die Ausbildung zum Landwirt. "Ich wollte Sachen anders machen, Dinge verbessern, eine Bewegung lostreten", sagt er. Deshalb ist der 37-Jährige auch politisch aktiv und könnte sich für die Zukunft sogar vorstellen, höhere Ämter anzustreben. Den Hof möchte er an seinen 20-jährigen Stiefsohn Johannes übergeben.
Dabei sei Mohn nicht nur im Kuchen, sondern auch auf dem Acker gut: Die Pflanze ist ein Pfahlwurzler - hat also Wurzeln, die gut einen Meter tief in den Boden reichen. "So kommt die Pflanze an Nährstoffe, an die andere mit kürzeren Wurzeln gar nicht rankommen. Wenn es mal trocken ist, dann macht das dem Mohn nichts", erklärt der Landwirt. „Außerdem sind die langen Wurzeln wie eine Art Belüftung für den Boden. Der wird dadurch schön locker." Und während die Stängel, also das Mohnstroh, ein super Dünger sind, bieten die Blüten eine wertvolle Nahrungsquelle für Insekten – auch wenn sie nur rund zehn Tage lang blühen.
Warum also hat außer Josef Schmidt in den letzten Jahren kaum jemand Mohn angebaut? "Die Leute haben die Kulturpflanze einfach vergessen. Man hat immer seine typischen Fruchtfolgen im Kopf. Da kommt man meistens gar nicht auf die Idee, es mal mit einer Rarität zu versuchen", so Schmidt.
Ein Kilo bringt vier Euro
Der geistige Vater für den Öko-Mohnanbau in Deutschland, wie Schmidt sich selbst bezeichnet, hat in den vergangenen Jahren an mehreren Forschungsprojekten mitgearbeitet. Zuletzt zur Entwicklung regionaler Anbau- und Vermarktungskonzepte von Speisemohn. "Der Mohnanbau muss organisch wachsen und parallel dazu müssen wir die passenden Wertschöpfungsketten aufbauen."
Schaut man auf den erzielten Preis, merkt man schnell: Das rentiert sich. „Für ein Kilo Mohn bekommt man mindestens vier Euro. Für ein Kilo Weizen noch nicht mal einen“, erzählt der Bio-Bauer. Auch wenn die Ernte des Weizens höher ausfällt, sei das ein guter Preis. Gerade auf Böden, die weniger ergiebig sind - so wie in Schmidts bayerischer Heimat, dem Steinwald.
Gut für den Boden, gut für die Natur, gut fürs Konto - wo also ist der Haken? "Es gibt keinen. Ich ernte auch mit meinem ganz normalen Mähdrescher und säe mit der gleichen Maschine, die ich auch für Gemüse verwende", sagt Schmidt. "Und die Nachfrage nach regionalen Waren ist da."
Nur die Säuberung der Samen ist etwas aufwendiger. Soll der Mohn zum Backen eingesetzt werden, muss er nämlich einen Reinheitsgrad von 99 Prozent vorweisen. Deshalb gibt Josef Schmidt seinen Mohn zur weiteren Verarbeitung an seine Bio-Kollegen, den Friedenfelser Landhandel. Dort wird er mit einer speziellen Technik aufgewertet und blitzblank gesäubert. Und kann dann auf dem Teller landen – auch bei Josef Schmidt, in Form seines Lieblingskuchens.
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